Eine fehlte. Denn es waren fünf Späherinnen der israelischen Armee, die am 7. Oktober 2023 von brutalen Terroristen in den Gazastreifen verschleppt wurden. Doch nur vier kamen am Samstagmittag zurück nach Hause. Agam Berger blieb in der Gewalt der Hamas zurück.
Vielleicht ist es für die Eltern tröstlich zu wissen, dass ihre Tochter die meiste Zeit ihrer Geiselhaft nicht allein war, sondern zusammen mit anderen israelischen Frauen. Das erzählten Naama Levy, Liri Albag, Daniella Gilboa und Karina Ariev, als sie nach 477 Tagen aus der Hölle nach Israel zurückkehrten.
Entsprechend der Vereinbarung für den Waffenstillstand und die Geiselbefreiung hätten erst die Zivilistinnen aus Gaza herauskommen müssen. Die Hamas jedoch hielt sich nicht an den Deal. Statt die verbleibenden zwei israelischen weiblichen Zivilisten Arbel Yehoud und Shiri Bibas freizulassen, entließen sie vier der Soldatinnen.
Die Zahl »vier« war zuvor vereinbart worden
Die Zahl »vier« war zuvor für die zweite Runde in der Phase eins vereinbart worden. Und die ließ es nicht zu, dass alle IDF-Späherinnen zusammen in die Freiheit kamen. Offiziellen israelischen Angaben zufolge habe die Hamas versichert, dass sowohl Arbel Yehoud als auch Agam Berger in der nächsten Runde freigelassen werden.
Aharon Berger ist der Großvater von Agam. Fast jeden Tag steht er auf dem Platz der Geiseln in Tel Aviv, in der Hand ein Poster seiner Enkelin, mit dem er auf ihr Schicksal aufmerksam macht. Auch am Samstag war er hier. Er freute sich, doch er lächelte nicht. »Ich empfinde Freude, dass die vier in Freiheit sind, aber auch Trauer. Es ist ein schwerer Tag.«
Die ganze Familie hoffe, dass Agam beim nächsten Mal auf der Liste stehen und nach Hause zurückkommen werde, sagte er. »Ich bin optimistisch«, fügte er hinzu, als wolle er sich selbst Bestätigung zusprechen. »Denn Agam ist ein starkes Mädchen.«
»Es ist purer Terror, ein wahrer Albtraum voller Einsamkeit und so viel Schmerz.«
Währenddessen zählt ihre Mutter Meirav Berger die Minuten. Nicht die Tage, nicht die Stunden, »sondern jede Minute, die mein Geist und mein Körper unter ständigen, unerträglichen Schmerzen leiden, während ich darauf warte, dass meine Tochter nach Hause kommt«. Es sei »purer Terror, ein wahrer Albtraum voller Einsamkeit und so viel Schmerz«.
Allein bei dem Gedanken an das, was Agam, eine talentierte Geigenspielerin, ertragen hat, erschaudert sie. »Es mag verrückt klingen, diese Minuten zu zählen, aber wenn es Ihre Tochter oder Schwester wäre, würden Sie die Minuten ebenfalls verstreichen sehen.«
Ende November 2023 wurde eine andere Geisel mit demselben Vornamen im Rahmen eines Abkommens freigelassen, und zwar Agam Goldstein-Almog. Einen der ersten Anrufe, den sie danach tätigte, galt den Eltern von Agam Berger. »Ich musste zu Ihrem Geburtstag anrufen. Ihre Tochter bat mich, zu gratulieren«, sagte die gerade freigelassene junge Frau zu Shlomi Berger, Agams Vater, woraufhin dieser einen Schrei ausstieß, als ihm klar wurde, dass er gerade eine Nachricht von seiner Tochter erhielt. »Ich glaube, sie wird da rauskommen«, sagte der zu Tränen gerührte Mann. Und die freigelassene Agam antwortete: »Das wird sie. Das wird sie ganz sicher.«
Agam Berger flechtet den Mitgeiseln die Haare
Goldstein-Almog erzählte den verzweifelten Eltern, dass ihre Tochter ihren Mitgeiseln ein großer Trost sei. »Sie hat allen Mädchen die Haare geflochten, ich trage immer noch die Zöpfe, die sie mir gemacht hat«, berichtete sie ihnen und fügte hinzu: »Ich habe letzte Nacht neben ihr geschlafen, wir haben uns aneinander gekuschelt.« Später sagte Shlomi Berger im israelischen Fernsehen, dass dies das erste und für lange Zeit das letzte Lebenszeichen war, dass die Eltern von ihrer Tochter erhalten hatten.
Bis jetzt, als die freigekommenen Freundinnen berichteten, dass sie im Gazastreifen mit Agam zusammen waren und sie am Leben sei. Und auch Agam selbst sandte ein Zeichen an ihre Familie und alle Menschen, die darauf warten, dass sie endlich zurückkommt: Wie schon beim letzten Geiseldeal flocht sie den jungen Frauen, mit denen sie zusammen war, kurz vor deren Entlassung die Haare. Ein Gruß an die Freiheit.