Seit einigen Wochen verdichten sich die Anzeichen, dass die Jewish Agency for Israel (JAFI), die sich um die jüdische Einwanderung aus der Diaspora nach Israel (Alija) kümmert, ihre Präsenz in Russland beenden muss und die Arbeit stattdessen nur noch telefonisch und im Internet fortsetzen kann.
Grund sind politische Spannungen zwischen Moskau und Jerusalem im Zuge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. In den letzten Monaten haben zahlreiche Juden Russland in Richtung Israel verlassen, offizielle Zahlen gibt es keine; die Rede ist aber von mehr als 10.000. Moskau ist die Auswanderung überwiegend gut qualifizierter Fachkräfte ein Dorn im Auge.
GERICHTSVERFAHREN Auf Antrag des russischen Justizministeriums wird möglicherweise schon kommende Woche ein Richter in Moskau über die Auflösung des lokalen Ablegers der JAFI in Russland entscheiden. Erst Mitte Juli hatte die Regierung das Verbot und die Zerschlagung beantragt, am 28. Juli gab es eine erste Anhörung am Basman-Gericht.
Das Tribunal steht seit Jahren in dem Ruf, regierungsgefällige Urteile zu sprechen. So war es unter anderem für die Verurteilung des Oligarchen und Regimekritikers Michail Chodorkowski zu einer langjährigen Haftstrafe in einem Arbeitslager verantwortlich.
Aktuell hat die JAFI rund 200 örtliche Mitarbeiter in Russland. Der Vertrag der drei israelischen Leiter der JAFI-Delegation in Russland ist ausgelaufen; sie sind aktuell in Israel und werden Informationen der »Jerusalem Post« zufolge voraussichtlich nicht nach Russland zurückkehren. Bislang sei auch kein Ersatz für sie gefunden worden, berichtete das Blatt.
Eine namentlich nicht genannte Person teilte der Zeitung zudem mit, dass die Organisation ihre Arbeitsweise an die anderer Stiftungen anpassen und künftig vermehrt darauf setzen werde, Aktivitäten der lokalen jüdischen Organisationen in Russland zu unterstützen. »Die Jewish Agency wird ihre gesamte Arbeit zur Alija von Israel aus, online oder per Telefon durchführen«, zitierte die »Jerusalem Post« die Person.
ANPASSUNG Damit sei es künftig nur noch schwer möglich, aktiv unter russischen Juden für die Auswanderung nach Israel zu werben. »Niemand wird Ihnen Informationen über die Alija geben. Sie werden sich mit dem Global Center in Israel in Verbindung setzen müssen«.
Man habe dennoch nicht die Absicht, Russland ganz zu verlassen, sagte ein Offizieller der Zeitung. »Wir werden uns den Erfordernissen des russischen Rechts anpassen und in dessen Rahmen arbeiten, aber wir werden weiterhin in Russland präsent sein und arbeiten, soweit dies rechtlich möglich ist.«
Die Jewish Agency betreibt momentan noch mehrere jüdische Sonntagsschulen in ganz Russland. Sie unterstützt zudem Gemeinden bei der Organisation von Veranstaltungen zu jüdischen Feiertagen und organisiert Israel-bezogene Aktivitäten für Jugendliche.
Gespräche auf Regierungsebene zwischen Moskau und Jerusalem waren bislang ergebnislos verlaufen; auch ein Telefonat zwischen den Staatspräsidenten Wladimir Putin und Isaac Herzog (der bis zu seinem Amtsantritt JAFI-Chef war) hatte nicht zu einer Lösung des Falls geführt. mth