Es ist nicht viel mehr als ein Stückchen roter Faden und ein bisschen Klebstoff. Doch es lässt die Menschen in Tel Aviv innehalten. Sie bleiben stehen und schauen. Manche wundern sich, viele lächeln. Wenn auch nur für einen Moment. Für Maya Gelfman ist das eine Herzensangelegenheit. Die Künstlerin verteilt kleine Hingucker aus Wolle in den Straßen der Stadt, um die Eilenden dazu zu bewegen, einmal anzuhalten.
Maya Gelfman ist studierte Künstlerin und sucht sich für ihre Arbeiten eine ganz besondere Bühne aus: die Straßen der Großstadt. Ihre Aktion »Simu Lev« bedeutet »Gebt acht«. Übersetzt man es wortwörtlich aus dem Hebräischen, heißt es aber: »Gebt ein Herz«. Das ist es, was die 34-Jährige will. Den Leuten etwas Persönliches geben, ein Stück von sich selbst. »Viele stecken heute so sehr in ihren Köpfen fest und können nur selten den Moment genießen«, erläutert sie. »Ich möchte sie mit meiner Kunst für eine kleine Weile aus der Routine holen und aufwecken. Denn wenn man die Atmosphäre auf sich wirken und sich davon leiten lässt, kann man plötzlich ganz neue Dinge sehen.«
Perspektiven Für die Künstlerin gibt es kaum etwas Schöneres als die Strukturen in ihrer Stadt. »So viel ändert sich hier jeden Tag, es ist wundervoll, das zu sehen.« Jeder Bau, jede Straße bestehe aus so vielen verschiedenen Schichten, habe jede Menge Perspektiven. »Es ist etwas sehr Poetisches dabei«, findet Gelfman.
Die roten Wollherzen im Miniformat kleben an Abrisshäusern im alten Newe Zedek, an tristen Wohnblöcken im Zentrum, an Garagen, inmitten zerschlissener Werbeplakate. Sie versehen die städtische Betonwüste mit einem Klecks Farbe. Knallrot auf Grau in Grau. Manche haben einen Rahmen in Silber, Gold oder Weiß, ganz so, als würden sie in einem Wohnzimmer hängen. Passanten bleiben stehen, zeigen mit dem Finger auf die Installationen und fragen sich, warum gerade an diesem Ort ein rotes Herz prangt. Unwillkürlich schleicht sich beim Anblick ein Lächeln auf die Lippen.
Das Herz wählte die Tel Aviverin nicht bloß, weil es hübsch aussieht. »So trivial ist es nicht.« Stattdessen ist es ihr wichtig, zu betonen, dass das Herz der Ort sei, wo Gutes und Schlechtes vereint sind.
Illegal Mayas neuestes und größtes Projekt liegt an einer belebten Straßenkreuzung gegenüber dem riesigen Dizengoff Center mitten im Zentrum. Der Platz davor ist nicht besonders gelungen. Dabei könnte er ein perfekter Treffpunkt für die Städter sein. An einer Ecke liegt das »Third Ear«, Tel Avivs bekanntester Musikladen, an der anderen ein nettes Café und ein Restaurant. Doch das hässliche Parkhaus und die mangelnden Möglichkeiten zum Sitzen dominieren das Ensembler, lassen nur wenige Passanten hier verweilen. »Ich wollte etwas Heiterkeit hierherbringen, ein wenig Schönheit«, sagt Maya. Das Feedback ist durchweg positiv. Viele bescheinigen ihr, dass sie hier nun viel lieber Zeit verbringen.
Selbst der Parkhauswächter ist angetan. Obwohl er zunächst dachte, die Installation sei ein besonders origineller Heiratsantrag für eine gewisse »Maya«, schlug er Gelfman, nachdem sie ihn aufgeklärt hatte, vor, sämtliche Wände im Parkhaus zu verzieren. Sie lacht: »Das ist eine Reaktion, wie ich sie mir wünsche.«
Das, was Maya macht, ist illegal. Sie holt sich keine Genehmigungen bei der Stadtverwaltung, fragt nicht vorher, ob sie ihre Herzen hier oder dort anbringen darf, nicht einmal, ob es gewünscht ist. Diese Haltung ist Teil ihrer Kunst. Trotzdem huscht sie nicht im Dunkeln umher, zieht sich keine Kapuze übers Gesicht. Einmal in der Woche geht sie mit Ehemann Roi und Hund Sophie durch Tel Aviv und sucht geeignete Orte für ihre Wollherzen. Nicht ein einziges Mal habe ihr jemand gesagt, dass man es nicht möchte.
Ausstellung »Ich sehe nichts Falsches an meiner Aktion. Und ich bin auch nicht ›dafka‹ gegen das System«, stellt sie klar. »Ich will einfach etwas Perspektive in die Dinge und den Alltag in der Stadt bringen, denn ich sehe so viele wunderschöne Plätze in Tel Aviv. Meine Herzen sollen die Leute darauf hinweisen. Nach dem Motto: ›Hey, bleibt doch stehen und guckt euch hier etwas um.‹« Offenbar sehen das viele so wie sie.
Vor einer Weile kam die Leiterin der Kunst- und Kulturabteilung der Stadtverwaltung auf Maya zu. »Es war total verrückt, denn sie sagte mir, wie sehr sie meine Arbeit schätzt. Und das, obwohl es doch, naja, sagen wir mal, nicht ganz legal ist.« Seit Beginn des Jahres hat die Künstlerin eine Ausstellung im renommierten Kulturzentrum Beit Ariela der Stadt. Darüber ist sie glücklich. »Es zeigt wohl, wie wichtig meine Kunst ist.«
Und obwohl es letztlich nicht viel mehr als ein Stück Wolle ist, gibt die junge Frau den Menschen in der Großstadt etwas mit auf den Weg, da ist sie sicher. »Ich schenke ihnen einen kleinen, aber ganz besonderen Moment.«
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