Mehr als 500 Tage lang hat ganz Israel für sie gebetet und um ihr Schicksal gebangt. Dann kam die Nachricht, die grausamer nicht hätte sein können: Baby Kfir, sein Bruder Ariel und ihre Mutter Shiri wurden während ihrer Geiselhaft in Gaza von der palästinensischen Terrororganisation Hamas brutal ermordet.

Israelische Forensiker bestätigten nach der Obduktion der Leichname, dass die beiden Jungs – zum Zeitpunkt ihrer Verschleppung waren sie zehn Monate und vier Jahre alt – nach ihrer Entführung am 7. Oktober 2023 »mit bloßen Händen« ermordet wurden.
In einem abgrundtief zynischen Schauspiel nach einem perfiden Drehbuch der Hamas wurden dem Staat Israel die Leichname von Kfir und Ariel in Särgen überstellt, die mit Propaganda-Material der Terroristen versehen waren. Im angeblichen Sarg ihrer Mutter befand sich nicht Shiri, sondern eine unbekannte tote Palästinenserin.
Schon kurz nach dem 7. Oktober 2023 ist die Familie zum Symbol für die Verbrechen der Hamas und ihrer Opfer geworden. Das Video von Shiri, die ihre beiden rothaarigen Kinder in den Armen hält und verzweifelt versucht, sie vor den Terroristen zu beschützen, während um sie herum Männer »Allahu Akbar« schreien, ging um die Welt.
Auch uns als »Jüdische Allgemeine« treiben die zahlreichen Schicksale der Hamas-Opfer in höchstem Maße um. Seit dem 7. Oktober ist diese Redaktion mit dem Abbilden einer Wirklichkeit beschäftigt, die oft jedes Vorstellungsvermögen übersteigt. Journalisten sprechen ungern über ihre Gefühle, allzu oft – vielleicht auch aus Selbstschutz – verstecken sie sie hinter professionellem Auftreten. Doch die Gefühle sind da. Bei der Nachricht von Baby Kfirs Tod mussten auch erfahrene Kollegen dieser Redaktion weinen. Trauer, Wut, Ohnmacht, Fassungslosigkeit: Es war für einen kurzen Moment alles zu viel. Und ehrlicherweise ist es das bis heute in manchen Momenten immer wieder.
Zugleich stellen wir fest, dass diese Trauer weitgehend auf die jüdische Gemeinschaft beschränkt ist. Am Brandenburger Tor versammelten sich gerade einmal 150 Menschen zu einer Gedenkkundgebung für die Familie Bibas. Am Tag der Beerdigung der Deutsch-Israelis äußerten sich Außenministerin Baerbock und Kanzler Scholz zu vielen Themen, nicht aber zur Beisetzung der ermordeten Staatsbürger.
Während die deutsche Außenministerin in den vergangenen 12 Monaten keine Gelegenheit ausgelassen hat, daran zu arbeiten, Israel international weiter zu isolieren, fand die Grünen-Politikerin hier einmal mehr keine Sprache. Erst am nächsten Tag folgten – nach Mahnung aus dieser Redaktion - ein paar Worte. Kälter kann man seine angebliche Anteilnahme nicht ausdrücken.
Zugleich ist zu beobachten, dass auch nicht wenige Journalistenkollegen in anderen Redaktionen dem Schicksal der Familie Bibas mit einer merkwürdigen Indifferenz begegnen. Es ist bezeichnend und traurig: In der Online-Ausgabe der »Süddeutschen Zeitung« etwa fand sich am Abend des Begräbnisses dazu nicht ein einziger Text auf der Startseite. Stattdessen ein Stück unter dem Titel »Wer sind die freigelassenen Palästinenser?«. Stattdessen ein Stück zu Trumps Gaza-Video. Stattdessen ein Stück mit deftiger Kritik an Friedrich Merzʼ israelsolidarischen Aussagen.
Nicht viel anders sah es bei einem weiteren deutschen Leitmedium aus. Auf »Zeit Online« wurde die Beerdigung von Kfir, Ariel und Shiri Bibas – mit einer lieblosen dpa-Meldung – im letzten Drittel der Startseite platziert. Ganz oben auf der Seite dagegen fand sich ein hymnisches Porträt von dem israelfeindlichen Linken-Politiker Ferat Koçak, der in Berlin-Neukölln – einem Hotspot des linksorientierten und muslimischen Judenhasses – nicht trotz seiner irritierenden Äußerungen zu Nahost gewählt wurde, sondern gerade auch ihretwegen. Vor dem Text zur Beerdigung war sogar ein zweites Mal das Porträt von Koçak verbaut.
Zugleich kann man damit rechnen, dass diese Medien fast jeden Schritt der israelischen Regierung – mal mit guten, mal mit weniger guten Gründen – kritisieren und mit mehreren Texten bedenken.
Jeder macht Fehler. Darum geht es nicht. Aber diese Themenauswahl und diese Gewichtung sind keine Ausnahme. Sie sind die Regel. Wir fragen uns, warum das so ist. Wir fragen uns, warum Mitgefühl und Empathie verweigert werden.
Umso wichtiger ist es uns als Jüdische Allgemeine, an das Schicksal der Familie Bibas zu erinnern. Wir möchten dazu beitragen, dass sie niemals vergessen wird. In der jüdischen Geschichte galt schon immer: »Zachor!« – Gedenke! Möge die Erinnerung an Kfir, Ariel und Shiri Bibas ein Segen sein.
engel@juedische-allgemeine.de