Israels Außenminister Yair Lapid hat am Sonntagabend die Morde an der ukrainischen Zivilbevölkerung in dem Kiewer Vorort Butscha verurteilt. »Es ist unmöglich, angesichts der schrecklichen Bilder, nachdem die russische Armee abgezogen ist, gleichgültig zu bleiben«, twitterte Lapid. »Einer Zivilbevölkerung vorsätzlich Schaden zuzufügen, ist ein Kriegsverbrechen, und ich verurteile es aufs Schärfste.« Er ist damit der ranghöchste israelische Politiker, der Russlands Vorgehen in der Ukraine als »Kriegsverbrechen« bezeichnet.
BOTSCHAFTER Lapids Aussage folgte auf einen Post des israelischen Gesandten in der Ukraine. »Zutiefst geschockt von den Fotos aus Butscha. Das Töten von Zivilisten ist ein Kriegsverbrechen und kann nicht gerechtfertigt werden«, schrieb Botschafter Michael Brodsky.
Weder Lapids noch Brodskys Tweet nannte Russland namentlich als Verursacher der Kriegsverbrechen, da Jerusalem versucht, trotz des unprovozierten russischen Einmarsches in der Ukraine weiterhin eine gute Beziehung zu Moskau aufrechtzuerhalten. Der kleine Nahoststaat will Neutralität wahren und zugleich »auf der richtigen Seite der Geschichte stehen«, wie Lapid vor zwei Wochen betonte. Ein schwieriger Balanceakt für die israelische Regierung in Jerusalem.
»Das sind die Folgen der russischen Besatzung.«
Bürgermeister butscha, anatoly fedoruk
Russland unter Präsident Wladimir Putin ist militärisch stark in dem Bürgerkrieg in Israels Nachbarland Syrien involviert. Bislang erhebt Moskau noch keinen Einspruch, wenn Jerusalem dort Angriffe auf iranische Ziele durchführt. Putin ließ jedoch durchblicken, dass er dafür von Jerusalem eine gewisse Haltung in Sachen Ukraine erwarte.
Nach dem Abzug der russischen Truppen seien in Butcha Hunderte von erschossenen Zivilisten gefunden worden, geben die ukrainischen Behörden an. Viele wurden in Massengräber geworfen, Dutzende einfach tot auf den Straßen zurückgelassen. Die Welt hat mit Schock und Wut auf die Bilder reagiert, inmitten von Befürchtungen, dass es in vielen anderen von der russischen Armee kontrollierten Orten ähnliche Schreckensbilder geben könnte.
VERANTWORTUNG Russland hat jede Verantwortung für die zivilen Opfer zurückgewiesen und behauptet, die von den ukrainischen Behörden geteilten Bilder seien eine »Produktion«. Doch es waren vor allem Journalisten, die über Dutzende von Leichen, alle in Zivilkleidung, berichteten, die verstreut in einer Straße in Butscha lagen, als sie am frühen Sonntag dort ankamen.
Drei der Toten hatten sich in Fahrrädern verheddert, während andere neben von Kugeln durchsiebten und zerquetschten Autos lagen. Einem Mann waren die Hände mit einem weißen Tuch auf dem Rücken gefesselt. Ein ukrainischer Pass lag offen neben der Leiche.
»Alle diese Menschen wurden erschossen«, sagte der Bürgermeister von Butscha, Anatoly Fedoruk, und fügte hinzu, dass 280 weitere Leichen in Massengräbern in der Stadt begraben worden seien. »Das sind die Folgen der russischen Besatzung.«