Herr Shalom, die Kabinettsentscheidung zu Kotel und Konversion macht weiterhin Schlagzeilen. Beeinträchtigt dies Israels Verhältnis zur Diaspora?
Ich glaube nicht, dass die Entscheidung zur Kotel negative Auswirkungen haben wird. Wenn man einen heiligen Ort besucht, muss man sich an die geltenden Regeln halten. So ist das überall auf der Welt. Die geplante Änderung der Konversionsregelungen ist gravierender. Ich bin klar gegen diesen Plan. Wir in Israel müssen alles dafür tun, um unsere verlorenen Brüder und Schwestern zurückzuholen. Als Innenminister habe ich mich dafür eingesetzt, dass Juden aus Indien und China nach Israel kommen und Alija machen. Heute nutzen die Ultraorthodoxen ihren politischen Einfluss, um das zu verhindern.
Der Chef der Jewish Agency, Natan Sharansky, hat mehrfach betont, dass die derzeitige Politik einen historischen Bruch mit der Diaspora schafft. Hat er recht?
Ich habe die Diaspora immer respektiert. Juden, die nicht in Israel leben, sind ein wichtiger Teil des jüdischen Volkes. Ich bitte aber darum, die Entscheidungen der Israelis und ihrer demokratisch gewählten Regierung anzuerkennen. Ich finde es nur fair, wenn ich sage, dass jeder, der in Israel Entscheidungen treffen möchte, auch in Israel leben muss.
Was bedeutet es, wenn diese Organisation sogar drohte, den Kontakt zur Regierung in Jerusalem abzubrechen?
Wir Juden, egal, ob wir in Israel oder in einem anderen Land leben, müssen alles dafür tun, um unsere Einheit zu bewahren, damit die verschiedenen Strömungen friedlich nebeneinander existieren können. Israel ist doch kein ultraorthodoxer Staat, sondern ein vielfältiges Land, in dem jeder seine Meinung sagen kann.
Verschiedene jüdische Philanthropen in den USA haben angekündigt, ihre finanzielle Unterstützung für Israel einstellen zu wollen. Was sagen Sie dazu?
Ich hoffe, dass das nicht passieren wird. Ich bin mir sicher, dass 99,9 Prozent unserer amerikanischen Freunde es auch nicht tun werden. Unsere Unterstützer in den USA und in anderen Ländern müssen verstehen, dass das Judentum nur stark ist, wenn Israel stark ist.
Kurz vor Tischa beAw: Was empfehlen Sie in Sachen »Jüdische Einheit«?
Die Zerstörung des Tempels in Jerusalem erinnert uns daran, was passiert, wenn wir uneins sind. Konflikt und Streit führen letzten Endes zur Vernichtung. Tischa beAw ist eine gute Gelegenheit, um einen Moment innezuhalten und an die Wichtigkeit von Einheit und Zusammenhalt zu appellieren.
Wie kann verdeutlicht werden, dass mehr verbindet als trennt?
Unsere Feinde haben sich nie darum geschert, welche Nationalität wir haben, oder woher wir kommen. Die Nazis haben keinen Unterschied gemacht. Sie wollten uns alle töten. Die Geschichte hat uns gelehrt: Wir müssen stark sein, um unsere Feinde gemeinsam zu besiegen.
Mit dem ehemaligen israelischen Vize-Premierminister sprach Jérôme Lombard.