Knesset

Wieder gleichauf

Religiöser und rechter Block (v.l.): Ayelet Shaket, Benjamin Netanjahu, Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir; Mitte-Links-Block: Benny Gantz, Yair Lapid, Gadi Eizenkot und Gideon Sa’ar

Vertraut man den Umfragen, so wird auch bei dem fünften Wahlgang der Israelis am 1. November alles so sein wie bei den vier Malen zuvor: Patt in der Politik. Das Land ist tief gespalten in religiöse und Rechtswähler auf der einen sowie Mitte- und Linkswähler auf der anderen Seite. Und das, obwohl sich bei dem Parteienaufgebot im vergangenen Jahr einiges getan hat.

Noch ist die in Israel größte Koalition aller Zeiten an der Macht. Eine Regierung aus rechten, Zentrums- und Linksparteien plus islamistischer Fraktion, die sich knapp drei Monate nach der Wahl vom März 2021 zusammentat. Deren erster Premierminister, Naftali Bennett, der trotz der lediglich sieben Mandate seiner rechten Partei Jüdisches Haus auf dem Chefsessel Platz nahm, kündigte vor Kurzem an, sich aus der Politik zurückzuziehen.

Damit rückte die Nummer zwei an die Spitze der Partei: Ayelet Shaked. Die derzeitige Innenministerin ist bekannt für ihre unterkühlte Art. Doch kürzlich entschuldigte sie sich, »eine Million Herzen gebrochen zu haben«. Dass es eine Million war, darf bezweifelt werden, doch ihre Entscheidung, gemeinsame Regierungssache mit dieser Koalition zu machen, gefiel den Anhängern tatsächlich gar nicht.

vergebung Melodramatisch bat sie »um einen Platz für Vergebung in ihren Herzen«. Auf dem Wahlplakat bemüht sie dasselbe Symbol. »Mein Herz schlägt rechts«, beteuert sie neben einem überdimensionalen Konterfei. Ihre politische Lage scheint so prekär, dass sie mit Reserviertheit offenbar nicht weiterkommt. Jüngste Umfragen bescheinigen, dass sie es mit dem Jüdischen Haus nicht über die 3,25-Prozent-Hürde in die Knesset schafft.

Noch ist die in Israel größte Koalition aller Zeiten an der Macht.

Wenn doch, kündigte sie bereits an, mit dem Likud unter dem ehemaligen Premierminister Benjamin Netanjahu eine Rechtsregierung herbeiführen zu wollen. Der würde das Angebot sicher gern in Anspruch nehmen. Während Shaked sich zwar persönlich mit den Netanjahus nicht ganz grün ist, gilt sie trotz ihrer durch und durch rechten Gesinnung im Vergleich zu einem anderen Politiker als gemäßigt: Itamar Ben-Gvir.

Der rechtsextremistische Aufwiegler marschiert nicht nur langsam, sondern schnellen Schrittes mit seinen Wanderschuhen, die jüdische Siedler mit Vorliebe tragen, in Richtung Regierungsbeteiligung, ja sogar Kabinett. Während ihm Netanjahu bei der vergangenen Wahl noch jeglichen Ministerjob absprach, so machte der Likud-Vorsitzende jetzt klar, dass Ben-Gvir »sicherlich ein Minister werden kann«.

bündnispartner Das wollen er und sein Bündnispartner, Bezalel Smotrich, auf jeden Fall und haben bereits Ressorts genannt: Verteidigung und Justiz. Smotrich möchte zur Gesetzgebung von König David zurück und entsprechend der Halacha regieren. Ben-Gvir als Verteidigungsminister würde nach eigenen Angaben die Palästinensische Autonomiebehörde aushebeln und wohl »nicht alle Araber« umsiedeln lassen, wie er mit breitem Lächeln immer wieder klarmacht, »aber die illoyalen«.

Der religiöse Zionismus, ein Bündnis zwischen Smotrich, Ben-Gvir und der streng religiösen Anti-LGBTQ-Gruppe Noam, ist kürzlich in den Umfragen in die Höhe geschossen. Mindestens 14 Mandate werden dem Trio für seine Gesinnung prognostiziert, wodurch es zur drittstärksten Partei in der Knesset werden könnte. Allerdings größtenteils auf Kosten des Likud.

Viele sind davon alarmiert. Allen voran der jetzige Premierminister Yair Lapid von der Zentrumspartei Jesch Atid, der sich zur Wiederwahl stellt. Lapid sieht den rechtsextremen Politiker als große Gefahr: »Ben-Gvir ist eine andere Welt. Für Ben-Gvir zu stimmen, bedeutet, gegen die Armee zu stimmen und für Menschen, die das 202. Bataillon und unsere Soldaten schlagen«, sagte er in Bezug auf einen Angriff von Siedlern auf Soldaten in der Nähe der Stadt Nablus vor einigen Tagen.

Petitionen Dabei sei er sicher, dass der rechts-religiöse Block von Netanjahu keine Mehrheit erreichen werde. Doch gerade das könnte zum Problem werden. »Wenn Netanjahu nicht gewinnt«, erläuterte Lapid, »könnte er versuchen, die Legitimität der Wahlen infrage zu stellen.« Angeblich hätten Aktivisten des Likud bereits begonnen, Petitionen beim Wahlausschuss einzureichen.

Jesch Atid, der etwa 25 Sitze vorausgesagt werden, ist allerdings in keiner Weise gegen eine Koalition mit rechten oder streng religiösen Parteien. Denn wie für Netanjahus rechts-religiösen Block, so scheint es auch für den Mitte-Links-Block schwer bis fast unmöglich, eine regierungsfähige Koalition zusammenzubekommen. Vor allem, weil Lapids Koalitionspartner, die linken Parteien Awoda und Meretz sowie die islamistische Ra’am, allesamt unter die Knesset-Eintrittshürde fallen könnten. Für die ultraorthodoxen Parteien Schas und Vereinigtes Tora-Judentum werden wie immer sieben bis acht Mandate vorausgesagt.

Lapid meint sogar, dass das beste Ergebnis eine Regierung der nationalen Einheit wäre, die von seiner Partei und dem Likud geführt wird, eine Art »Große Koalition«. Allerdings schloss er die Zusammenarbeit mit Netanjahu persönlich aus. »Er ist ein Mann, gegen den drei schwere Anklagen erhoben wurden. Er muss seinen Prozess beenden.«

Lapid meint, das beste Ergebnis wäre eine Art »Große Koalition« – nur ohne Netanjahu.

Netanjahu, dem am längsten amtierenden Premierminister in der Geschichte Israels, wird derzeit der Prozess wegen Korruption in drei Fällen gemacht. Er bestreitet jegliches Fehlverhalten und sagt, die Vorwürfe des Betrugs, der Untreue und der Bestechung seien eine Hexenjagd gegen ihn und seine Familie. Er will zurück auf den Premierposten, und sein Likud ist mit vorausgesagten 30 Sitzen wahrscheinlich stärkste Partei.

newcomer Und dann ist da noch das Bündnis »Nationale Einheit«, das in Umfragen elf bis zwölf Mandate erhält. Die Mitte-Rechts-Liste besteht aus der Mitte-Partei Blau-Weiß von Verteidigungsminister Benny Gantz, der rechten Neuen Hoffnung von Justizminister Gideon Sa’ar und dem politischen Newcomer Gadi Eizenkot, wie Gantz einstiger Stabschef, auch er in der Mitte angesiedelt.

Eizenkot hat sich aus einem bestimmten Grund für die Politik entschieden, sagte er kürzlich in einem Interview. Im Hinblick auf eine knappe 61-Mandate-Mehrheit aus Likud, ultraorthodoxen und rechtsextremen Parteien sagte er: »Ich befürchte die Bildung einer Koalition aus Rassismus, Gewalt und Hetze. So etwas demontiert eine Gesellschaft. Vielleicht ist das das Ziel einiger Mitglieder des Blocks. Extremisten werden Netanjahu aus Populismus zu Fehlhandlungen verleiten, wenn sie ihn in die Ecke drängen, und die Gewalt eskaliert.«

»Diese Wahl ist entscheidend für die Zukunft unseres Landes«, resümierte Eizenkot. »Wenn ich zu Hause sitzen und mich vom Balkon aus beschweren würde – ich würde es mir nie verzeihen.«

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