»Silicon Wadi« – in Anlehnung an »Silicon Valley« – wird Tel Aviv genannt, wenn es um Start-ups geht. Gerade ist die Stadt Treffpunkt für junge Gründer aus der ganzen Welt. Florian Simmendinger aus Berlin ist dabei. Er fotografiert die Skyline von Tel Aviv und das blaue Meer dahinter.
Er hat einen hervorragenden Ausblick, denn der 25-Jährige steht auf dem Dach des Rathauses. Um ihn herum wuselt es von Leuten, die an Stehtischen Getränke zu sich nehmen und sich unterhalten. Fahnen sind aufgestellt, darunter die chilenische, kolumbianische, italienische, dänische und deutsche. Bürgermeister Ron Huldai hat zum Brunch eingeladen, seine Gäste sind die Gewinner eines Wettbewerbs, der am 6. September in Berlin stattfand: der »Start Tel Aviv«-Wettbewerb, der unter 100 Teilnehmern weltweit die 16 besten Start-up-Firmen auswählte.
Börse Der Preis: ein fünftägiger Aufenthalt in Tel Aviv. Jedoch nicht nur, um im Meer zu baden, sondern um zudem von der hier stattfindenden »Digital Life Design (DLD)«-Konferenz zu profitieren, die das Unternehmen Hubert Burda Media seit vier Jahren in Zusammenarbeit mit der Metropole am Mittelmeer veranstaltet. Ziel des international angesehenen Treffens ist es, Experten, Anbieter, Anwender und Investoren zusammenzubringen: »Israel und sein innovatives Start-up-Netzwerk spielen dabei eine entscheidende Rolle. Nicht von ungefähr wurde dort bereits 1999 die Idee zur internationalen Innovationsplattform beim Treffen ›Cool People in the Hot Desert‹ geboren«, gibt Burda, der die Eröffnungsrede am Dienstag selbst gehalten hat, in einer Pressemitteilung bekannt.
In Tel Aviv gibt es rund 700 Start-up-Firmen, 68 davon werden an der elektronischen Börse Nasdaq gehandelt. Damit liegt Israel nach den USA und Kanada an dritter Stelle bei börsennotierten Technologieunternehmen. Die kreative Szene, die Apps wie das Navigationssystem Waze entwickelt hat, das für viel Geld an Google verkauft wurde, lockte Software-Riesen wie IBM, Microsoft und die Deutsche Telekom an. Sie unterhalten hier Forschungszentren und wollen von dem Innovationseifer und der Risikofreude der Israelis profitieren.
Letzteres sind Attribute, die auch für Florian Simmendinger und seine fünf Partner gelten. Ihre Firma »Feel the Beat« (www.myfeelthebeat.com) ist wohl das Paradebeispiel für die Geschichte eines Start-up-Unternehmens. Zum einen kennen sich die sechs erst seit Kurzem. Zum anderen dauerte es nur wenige Wochen von der Ursprungsidee bis zum Entschluss, eine Firma zu gründen.
Rhythmus Simmendinger erzählt: »Wir sind alle Hobbymusiker.« Einer ist Violinist in einem Orchester und hatte die zündende Idee. »Er hat geübt und wie alle Musiker in der ganzen Welt zur Unterstützung ein Metronom genutzt.« Das Gerät, das die Notenwerte eines Stückes pro Minute angibt, dient Musikern als Richtschnur für die richtige Spielweise und Interpretation. »Man braucht es, aber viele hassen das Metronom und sein nervtötendes Klacken«, fasst es der Betriebswirt zusammen.
Plötzlich habe sein Freund gedacht: »Es gibt Sportarmbänder, die den Puls zählen und jede Aktivität des Körpers. Wieso gibt es nichts Vergleichbares für die Vermittlung von Rhythmus?« Nach einem Brainstorming mit den anderen war es so weit: Das tragbare Metronom wurde geboren. Simmendinger zeigt das Produkt: Es ist ein simples Armband aus flexiblem Kunststoff, an dem ein kleiner rechteckiger Impulsgeber befestigt ist.
Im Betahaus in Berlin, einer privaten Initiative, die Gründern Räume und Ausrüstung günstig vermietet, haben sie zehn Tage an dem Projekt gearbeitet und den Prototyp entwickelt. Das jeweilige Musikstück und sein Takt werden am Smartphone eingestellt und an den vibrierenden Impulsgeber übertragen, den der Musikschüler am Handgelenk trägt. »Der Beat geht ins Unterbewusstsein, und man kann seine Konzentration auf die Noten und das Musikinstrument richten«, erklärt Simmendinger das einfache, aber effektive Prinzip.
Geld Die Idee ist das eine. Das andere: Man braucht Investoren. Bislang haben die sechs Gründer von ihrem Ersparten gelebt. Jetzt geht es ans Eingemachte. Gut, dass Simmendinger als Betriebswirt weiß, welche Wege möglich sind und wie man vorgeht. »Wir haben uns entschlossen, unsere Firma mithilfe von Vorbestellungen zu finanzieren.« Soll heißen, das Gerät wird beworben, und wer Interesse hat, kann es bestellen. Es soll rund 70 Euro kosten, vermutlich wird es in China hergestellt werden, wo Simmendinger ein Jahr verbrachte. Kein einfacher Weg, weil der Kunde überzeugt werden muss, ohne das Produkt getestet zu haben. »Aber wir werden das hinkriegen.«
Ist das gelungen, eröffnet sich »Feel the Beat« ein riesiger Markt. Musikschulen, Privatschüler, Orchester und Bands, die sich miteinander vernetzen können und so nicht mehr aus dem Takt geraten, nennt Simmendinger als Beispiele. Und es wird vermutlich als Erstes in den USA verkauft werden: »Dort sind die Leute offener.«
Die fünf Tage in Tel Aviv nutzt der 25-Jährige, um sich Tipps und Anregungen von den Start-ups hier zu holen und Beziehungen zu knüpfen. Die DLD-Messe, die auf dem historischen Gelände Hatachana stattfindet, dem alten Bahnhof, bietet dazu jede Gelegenheit. Hier ist die Crème de la Crème der Szene präsent. Davon abgesehen hofft der junge Firmengründer jedoch auch auf ein bisschen Auszeit: »Um wenigstens einmal im Meer zu baden.«
www.dldtelaviv.com