Rima Hassan ist selten ohne ihre Kufiya anzutreffen. Auch bei der ersten Plenarsitzung des Europäischen Parlaments seit der Wahl am 9. Juni trug sie das »Palästinensertuch« fast ständig.
Die frisch gebackene Europaabgeordnete der linkspopulistischen Partei La France Insoumise (LFI) stand im LFI-Wahlkampf im Mittelpunkt, obwohl sie nur auf Platz 7 der Europaliste der Partei von Jean-Luc Mélenchon gestanden hatte. Zuvor hatte sie Avancen der Grünen abgelehnt, die sie ebenfalls für eine Kandidatur gewinnen wollten.
Rima Hassan hat es seit dem 7. Oktober 2023, dem Tag der brutalen Hamas-Massaker gegen Zivilisten in Israel, zu einem Star der französischen Politik gebracht. Und in erster Linie wegen des 7. Oktober, denn die 32-jährige, in einem Flüchtlingslager in Syrien geborene Tochter von Palästinensern, profiliert sich seit Monaten nur mit einem Thema: Israels Krieg in Gaza.
Der Grund war einfach: Die LFI fokussierte ihren Wahlkampf ganz auf das Thema Gaza und sprach gezielt muslimische und »israelkritische« Kreise der französischen Wählerschaft an. Vor allem Hassan feuerte rhetorisch aus allen Rohren auf Israel.
Die Taten der Hamas, die sie als legitime »Widerstandsbewegung« ansieht, verharmlost Hassan gezielt, während sie gleichzeitig Israel einen »Genozid« in Gaza unterstellt und aller möglichen Verbrechen bezichtigt. Dem jüdischen Dachverband CRIF (einer der Lieblingsfeinde ihres Parteichefs Mélenchon) warf Hassan vor, die Israel-Politik der Regierung zu »diktieren«. Und vor dem Sitz eines TV-Senders in Paris organisierte sie flugs eine Großdemonstration, weil der Sender es gewagt hatte, ein Interview mit Israels Premier Benjamin Netanjahu auszustrahlen.
Rima Hassan ist nicht die einzige Linke in Frankreich, die so oder so ähnlich denkt und die kaum Zuneigung und Verständnis für Israel aufbringt. Aber sie ist mit Abstand die sichtbarste und aggressivste Politikerin.
Das zeigte sich auch diese Woche in Brüssel. Hassan war in der ersten Sitzung des Unterausschusses für Menschenrechte von einer spanischen Fraktionskollegin der Linken als stellvertretende Ausschussvorsitzende nominiert worden. Fast wäre die Wahl per Akklamation durchgegangen; die Ausschussvorsitze werden auch im Europaparlament per interfraktioneller Absprache vergeben.
Doch François-Xavier Bellamy, Abgeordneter der französischen Republikaner, die Teil der christdemokratischen EVP-Fraktion sind, machte seine Kollegen auf die problematischen Äußerungen Hassans während des Wahlkampfs aufmerksam. Die Wahl der dritten Stellvertreterin wurde mehrheitlich auf die nächste Ausschusssitzung am 5. September verschoben.
Damit löste Bellamy einen wahren Wutanfall Hassans aus. Auf der Plattform X, wo sie mehr als 200.000 Follower hat, drohte sie ihm offen: »Das ist dieselbe Feigheit, die in Ihrem leeren, flüchtigen Blick liegt, wenn ich Ihnen auf den Fluren des Europäischen Parlaments begegne.« Den Post endete sie mit den Worten:»Zittert nur. Das hier ist erst der Anfang.«
Wenig später legte Hassan nach: »Momentan schlafen @fxbellamy und seine kleinen Freunde, die dem völkermörderischen israelischen Regime nahestehen, nachts noch gut. Das wird nicht so bleiben«, schrieb sie auf ihrem Social-Media-Account.
Der Luxemburger EVP-Abgeordneten Isabel Wiseler-Lima, die die Verschiebung der Wahl der dritten stellvertretenden Vorsitzenden beantragt hatte, warf Hassan vor, von der »Israel-Lobby« finanziert worden zu sein und Reisen in die »besetzten Gebiete« unternommen zu haben. Konkret nannte sie die Nichtregierungsorganisation ELNET.
Ihre Drohungen wurden von Europaabgeordneten mehrerer Parteien scharf zurückgewiesen. François-Xavier Bellamy teilte mit, er habe einen Anwalt gebeten, bei der Staatsanwaltschaft in Paris Strafanzeige gegen Hassan zu erstatten. »Wir werden den Anwälten der Hamas nicht nachgeben«, erklärte er. Hassan habe ihn in den sozialen Netzwerken »der Rachsucht islamistischer Kreise« in den sozialen Medien ausgeliefert. Bereits im April hatte die französische Justiz ein Verfahren wegen Verherrlichung terroristischer Akte gegen die Juristin eingeleitet.
Und auch Parlamentspräsidentin Roberta Metsola dürfte sich des Falles annehmen. Hassan verstoße mit ihren Drohungen gegen Kollegen eindeutig gegen den Verhaltenskodex der Europaparlamentarier, darin waren sich viele Abgeordnete aus den Reihen von Christdemokraten und Liberalen einig. Aus Hassans Partei LFI und dem Linksbündnis Nouveau Front Populaire kam hingegen bislang keine Reaktion auf die Ausfälle ihrer Fahnenträgerin.
Doch scharfe Kritik erntete die Jungparlamentarierin vom Imam des Pariser Vororts Drancy, Hassen Chalghoumi. »Rima Hassan verkörpert den Hass und ist das Sprachrohr der Hamas, wodurch sie das wahre Gesicht des Extremismus zeigt. Angesichts einer Gesellschaft, die vor Angst fast gelähmt ist, müssen wir unsere Solidarität mit FX Bellamy zeigen und ihre Aggressivität und ihre Drohungen zurückweisen«, schrieb Chalghoumi auf X.
Eine Aufgabe im Menschenrechtsausschuss erhielt Hassan dann doch noch vor der Sommerpause: Von der Fraktion der Linken wurde sie nun zur zweiten Obfrau bestimmt, neben der Spanierin Isa Serras. Weitere Ausschussmitglieder hat die Linke aber gar nicht.
Doch vielleicht war die Benennung eher als Trostpreis gedacht. Ihrem Lieblingsthema kann Hassan so weiterhin die volle Aufmerksamkeit schenken - auch, wenn sie im September nicht zu einer der Stellvertreterinnen des Vorsitzenden gewählt werden sollte.