Internet

Zwischen den Cyber-Fronten

Greifen aus der Anonymität an: Hacker Foto: imago

Während die Hamas Raketen auf israelische Städte feuerte, sah sich Israel gleichzeitig Kämpfen an einer zweiten Front ausgesetzt: Die Hacker-Angriffe gegen den jüdischen Staat verfünffachten sich in der Zeit der Militäroperation »Protective Edge«. Auch Sicherheitslücken durch digitale Kommunikationsmedien wie WhatsApp wurden zu einer echten Bedrohung.

»Just als der Krieg in Gaza am 8. Juli begann, stieg die Zahl der Angriffe sprunghaft an. Statt der für einen regulären Tag rund 30 Angriffe gab es nun 150 und mehr«, geben die Internet-Sicherheitsexperten des Unternehmens Arbor Networks an. Allein am 21. Juli wurden 421 Angriffe gezählt. Fast alle Cyber-Attacken waren sogenannte »Distributed Denial of Service« (DDoS), bei denen die Hacker versuchen, Server durch eine Flut von Anfragen lahmzulegen. In den ersten vier Wochen der Operation zielten fast 5350 DDoS-Attacken auf Israel.

Boykottaufrufe Neben der schlichten Masse war auch die Größe eines jeden einzelnen Angriffs außergewöhnlich. Vor dem Krieg war keine Übertragungsrate größer als zwölf Gigabits pro Sekunde gewesen – in den Krisentagen verdoppelte sich diese Zahl. Schwiegen die Waffen für eine Weile, wie etwa am 28. Juli, ging auch die Anzahl der Internetangriffe wieder zurück.

Auch israelfeindliche Apps erleben derzeit einen Boom. »Buycott« ist eine Anwendung, die ihre Nutzer Kampagnen zur Produktförderung oder für einen Boykott starten lässt. Die Macher gaben jetzt an, dass die Gruppe »Long live Palestine, boycott Israel« von einigen Hundert Anwendern Anfang Juli auf eine Größe von mehr als einer Viertelmillion Nutzern angeschwollen ist. Auch die Gruppe »Vermeidet israelische Siedlungsprodukte« hat seit Beginn der Militäraktion starken Zulauf erhalten.

Nutzerumfrage Auch der Instant-Messaging-Dienst WhatsApp spielt in Kriegszeiten eine besondere Rolle: Eine repräsentative Umfrage der Internet-Vereinigung Israels (ISOC) unter 306 Israelis fand in der vergangenen Woche heraus, dass 73 Prozent der Nutzer den Nachrichten, die sie über WhatsApp erhalten, Glauben schenken. Rund die Hälfte gab an, dass sie während des Krieges sogar Informationen zur Sicherheitslage erhalten, die nicht einmal in den offiziellen Medien veröffentlicht werden.

So kursierten dort etwa auch Nachrichten über gefallene Soldaten – noch bevor deren Familien offiziell benachrichtigt werden konnten. 39 Prozent der Nutzer gaben zu, frühzeitig derartige Informationen erhalten zu haben. Bei den Gefechten im Shujaye-Viertel in Gaza, wo sieben Mitglieder der Golani-Brigade der IDF ums Leben kamen, schickten Soldaten die Namen der Getöteten und Bilder des getroffenen Fahrzeugs herum. Einige Angehörige erfuhren durch WhatsApp, dass ihre Liebsten gefallen sind. »Es ist ein schrecklicher Schock, wenn man diese persönliche Tragödie als Gerücht in einer Handy-Applikation erleben muss«, wird ein Vater zitiert, der über WhatsApp zunächst vom angeblichen Tod seines Sohnes erfuhr – was sich dann jedoch später als Falschmeldung herausstellte.

Todesnachricht »Die Familie eines gefallenen Soldaten zu informieren, ist die sensibelste und am meisten durchdachte Angelegenheit in der Armee«, erklärt ein Verantwortlicher der IDF. »Es ist einer der schlimmsten Augenblicke im Leben eines Menschen, und das muss mit größtem Einfühlungsvermögen vermittelt werden.« Mittlerweile wurden drei Militärangehörige und ein Zivilist festgenommen. Ihnen wird vorgeworfen, die betreffenden Informationen über ihre Handys weitergeschickt zu haben.

»Es stimmt definitiv«, sagt Omri aus Tel Aviv, der seinen vollen Namen nicht nennen möchte. »Wenn eine Rakete in Richtung Tel Aviv unterwegs war, der Iron Dome etwas abgefangen hatte oder eine größere Aktion in Gaza im Gange war, brummte WhatsApp pausenlos. Irgendwer wusste immer ein bisschen mehr. Viel von dem, was ich da gelesen habe, hätte ganz bestimmt nicht von Handy zu Handy geschickt werden sollen.«

Gerüchteküche Eine Tatsache, die das Sicherheitsestablishment des Staates in immer größere Sorge versetzt. Der Vorsitzende von ISOC, Alon Hasgell, sagt, man brauche keine besonders große Vorstellungsgabe, um sich auszumalen, welche Szenarien man mit gefälschten Nachrichten in WhatsApp und Co. heraufbeschwören könnte. Kommunikationsexperten warnen bereits seit einer Weile, dass sich die Menschen zu sehr auf WhatsApp verlassen, ohne zu überprüfen, was wahr und was falsch sei.

Laut der ISOC-Umfrage prüften lediglich 16 Prozent der Nutzer, ob die Botschaft der Wahrheit entspricht. Im Gegensatz dazu leitet fast die Hälfte (49 Prozent) umgehend auch »Sicherheitsgeheimnisse« an andere Nutzer weiter. 31 Prozent der Befragten sind sicher, dass WhatsApp ein positives Phänomen sei, denn es erlaube einen schnellen Informationsfluss. 40 Prozent indes glauben an einen negativen Einfluss auf die Bevölkerung durch die ständige Verbreitung von Halb- und Unwahrheiten.

»WhatsApp ist die moderne Gerüchteküche«, meint Omri. »Nur dass niemand mehr groß darin rühren oder etwas herumerzählen muss. Es bedarf einfach eines simplen Klicks – und schon wissen es alle. Ob es nun stimmt oder nicht.«

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