Viele junge Menschen, die für eine Weile ins Ausland gehen, verlieben sich dort. So ist es auch Shira Perez gegangen. Die Israelin hat ihr Herz in Mexiko verloren. »Das stimmt«, sagt sie noch eineinhalb Jahre nach ihrem Aufenthalt, »ich habe mich in das wunderschöne Zentrum im Dschungel verliebt.« Drei Monate lang war Perez als Freiwillige im Center des Project TEN der Jewish Agency in Oaxaca beschäftigt.
Eigentlich stand die Entscheidung über »die große Reise« an, zu der sich viele junge Israelis nach der Armee aufmachen. Aber die damals 22-Jährige wusste nicht so recht, wohin es gehen soll, »und außerdem wollte ich etwas Sinnvolles machen, nicht einfach irgendwo abhängen. Mit dem Gedanken, dass sie gern nach Südamerika gehen möchte, informierte sie sich im Internet über Freiwilligendienste im Ausland und stieß auf Project TEN.
»Es war genau, was ich wollte: junge Leute aus der ganzen Welt treffen und in einem Entwicklungsland helfen.« Außerdem gefiel ihr, dass die Zentrale der Organisation in Jerusalem für sie erreichbar war. Nach »Tonnen von Fragebögen« wurde Perez zu einem Gespräch und anschließend zu einem Orientierungstag mit anderen Bewerbern eingeladen. Dabei lernte sie die Tätigkeiten in allen Zentren kennen und wurde schließlich für das mexikanische Zentrum in Oaxaca ausgewählt. »Mein absolutes Traumziel«, schwärmt sie noch heute.
international Project TEN ist ein internationales Entwicklungsprogramm, das Zentren für Freiwillige in Entwicklungsländern unterhält. In dem Programm werden Freiwilligenarbeit für lokale Gemeinden und das Lernen in den Bereichen internationale Entwicklung, Kultur, Identität und jüdischer Aktivismus zusammengebracht. Die Möglichkeiten reichen von Sommerprogrammen über ein- bis fünfmonatige Programme für Ehrenamtliche.
Marketing- und PR-Direktor Daniel Aschheim ist stolz auf »das größte Projekt für Tikkun Olam in der ganzen Welt«. Junge jüdische Erwachsene aus allen Ländern im Alter von 19 bis 35 Jahren reisen in verschiedene Ecken der Erde, um dort zu helfen. Die Freiwilligen kommen neben Israel beispielsweise aus den USA, Großbritannien, Südamerika, Ungarn, Frankreich und Deutschland. »Wir nennen es das jüdische Peace Corps«, so Aschheim.
»Project TEN ist Mifgasch«, erläutert der Direktor, »also das Zusammentreffen junger Juden, die freiwillige Arbeit in Entwicklungsbereichen und Limmud, das gemeinsame Lernen zu jüdischen Themen.« Die Arbeit findet hauptsächlich in den drei Bereichen informelle Bildung, Hygiene und Gesundheit sowie nachhaltige Landwirtschaft statt. »Wir glauben, dass die echte Entwicklung durch Kooperation mit den Einheimischen kommt. Wir kommen nicht einfach in die Länder und sagen: ›Wir wissen genau, was ihr braucht‹, sondern arbeiten mit den Bewohnern der Gemeinden Hand in Hand«, betont er.
Zentren Das Projekt hat insgesamt sechs Zentren: Oaxaca in Mexiko, Gondar in Äthiopien, Winneba in Ghana, Durban in Südafrika, Namulanda in Uganda sowie den israelischen Kibbuz Harduf. Für zwei weitere in Peru und Armenien habe die Planung bereits begonnen, »denn wir wollen uns stetig erweitern«, wie der Direktor versichert. Die Kernfinanzierung erfolgt über die Jewish Agency, daneben gibt es verschiedene private Spender, »allerdings noch nicht genug«.
Im Kibbuz Harduf im Norden Israels beispielsweise werden hauptsächlich beduinischen Teilnehmern Englisch und Computerkenntnisse beigebracht. In Mexiko arbeitet Project TEN mit einheimischen Krankenschwestern zusammen, mit dem Ziel, dass diese das Gelernte in ihren Gemeinden einsetzen. Auch gibt es eine Initiative mit lokalen Kaffeeanbauern. Ein anderes Zentrum liegt in einem Fischerdorf in Ghana. Auch hier werden Kinder unterrichtet und durch verschiedene Sommer- und Sportprogramme gestärkt. Das neueste Zentrum in Uganda besuchte der Leiter der Jewish Agency, Natan Sharansky, vor wenigen Tagen bei der Einweihung persönlich.
75 Prozent der Zeit volontieren die Teilnehmer in ihren zugeteilten Arbeitsfeldern. Abends lernen sie in Gruppen, oft zu jüdischen Themen, und lernen Kultur, Land und Leute kennen. Gegründet vor viereinhalb Jahren, haben bisher 1400 junge Menschen bei Project TEN mitgemacht.
Fremde Shira Perez hatte schon am ersten Tag ein gutes Gefühl. Bei der Ankunft habe der Leiter des Zentrums mit einem großen Willkommensschild am Flughafen auf die Gruppe gewartet, erinnert sich die junge Israelin. »Es war für mich besonders wichtig, dass jemand da war und ich mich in der völligen Fremde nicht allein fühle.« Die Ankunft im Zentrum der Jewish Agency sei wie die in einer anderen Welt gewesen, »denn das Center liegt in einer unfassbar schönen Umgebung mitten im Dschungel. Es war einfach atemberaubend«.
Gemeinsam mit ihren Kollegen unterrichtete Shira Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren in Englisch, gestaltete ein Sommerprogramm für die Gemeindeschule und einen Kurs für die Entwicklung von Führungseigenschaften der jungen Teilnehmer. »Jungs und Mädchen der verschiedenen Altersstufen waren alle in einer einzigen Klasse. Das Unterrichten war nicht immer einfach, und wir mussten uns sehr umstellen, doch am Ende war es so bereichernd – für die Kinder und für uns.«
Erinnerung Während ihres Aufenthalts habe die kommunale Schule das Ende des Unterrichtsjahres gefeiert – »und wir alle waren eingeladen. Die Schüler haben extra eine Rede für uns geschrieben und deutlich gemacht, wie viel wir ihnen beigebracht haben und wie dankbar sie sind. Das wird für immer einer der wertvollsten Momente in meinem Leben sein«.
Aschheim betont die Bedeutung dieser Erlebnisse ebenfalls: »Wir sehen das Volontieren nicht als Entscheidung für eine Identität, sondern als zusätzliche Identität im Sinne von: ›Wir sind globale jüdische Aktivisten‹.« Und Perez sagt, sie könne jedem jungen Menschen empfehlen, für eine Weile ins Ausland zu gehen, um Freiwilligendienst zu leisten. »Es sind einfach besondere Erfahrungen, die man sonst als junger Mensch kaum machen kann. Ich werde mich auf jeden Fall für immer an meine Erlebnisse in Mexiko erinnern. Und darüber hinaus habe ich Freunde aus aller Welt für das ganze Leben gefunden.
tenprogram.org