Israel

»Wir dürfen nicht sein wie unsere Feinde«

Verteidigungsminister Yoav Galant (M.) Foto: Copyright (c) Flash 90 2023

Premierminister Benjamin Netanjahu befürchtet, dass Israel seine Legitimität in der internationalen Gemeinschaft verlieren könnte. »Wir dürfen das nicht zulassen und müssen dagegen vorgehen«, erklärte er. Ein Treffen, bei dem auch die Ausschreitungen extremistischer jüdischer Siedler nach palästinensischen Terroranschlägen diskutiert werden sollte, war vom Sicherheitsestablishment der israelischen Regierung am Dienstagabend einberufen worden.

SICHERHEITSRAT Kurz zuvor hatte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen Israels Förderung des Baus von mehr als 5000 neuen Wohneinheiten in Siedlungen im Westjordanland verurteilt und aufgerufen, »einseitige Maßnahmen zu vermeiden, die zu Spannungen im Nahen Osten führen«.

Die Erklärung erfolgte im Anschluss an das, was der UN-Nahost-Gesandte, Tor Wennesland, als »alarmierenden Anstieg der Gewalt« im Westjordanland bezeichnete, der zu zahlreichen palästinensischen und israelischen Opfern geführt habe. Er warnte: »Wenn jetzt keine entscheidenden Schritte unternommen werden, um die Gewalt einzudämmen, besteht ein erhebliches Risiko, dass sich die Lage verschlimmern könnte.«

»Wir nehmen die Gewalt extremistischer Elemente gegen palästinensische Bürger ernst.«

verteidigungsminister yoav gallant

Kurz zuvor hatte Präsident Isaac Herzog mit dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), Mahmoud Abbas, telefoniert. Herzog betonte in dem Gespräch vor dem muslimischen Fest Eid-Al-Ata, wie wichtig es sei, Terrorismus und Hetze zu bekämpfen und hob die »schrecklichen Kosten und Schmerzen« hervor, die der Terrorismus den Hinterbliebenen und der israelischen Gesellschaft als Ganzes verursacht.

Vor einer Woche waren vier Israelis bei einem Terroranschlag von zwei mit der Hamas verbundenen Palästinensern in der Nähe der Siedlung Eli erschossen worden, darunter zwei Teenager. Im Anschluss war es zu gewalttätigen Ausschreitungen Hunderter Siedler im Westjordanland gekommen, bei denen Häuser, Autos und Felder in Brand gesteckt und Palästinenser mit Steinen beworfen wurden. Herzog ließ Abbas wissen, dass er die Angriffe auf palästinensische Zivilisten im Zuge der Amokläufe in Turmus Ayya und anderen Orten verurteilte.

DISKUSSION An dem Sicherheitstreffen in Jerusalem nahmen auch Verteidigungsminister Yoav Gallant, der Minister für Nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, und der Chef des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet, Ronen Bar, teil. Die Diskussion verlief nach Berichten israelischer Medien teilweise sehr hitzig, da der rechtsextreme Ben-Gvir sich darüber echauffierte, dass die Sicherheitskräfte die Ausschreitungen von Siedlern als »jüdischen nationalistischen Terror« definierten.

Er kritisierte auch die Gespräche von israelischen Politikern mit palästinensischen Kollegen. »Der Höhepunkt sind die heutigen Entschuldigungsgespräche mit der Palästinensischen Autonomiebehörde. Müssen wir uns auch bei denen entschuldigen, die Terroristen Gehälter zahlen?«, fragte er zynisch.

Der Verteidigungsminister rügte Ben-Gvir daraufhin und konterte: »Wir dürfen nicht sein wie unsere Feinde. Man kann nicht sagen: ›Die Araber machen es, also dürfen wir es auch‹.« Gallant hatte zuvor mit dem PA-Minister für zivile Angelegenheiten, Hussein al-Sheikh, über die Unruhen gesprochen.

»Terrorismus hinterlässt schreckliche Kosten und Schmerzen für die Hinterbliebenen und die israelische Gesellschaft.«

präsident isaac herzog

Dabei hatte Gallant Berichten zufolge betont, dass man »die Gewalt extremistischer Elemente gegen palästinensische Bürger ernst nimmt«. Es bestünden zudem echte Gefahren, da die Kräfte des Militärs stellenweise abgezogen werden müssten, um die jüdischen Racheangriffe gegen die Palästinenser abzuwehren, führte Gallant während des Treffens aus.

SCHADEN Im Rahmen der Diskussion kritisierten die Vertreter des Verteidigungsapparats auch die Worte von Siedlungsministerin Orit Strock auf das Schärfste. Sie hatte die Leitungsebene der israelischen Armee mit der russischen Söldnertruppe Wagner verglichen. Zwar hatte sich Strock anschließend entschuldigt, »aber ihre Worte haben großen Schaden angerichtet und dazu geführt, dass hochrangige IDF-Kommandeure und Soldaten gewalttätigen Belästigungen durch jüdische Israelis ausgesetzt sind«, sagte Stabschef Herzi Halevi.

Gallant forderte die Regierung auf, in einer von allen Ministern unterzeichneten offiziellen Erklärung Gewalt oder Delegitimierung von IDF-Soldaten und -Offizieren zu verurteilen.

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