Am Wochenende hat es in mehreren Orten Israels und im Westjordanland teils gewaltsame Proteste von Beduinen, Palästinensern und israelischen Arabern gegeben. Die meisten davon in der Negevwüste im Süden des Landes.
Beim »Tag des Zorns«, so die Eigenbezeichnung, wurden ungefähr 50 Demonstranten von der israelischen Polizei festgenommen. Die größte Kundgebung mit rund 1200 Teilnehmern fand auf einer Straßenkreuzung in der Nähe des Beduinendorfes Hura statt. Dabei warfen Demonstranten Steine auf Polizisten. Auch in Haifa im Norden des Landes sowie am Damaskustor in der Altstadt Jerusalems kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei und zu mehreren Festnahmen.
Auslöser der Proteste ist ein Gesetzentwurf, der unter anderem die Umsiedlung von etwa 40.000 Beduinen aus illegalen Ansiedlungen im Negev in reguläre Städte vorsieht. Der sogenannte Prawer-Plan, benannt nach Ehud Prawer, Chef der Planungsbehörde von Ministerpräsident Netanjahu, war im September 2011 formuliert worden und sieht vor, ungeklärte Eigentumsfragen zwischen Beduinenstämmen und dem israelischen Staat endgültig zu klären. Das Gesetz soll in diesem Monat von der Knesset verabschiedet werden.
Infrastruktur Der Prawer-Kommission zufolge leben etwa 80.000 der insgesamt 210.000 Beduinen im Negev in illegalen, das heißt, ohne Genehmigung errichteten und vom Staat nicht anerkannten Siedlungen, die daher auch nicht ans Strom- und Telefonnetz oder an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen sind und über keinerlei Infrastruktur verfügen.
Der Plan sieht vor, einige dieser Siedlungen zu legalisieren und an die Versorgungsnetze anzuschließen, andere wiederum aufzulösen, die Bewohner zu entschädigen und in größere Städte umzusiedeln. Von beiden Maßnahmen wären je etwa 40.000 Menschen betroffen. Alle Beduinen, die nachweisen können, dass sie ein festes Stück Land über Jahre bearbeitet haben, sollen finanziell kompensiert werden.
regierungskampagne Offiziell ist der Prawer-Plan Teil einer Regierungskampagne, die die Entwicklung der Negevwüste vorantreiben und die Beduinen besser in die israelische Gesellschaft integrieren soll. Das alles soll nach Regierungsangaben in enger Zusammenarbeit mit den örtlichen Beduinenfamilien geschehen.
Kritiker des Plans hatten aber schon bei dessen Veröffentlichung moniert, er gehe über die Bedürfnisse der Beduinen hinweg und diene vor allem dazu, Platz für neue jüdische Ansiedlungen in der Negevwüste zu schaffen, etwa für die geplanten Ortschaften Hiran und Kassif, die Wohnungen für knapp 15.000 jüdische Familien bereitstellen sollen.
Befürworter hingegen weisen darauf hin, dass der Staat ohne Genehmigung errichtete Siedlungen nicht einfach tolerieren könne und die bevorstehende Umsiedlung die soziale Lage und Lebensverhältnisse der betroffenen Beduinen erheblich verbessern werde. Das Programm wird den israelischen Staat umgerechnet etwa zwei Milliarden Euro kosten.
Zukunft Glaubt man Premierminister Benjamin Netanjahu, sind die jüngsten Proteste ohnehin nicht repräsentativ. Sie seien »der Versuch einer lauten und gewalttätigen Minderheit, breiten Bevölkerungsschichten eine bessere Zukunft zu verwehren«, teilte Netanjahu mit. Das Gesetz werde »allen Bewohnern des Negev« eine »bessere Zukunft« gewährleisten.
»Die Demonstrationen kommen nicht aus der Mitte der beduinischen Gemeinschaft«, glaubt auch Doron Almog, Leiter des Stabs zur Umsetzung des Prawer-Plans. »Etwa 80 Prozent der betroffenen Beduinen befürworten die Umsiedlung«, sagte der Generalmajor a.D. der Tageszeitung Haaretz.
Beduinenfamilien mit insgesamt mehreren Tausend Mitgliedern hätten ihre Bereitschaft erklärt, in Städte und befestigte Ortschaften umzusiedeln. »Stämme bei Jeruham und Dimona zum Beispiel möchten gerne in Gemeinden umziehen, in denen es ein gutes Schulsystem, Straßen und Infrastruktur gibt«, sagte Almog.