Sefad/Nordisrael

»Wir werden weiterhin unser Bestes geben«

Unter Raketenbeschuss: Professor Salman Zarka über die aktuelle Situation im Ziv Medical Center in der nordisraelischen Stadt Sefad

von Detlef David Kauschke  25.09.2024 17:42 Uhr

Salman Zarka Foto: Ministry of health

Unter Raketenbeschuss: Professor Salman Zarka über die aktuelle Situation im Ziv Medical Center in der nordisraelischen Stadt Sefad

von Detlef David Kauschke  25.09.2024 17:42 Uhr

Professor Zarka, auf Sefad gingen am Dienstag rund 100 Raketen nieder, am Mittwochmorgen weitere 40 Geschosse. Wie ist die Situation aktuell in der Stadt?
Wir sind seit dem 7. Oktober vergangenen Jahres jeden Tag in Alarmbereitschaft und erleben im Norden Israels seit fast einem Jahr den Beschuss der Hisbollah. Im März wurde auch das Ziv-Krankenhaus von einer Rakete getroffen. Wir hatten großes Glück, dass sie nicht explodiert ist. In der vergangenen Woche wurde die Alarmstufe nochmals erhöht, weil die Zahl der Raketen insbesondere in Sefad zugenommen hat. Und deshalb bleiben viele Menschen hier in der Stadt zu Hause und gehen nicht mehr heraus.

Wie wirkt sich diese Situation auf den Betrieb des Ziv-Krankenhauses aus?
Uns stehen statt 400 Betten derzeit nur etwa 200 zur Verfügung. Wir haben nur zu 50 Prozent besonders geschützte Bereiche und machen uns Sorgen um die Menschen, die ins Krankenhaus kommen. Die Ambulanz behandelt derzeit nur wirkliche Notfälle. Nicht so dringende Fälle können wir seit der vergangenen Woche nicht mehr versorgen. Aber denken Sie beispielsweise an die Onkologie: Wir haben ein Strahlentherapieinstitut, Krebspatienten müssen ins Krankenhaus kommen. Sie können die Behandlung nicht einfach abbrechen.

Haben Sie auch wie im Rambam-Krankenhaus in Haifa komplette Bereiche in unterirdische Notfalleinrichtungen verlegt?
Nein, im Rambam wurde die Tiefgarage zu einer unterirdischen Klinik umgebaut. Wir haben andere Einrichtungen, die wir in Notfällen anpassen. Die meisten von ihnen sind unterirdisch. Aber wir haben auch einen geschützten Bereich über der Erde.

Wie hoch ist die Zahl der verwundeten Zivilisten und Soldaten die bei Ihnen behandelt werden?
Wir haben bereits etwa 460 verwundete Soldaten und Bürger, die durch Hisbollah-Raketen verletzt wurden, behandelt. Zusätzlich zu dieser Zahl haben wir etwa 1000 Soldaten, die aus anderen Gründen ins Krankenhaus eingeliefert wurden, versorgt.

Auch die Verwundeten von Madschdal Schams, wo am 27. Juli eine Hisbollah-Rakete auf einem Fußballplatz einschlug, wurden im Ziv-Krankenhaus behandelt?
Ja, an diesem Abend mussten wir zahlreiche Mitarbeiter von zu Hause ins Krankenhaus rufen, um das Ereignis mit vielen verletzten Kindern bewältigen zu können. Alle Patienten wurden inzwischen wieder entlassen. Aber wir hören, dass viele von ihnen an einer posttraumatischen Belastungsstörung leiden. Wir arbeiten an einem Plan, wie wir diesen Menschen in den Dörfern auf den Golanhöhen helfen können.

Es gibt Notfallpläne, um Ärzte aus anderen Krankenhäusern des Land nach Sefad zu holen, falls es erforderlich ist. Ist diese Situation schon eingetreten?
Nein, noch nicht. Der schlimmste Fall, mit dem wir umgehen müssen, ist, dass wir eine sogenannte Insel werden. Das bedeutet, dass die Soldaten und Bürger zu uns kommen und wir sie nicht zur Behandlung in ein anderes Krankenhaus evakuieren können. In einer solchen Situation brauchen wir mehr Personal. Und wir brauchen mehr Fachärzte, als wir in einer Routinesituation haben. Normalerweise haben wir keine Neurochirurgie und Thoraxchirurgie. Daher muss ich insbesondere diese Fachrichtung aus dem Landeszentrum anfordern, wenn sich die Lage hier verschlimmert. Derzeit ist das nicht der Fall, aber die Situation kann sich in jeder Minute verändern.

Ihre Mitarbeiter haben unterschiedliche Religionen und kulturelle Hintergründe, es sind Juden, Christen, Muslime, Beduinen. Sie selbst gehören der drusischen Gemeinschaft an. Wie funktioniert das Miteinander in dieser besonderen Situation?
Ich muss sagen, dass ich sehr, sehr stolz auf meine Mitarbeiter bin. Wir haben uns im Krankenhaus geschworen, jeden zu behandeln, unabhängig von seiner Religion oder seiner politischen Einstellung. Es gibt unterschiedliche Meinungen, aber wir haben unsere Mitarbeiter gebeten, diese Konflikte nicht mit ins Krankenhaus zu bringen. Ich bin mir sicher, dass alle daran glauben, dass sich im Norden Israels etwas ändern muss. Wer die Situation im Norden verursacht hat, ist nicht Israel. Es ist die Hisbollah. Und darunter leiden wir. Ich denke, dass alle meine Mitarbeiter wollen, dass die Situation wieder zur Normalität zurückkehrt, dass wieder Sicherheit einkehrt. Wir behandeln Soldaten, Bürger und alle, die etwas brauchen. Vor etwa sieben Jahren haben wir hier an der Grenze Syrer behandelt, ohne zu fragen, ob es in Ordnung ist. Warum sollten wir sie als unsere Feinde betrachten? Jeder, der ins Krankenhaus kommt, muss behandelt werden. Das ist unsere Pflicht. Und wir werden weiterhin unser Bestes geben.

Mit dem Direktor des Ziv Medical Center in Safed sprach Detlef David Kauschke. Professor Salman Zarka war in der Corona-Pandemie auch Berater der israelischen Regierung.

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