Es ist alles andere als eine ideale Allianz. Sultan Qaboos bin Said von Oman ist Schatz,- Verteidigungs- und Geheimdienstminister in einer Person. Von Demokratie keine Spur. Bin Said ist zudem einer der engsten Verbündeten des Iran in der Region. Dennoch – oder vielleicht gerade deshalb – reiste Premier Benjamin Netanjahu vergangene Woche zu einer offiziellen Visite in den kleinen Golfstaat im Südosten der arabischen Halbinsel.
Damit betrat seit 22 Jahren erstmals wieder ein israelischer Regierungschef Oman. Die beiden Staaten unterhalten offiziell keine diplomatischen Beziehungen. Seit Langem betont Netanjahu die Wichtigkeit der Annäherung zwischen Israel und den arabischen Staaten, allen voran Saudi-Arabien.
Dass die Kontakte existieren, ist ein offenes Geheimnis, doch bislang fanden die Gespräche hinter den Kulissen der politischen Bühne statt. Die Visite in der Hauptstadt Maskat allerdings präsentiert sie jetzt im grellen Scheinwerferlicht. Zwar wurden sie erst nach Netanjahus Rückkehr veröffentlicht, doch Fotos, wie der israelische Ministerpräsident lächelnd die Hände des Sultans zur Begrüßung hält, beherrschen seitdem die Titelseiten.
Netanjahu reiste zudem mit einer vielsagenden Entourage. Ebenfalls dabei waren die Experten in Sachen Sicherheit, darunter Mossad-Direktor Eli Cohen und der nationale Sicherheitsberater, Meir Ben-Shabbat. Man darf davon ausgehen, dass diese den Weg nach Maskat geebnet haben. Die diplomatischen Lorbeeren aber heimst zweifelsohne Netanjahu persönlich ein.
Frieden »Die beiden Seiten diskutierten, wie man Frieden und Stabilität in der Region erreichen kann. Der Besuch des Premiers ist ein bedeutender Schritt, die Politik umzusetzen, um die Verbindungen mit den Staaten in der Region zu vertiefen, damit Israels Vorsprünge in Sicherheit, Technologie und Wirtschaft wirksam eingesetzt werden«, hieß es aus dem Büro Netanjahus. »Man darf die Offenheit und den Hunger nach Modernität in den arabischen Staaten nicht unterschätzen. Der Hauptgrund ist, dass wir innovativ sind.«
Wenige Tage zuvor war Palästinenserpräsident Mahmud Abbas nach Oman gereist. Er bezeichnete sein Treffen als »auf ganzer Linie erfolgreich«. Es ist unklar, ob er von Netanjahus anstehendem Besuch wusste. Doch im Anschluss da-
ran lamentierten die Palästinenser über »die Normalisierung zwischen Israel und den arabischen Staaten«. Es sei das Ende der arabischen Friedensinitiative, die vorschlug, dass Israel und arabische Staaten erst dann Kooperationen beginnen, nachdem es einen Palästinenserstaat gibt.
Für diesen Plan hatte sich Netanjahu ohnehin nie erwärmt. Stattdessen setzt er auf die Initiative von US-Präsident Donald Trump. Ob die allerdings tatsächlich ausgearbeitet oder lediglich Versprechen im Rahmen des Prahlens um den »ultimativen Deal« ist, wird sich zeigen.
Netanjahus Anliegen, gerade jetzt Oman zu besuchen, obwohl Maskat verkündet hatte, dass es Sanktionen gegen Teheran ablehnt und sich der Sultan offen gegen die Anti-Iran-Politik aus Saudi-Arabien stellt, ist auf den ersten Blick nicht eindeutig. Der Golfstaat hatte wesentlich an der Ausarbeitung des Atomdeals zwischen Iran und den westlichen Nationen mitgewirkt, der unter US-Präsident Barack Obama abgeschlossen und von Trump zur Makulatur erklärt wurde.
Atmosphäre Auch Politikexperten rätseln über die Bedeutung. Offiziell lautet die Begründung aus Oman, es sei der Frieden. Man wolle »Ideen anbieten, um Israel und den Palästinensern zu helfen, zusammenzukommen«. Der US-Gesandte für die Region, Jason Greenblatt, lobte das Treffen. Es sei hilfreich, »um eine Atmosphäre der Stabilität, Sicherheit und des Wohlstands für Israelis, Palästinenser und die Nachbarn zu schaffen«.
Seinem Kabinett sagte Netanjahu, dass es die geteilte Sorge um Atomwaffen aus Teheran sei, den Beziehungen zwischen Israel und verschiedenen arabischen Staaten zu einem neuen Hoch zu verhelfen. Die Rede des Außenministers von Oman, Youssef bin Alawi bin Abdullah, auf dem Forum für Sicherheit in Bahrain ging noch weiter: »Israel ist ein Staat, der in der Region präsent ist, das verstehen wir alle. Vielleicht ist es an der Zeit, dass er gleichberechtigt behandelt wird und dieselben Verpflichtungen hat.«
Dass der Besuch zudem ein taktischer Schritt Netanjahus ist, um die Achse zwischen Oman und dem Iran sowie anderen Golfstaaten zu schwächen, darüber spekulieren viele. Die Palästinenser sind überzeugt, dass dem so ist. Mahmud Abbas meint: »Das Wertesystem sowie der arabische politische und soziale Pakt existieren nicht mehr.« Abbas könnte recht haben, denn auch die Saudis erklärten in Bahrain unumwunden, dass sie daran glauben, die Normalisierung der Verbindung zu Israel diene dem Friedensprozess.
Khashoggi Saudi-Arabien indes muss seine Worte derzeit auf die Goldwaage legen. Denn nach dem grausigen Mord an dem Journalisten und Regimekritiker Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul, der nach Meinung von vielen von Kronprinz Mohammed bin Salman (genannt MBS) persönlich beauftragt wurde, stehen die Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und den USA – und damit auch Israel – auf dem Prüfstand. Obwohl Trump bislang nichts gegen das Königreich unternommen hat und Waffendeals vor Menschenrechten den Vorzug gibt, brodelt es in den USA. Sogar prominente Republikaner befürworten Sanktionen.
Jerusalem hat sich aus der Khashoggi-Debatte bislang völlig herausgehalten. Nicht ein Mitglied der Regierung äußerte sich öffentlich. »Für Israel bedeutet diese schmutzige Episode, dass man auf den Anker der neuen Realität in Nahost – eine israelisch-sunnitisch-arabische Koalition, um dem Iran Einhalt zu gebieten – nicht mehr zählen kann« meint Daniel Schapiro, ehemaliger US-Botschafter in Israel.
»Die Implikationen der Ermordung gehen weiter als die Tragödie für die Familie des Opfers. Sie bringt fundamentale Fragen für die USA und Israel zu ihrem strategischen Konzept in Nahost auf.« Schon zuvor machte der Kronprinz durch skrupellose und impulsive Handlungen auf sich aufmerksam: bei der Entführung des libanesischen Premierministers, dem Bombardieren von Zivilisten in Jemen und der Überreaktion gegen kanadische Menschenrechtsaktivisten. »Dies ist nur ein weiterer Beweis für die fundamentale Unzuverlässigkeit Saudi-Arabiens unter MBS«, ist sich Schapiro sicher.
Dennoch sei die Koordination Israels mit seinen Partnern in der Region nötig und wünschenswert, obwohl eine enge Verbindung zu Riad einen Imageschaden für Jerusalem bedeuten könnte, weiß Schapiro. »Die Realpolitik fordert dies.«