Rund 10.000 Reservisten der israelischen Armee haben am Samstagabend erklärt, dass sie ihren Freiwilligendienst verweigern werden – so lange, wie die Regierung in Jerusalem versuche, die höchst umstrittene Umwälzung der Justiz durchzudrücken. Für Anfang nächster Woche plant die Koalition, über die Aufhebung des Angemessenheitsstandards abzustimmen.
Einen Tag zuvor hatten 1000 Reserveoffiziere der Luftwaffe, darunter Piloten, Navigatoren und Mitglieder der Spezialeinheiten, ein Schreiben verfasst, indem sie klarmachten, dass sie nicht mehr zum Reservedienst erscheinen würden, wenn der Gesetzesentwurf in der Knesset angenommen wird.
EINSATZBEREITSCHAFT Stabschef Herzl Halevi und der Kommandeur der Luftwaffe, Tomer Bar, warnten Verteidigungsminister Yoav Gallant daraufhin, dass sich dies unmittelbar auf die Einsatzbereitschaft des Militärs der IDF auswirken könnten.
Nach Angaben in israelischen Medien versucht Gallant angeblich, die Knesset-Abstimmung zu verschieben, aus Sorge, dass die Fortsetzung des Plans unmittelbar die militärische Bereitschaft beeinträchtigen könnte.
»Die Knesset und die Regierung Israels können es sich nicht leisten, den Drohungen politischer Aufsässiger nachzugeben«, twitterte Diaspora-Angelegenheitsminister Amichai Chikli und verglich das Vorgehen der Reservisten mit einer »Erpressung durch die Mafia«.
Der ehemalige Stabschef Gadi Eizenkot konterte, dass die Aktionen der Reservisten keine »Aufsässigkeit« seien.
»Sie machen Menschen, die ihr Leben dem Schutz des Landes gewidmet haben, zu Feinden des Volkes.«
oppositionsführer yair lapid
Oppositionsführer Yair Lapid äußerte sich während einer Kundgebung am Samstagabend in Modiin zu dem Thema: »Netanjahu muss sich entscheiden – die israelische Armee oder die Abschaffung des Angemessenheitsstandards.« Lapid beschuldigte Premierminister Benjamin Netanjahu: »Sie und Ihre Minister haben Krieger und Piloten beschimpft, die beschlossen, sich nicht mehr freiwillig für den Reservedienst zu melden. Sie machen Menschen, die ihr Leben dem Schutz des Landes gewidmet haben, zu Feinden des Volkes.«
Besondere Kritik der Reservisten widmet sich gegen den rechtsradikalen Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir. Der diente wegen seiner extremistischen Gesinnung nicht in der Armee.
KAMPF Einer, der seine Drohung der Dienstverweigerung bereits in die Tat umgesetzt hat, ist Nevo Erez, ehemaliger Kommandeur der Eliteeinheit Shayetet 13.
Während Hunderttausende nach Angaben israelischer Medien in verschiedenen Teilen des Landes demonstrierten, protesteierte er vor dem Haus von Verteidigungsminister Yoav Gallant im Moschaw Amikam im Norden. »Wir befinden uns in einem schwierigen Kampf und in ungewöhnlichen Zeiten, die von jedem von uns ungewöhnliche Maßnahmen erfordern«, sagte Erez.
»Ich habe mich von Reserve suspendiert, solange die Gesetzgebung zur Justizreform andauert«, führte er aus. »Ich suspendiere mich, weil es einen eklatanten Verstoß gegen den Vertrag mit der Regierung gibt, der die Grundpfeiler des Geistes der IDF beschädigt.«
An Gallant gewandt betonte er: »Sie wissen, dass Sie Ihren Verbleib als Verteidigungsminister den Zehntausenden Menschen verdanken, die in der Nacht nach Ihrer Entlassung auf die Straße gingen.« Damals hatte Gallant vor den Folgen der Regierungspolitik für die Armee gewarnt. Als Folge entließ Netanjahu ihn, Massenproteste und ein Generalstreik folgten. Einen Tag darauf nahm der Premier unter massivem öffentlichen Druck die Entlassung zurück.
SICHERHEIT »Wir erwarten von Ihnen, dass Sie es noch einmal tun. Dass Ihre Loyalität gegenüber der Sicherheit Israels an erster Stelle steht«, forderte der Kommandant der Eliteeinheit Gallant auf.
Die Histadrut, Israels größter Gewerkschaftsverband, gab währendessen bekannt, dass der Vorsitzende Arnon Bar-David am Samstagabend eine Dringlichkeitssitzung mit hochrangigen Beamten einberuft, um ihre nächsten Schritte zu besprechen.
Die Gewerkschaft sieht sich wachsender Kritik aus der Protestbewegung und Opposition ausgesetzt, weil sie noch keine weiteren Maßnahmen ergriffen hat, um die Gesetzgebung zu blockieren. Das hatte sie Anfang März dieses Jahres getan. Am Folgetag kündigte Netanjahu an, die sogenannte »Reform« zunächst einzufrieren.