EILMELDUNG! Internationaler Strafgerichtshof erlässt Haftbefehl gegen Israels Premier Netanjahu

Uri Buri

»Zurück zur Normalität«

Uri Buri gilt als bester Fischkoch Israels. Sein Restaurant in Akko wurde am 11. Mai im Zuge der Ausschreitungen in der Stadt von arabischen Randalierern in Brand gesteckt. Foto: Flash 90

Uri, wie geht es den Mitarbeitern und Gästen, die den Anschlag am 11. Mai erlebt haben?
Es geht uns allen gut. Einige Leute hatten mit einem Posttrauma zu tun. Meiner Frau und meiner Tochter geht es gut. Aber einer unserer Gäste im Hotel, er ist 84 Jahre alt, ist noch im Krankenhaus. Bis Montag konnte er noch nicht selbst atmen. Mittlerweile ist er wieder bei Bewusstsein, kann selbstständig atmen, und das ist schon ein Fortschritt. Ich hoffe, dass auf ihn noch viele schöne Tage warten werden.

Kannst Du erzählen, wie Du den Abend erlebt haben, an dem Dein Restaurant und das Hotel in Brand gesteckt wurden?
Eigentlich wollte ich an diesem Abend zu Hause bleiben, denn wir hatten nicht viele Reservierungen, was ungewöhnlich ist. Aber es war eine gewisse Spannung zu spüren, und da entschloss ich mich, ins Restaurant zu fahren, um auch den Mitarbeitern ein Gefühl der Sicherheit zu geben. Ich habe ja keine Ahnung gehabt, dass so etwas passieren wird. Also fuhren meine Frau, meine Tochter und ich hin. Es war alles ruhig. Diese Ruhe war unnormal. Dann sah ich vier maskierte Menschen, die ein Fenster mit Hammer und Steinen komplett kaputt geschlagen haben. Dann sind sie abgehauen. Okay, dachte ich mir: Die haben ihre Wut rausgelassen, und jetzt gehen sie weg.

Wie haben die Gäste reagiert?
Es waren alles Gäste von außerhalb, die danach wieder zurück in ihre Hotels wollten. Sie fühlten sich nicht sicher, so ganz allein durch die Straßen zu gehen. Und da habe ich ein paar arabische Freunde angerufen, die die Gäste in ihre Hotels begleitet haben. Als der Letzte gegangen war, kam jemand und sagte, das Hotel brenne. Also ging ich mit meinem Koch ins Hotel, um einen Feuerlöscher zu holen. Meine Frau und meine Tochter blieben im Restaurant. Ich sah, dass meine Nachbarn schon dabei waren, das Feuer zu löschen. Einige Gäste kamen wegen des Rauchs von oben aus ihren Zimmern. Andere blieben oben, aber die Nachbarn gingen hoch und holten sie nach unten. Als sich alle unten im Hotel versammelt hatten, fing ich an, für sie ein anderes Hotel zum Übernachten zu suchen. Man muss sich vorstellen: Alle waren im Pyjama, es war ja schon fast elf Uhr. Und als ich dabei war, Hotels in Naharija zu finden, die die Gäste aufnehmen würden, erfuhr ich, dass man auch das Restaurant angezündet hatte. Ich war panisch, denn ich wusste: Meine Frau und meine Tochter sind da. Also ging ich los. Zu Fuß sind es etwa vier Minuten.

Welches Bild bot sich?
Es war ein riesiges Feuer. Ich erfuhr später, dass meine Frau und meine Tochter sich auf der Toilette versteckt hatten und mit anhören mussten, wie alles auseinanderfällt. Ein Zimmer brannte, aber ich sah, dass das Feuer sich nicht ausbreitete. Meine Nachbarn haben beim Löschen geholfen. Wir haben vom Hotel einen Löschschlauch gezogen, und ich habe eineinhalb Stunden dort gestanden und Blut und Wasser geschwitzt. Weder Feuerwehr noch Polizei war da.

Weshalb nicht?
In diesen Tagen gab es Unruhen in Jerusalem, und die Polizei hat viele Beamte dorthin geschickt. Akko stand nackt da. Ungeschützt. Und das war die Chance für die Kriminellen, ihr Ding zu machen. So stand ich eineinhalb Stunden, bis das Feuer gelöscht war. Dann fuhr ich mit meiner Frau und meiner Tochter nach Hause.

Was ging Dir durch den Kopf?
Ich habe beschlossen, dass ich alle negativen Gedanken, Gefühle, Probleme stumm schalte. Ich empfinde keinen Hass, kein Selbstmitleid. Ich musste mich darauf fokussieren, was ich will und wie ich das mache. Für mich stand fest: Ich will alles so schnell wie möglich wiederaufbauen. Ich brauche alle Kraft und alle meine Sinne. Ich habe 62 Angestellte im Hotel und im Restaurant, und alle arbeiten schon viele Jahre mit mir zusammen. Sie hatten während der Covid-Pandemie alle freiwillig geholfen, und nachdem der Lockdown zu Ende war, sind alle wieder zurück zur Arbeit gekommen. Das war eine große Freude. Und ich will auch jetzt alle zusammenhalten. Dafür versuche ich, ein Restaurant für drei Monate anzumieten und dorthin umzuziehen, damit ich meine ganze Mannschaft halten kann. Es ist schwer, Arbeitslosengeld zu bekommen, und ich will nicht, dass es zu lange dauert, bis wir wieder zusammen arbeiten können.

Welche Botschaft hast Du in diesen Tagen?
Meine Botschaft ist sehr einfach: Alle vernünftigen Menschen, und das ist ein sehr großer Prozentsatz der Bevölkerung, müssen sich allen Radikalen entgegenstellen. Radikal ist schlecht. Es gibt nicht unsere Radikalen, die gut sind, und jene Radikalen, die schlecht sind. Ein Radikaler mit einem Streichholz kann so viel Schaden anrichten, den Tausende Feuerlöscher nicht verhindern können. Das ist schlecht für die Gesellschaft. Wir müssen diesen Radikalen klarmachen: Ihr gehört nicht zu unserer Gesellschaft. Wir müssen Druck auf sie ausüben, sodass sie sich schämen, radikal zu sein. Radikal ist radikal, das ist gefährlich, das muss man nicht akzeptieren. Ein anderer Punkt ist mir noch wichtig: Ich war kürzlich auf einem Symposium im Kibbuz Lochamej haGeta’ot. Dort diskutierten viele Akademiker über Vorfälle aus dem Jahr 2000, die sie erforschen. Doch was macht man mit diesen Studien? Ich sage: Man muss Koexistenz praktisch leben. Und das mache ich in meinem Hotel, in meinem Res­taurant, in dem die Menschen zusammenarbeiten, in dem wir gemeinsam Feiertage begehen, in dem der eine dem anderen hilft. Und das macht den Unterschied. Ein arabischer Junge in Akko hat wenig Chancen, in eine jüdische Umgebung zu kommen. Die Kinder lernen in verschiedenen Schulen. Dabei muss man sich doch kennenlernen, man muss sich anfreunden. Meine Enkel leben in einem Kibbuz. Dort lernen auch arabische Kinder aus einem nahe gelegenen Beduinendorf. Sie alle sind gut miteinander befreundet, besuchen sich gegenseitig.

Das ist in Akko anders?
Es ist eine Stadt, hier sind sie Nachbarn und besuchen sich nicht einmal. Man muss die Grenzen öffnen, man muss den Kopf öffnen, man muss näher beieinander leben, um zu verstehen, dass wir alle aus demselben Material gebaut sind.

Wie sehr werden die Ausschreitungen in Lod, Akko oder Jaffa die Menschen im Nachhinein beschäftigen?
Wir vergessen Dinge viel schneller, als wir denken. Die Leute vergessen, wollen wieder zum Hummus essen in arabische Dörfer gehen – auch wenn das vielleicht noch eine Weile dauert. Am vergangenen Montag habe ich ein Treffen auf meiner ausgebrannten Terrasse gemacht, zu dem Köche aus ganz Israel – Araber und Juden – vom Verband der Gastronomen kamen. Wir haben ein Manifest geschrieben, in dem steht, dass wir daran glauben, dass Essen verbindet. Das muss man nutzen, um die Menschen zusammenzubringen. In diesem Manifest verpflichten wir uns, dass wir jegliche Arbeiter und Gäste unabhängig von ihrer Herkunft akzeptieren und ehren. Wir wollten das machen, um zu vermeiden, dass Juden aus Protest nicht mehr in arabische Restaurants gehen. Ich sage: Das ist genau das Falsche. Restaurantbesitzer und Köche waren kein Teil der Ausschreitungen. Sie nun zu bestrafen, indem man nicht mehr zum Essen in ihre Restaurants geht, ist eigentlich eine Belohnung für die, die die Koexistenz zerstören wollen. Und übrigens: Nachdem wir dieses Manifest unterschrieben haben, sind wir alle zu »Hummus Said« gegangen und haben dort gemeinsam Hummus gegessen.

Die beste Art der Koexistenz …
Am 4. Mai waren wir alle zusammen auf einem Iftar-Essen mit Scheich Samir Assi, mit dem Rabbiner, dem Führer von den Beduinen, den Drusen. Das war unglaublich. Wenn man mir das früher erzählt hätte, hätte ich gesagt, das sei unmöglich. Wir haben schon viel erlebt, Kriege gesehen, und immer wieder ging es zurück zur Normalität. Und das wird auch diesmal geschehen. Wenn zwischendurch nichts Schlimmeres passiert, wird es so sein. Ich möchte wieder die Atmosphäre erleben, wenn alle zusammenarbeiten. Wenn alles klappt und wie eine Nähmaschine funktioniert. Ich will wieder Freude an der Arbeit gewinnen. Gerade läuft es eher etwas automatisch ab: aufschreiben, was ich am Tag machen muss, welche Versicherung ich anrufen, was erledigt werden muss. Ich mache das nicht so gerne, aber ich muss es tun, um mein Ziel zu erreichen, wie eine Maschine. Normalerweise gehe ich zur Arbeit, quassele mit den Kunden, mit den Freunden, mit allen, die vorbeigehen, sehe zu, dass alles klappt, dass die Fische, die gekommen sind, frisch sind, dass der Spinat schön grün und frisch ist. Aber genau das ist meine Arbeit, und es ist das, was mir Spaß macht!

Mit dem israelischen Koch sprach Katrin Richter.

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