Einer rennt, ein anderer schießt den Ball. Ein wenig scheint es so, als würden sie wieder kicken: die elf Männer, deren lebensgroße Abbilder jetzt auf dem Habima-Platz in Tel Aviv stehen. Familie Schaffer ist voller Stolz, ihren Vater mittendrin zu sehen. Emanuel »Eddy« Schaffer, aufgewachsen in Recklinghausen, war der erfolgreichste Nationaltrainer Israels.
Jetzt ist er Teil der Ausstellung »Zwischen Erfolg und Verfolgung – Deutsch-jüdische Fußballstars im Schatten des Hakenkreuzes«, die gerade in Israel gezeigt wird. »Auf diese Weise wird die Erinnerung an ihn und die anderen wachgerufen«, so Lorenz Peiffer, Historiker an der Leibniz-Universität Hannover und Autor der Präsentation.
Die Ausstellung ist Teil des Rahmenprogramms zu 50 Jahren deutsch-israelischer Beziehungen. Gemeinsam mit dem Kurator Michael Schäbitz reiste Peiffer zur Eröffnung nach Israel. Neben Vertretern des deutschen und israelischen Fußballbundes waren Angehörige der ehemaligen Fußballer und auch Tel Avivs Bürgermeister Ron Huldai gekommen, um die Bedeutung vor allem im Hinblick auf den Holocaust-Gedenktag in Israel hervorzuheben. »Wir sind glücklich zu sehen, wie wunderbar alles gelaufen ist«, freut sich Peiffer, der seit Jahren die Geschichte des jüdischen Sports in Deutschland erforscht.
Kapitel »Jom Haschoa ist der richtige Tag, um an Menschen wie Julius Hirsch oder Gottfried Fuchs zu erinnern«, ist Wolf Iro vom Goethe-Institut in Tel Aviv überzeugt. »Von der Öffentlichkeit vergessen, stehen sie und viele andere für das jüdische Erbe im deutschen Fußball.« Gottfried Fuchs gelang die Flucht nach Kanada, Julius Hirsch wurde in Auschwitz ermordet. »Lange wurde dieses Kapitel des deutschen Sports nicht aufgearbeitet. Inzwischen aber ist einiges geschehen, und die Ausstellung trägt dazu bei, die Geschichten von Hirsch, Fuchs und anderen weiter zu verbreiten und für immer im Gedächtnis zu bewahren.«
Das Institut für Sportwissenschaft der Leibniz-Universität, das Richard-Koebner-Zentrum für Deutsche Geschichte der Hebräischen Universität Jerusalem, die DFB-Kulturstiftung und das Goethe-Institut Israel zeigen die skulpturale Präsentation der Fußballmannschaft neben Tel Aviv auch in der First Station in Jerusalem (Juni) sowie voraussichtlich in Haifa und Beer Sheva. In Form von elf Persönlichkeiten würdigt sie den bedeutenden Anteil jüdischer Spieler, Trainer, Manager, Funktionäre und Mäzene an der Entwicklung des Fußballs in Deutschland.
Der prominente Habima-Platz in der Stadt, am Ende der beliebten Spazier- und Ausgehmeile Rothschild-Boulevard, ist bewusst gewählt: »Wir wollten einen Ort mit viel Betrieb, wo die Menschen langlaufen und verweilen«, so Peiffer. »Und wir sehen, dass das die richtige Idee war. Die Leute bleiben stehen, schauen sich die Spieler an und gehen dann an die Rückseite, um deren Lebensläufe zu lesen.« Die sind auf Hebräisch und Englisch abgedruckt.
Eine Gruppe junger Jeschiwaschüler macht ein Selfie vor den Kickern, andere halten an und schauen sich um. Ofer Mordechai steht vor Schaffers Figur. »Ich bin vorbeigeradelt und fragte mich, was diese Figuren sind. Natürlich kenne ich den Trainer, er war ein berühmter Mann hierzulande. Aber ich hatte keine Ahnung von seinem Lebenslauf, bevor er nach Israel kam. Von den anderen habe ich noch nie etwas gehört, das ist wirklich interessant. Es ist eine beeindruckende Ausstellung über einen ziemlich unbekannten Aspekt der Schoa.«
Gesicht Genau das will Peiffer vermitteln. »Nur weil sie Juden waren, wurden sie nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten aus ihren Vereinen ausgeschlossen, entrechtet, verfolgt, zur Flucht gedrängt oder ermordet. Und diese Opfer sind systematisch aus der deutschen Geschichte herausgeschrieben worden. Wir wollen ihnen wieder ein Gesicht geben und sie aus der Anonymität und Vergessenheit herausholen«, erklärt der Sporthistoriker.
Vorgestellt werden die Biografien des Fußballpioniers und Gründers der Sportzeitschrift »Kicker«, Walther Bensemann, der deutsch-jüdischen Nationalspieler Gottfried Fuchs und Julius Hirsch, des Berliner Stars Simon Leiserowitsch, des jungen Aachener Talents Max Salomon und des Stuttgarters Bernhard Grünfeld, der 1935 an der Makkabiade in Tel Aviv teilnahm. Weitere Biografien sind die von Paul Mahrer, der als Häftling in Theresienstadt in der Lager-Liga spielte, der Spitzentrainer Fritz Kerr (Stuttgarter Kickers) und Jenö Konrad (1. FC Nürnberg) sowie des Präsidenten des FC Bayern München, Kurt Landauer.
Der Fußball habe in den letzten Jahrzehnten dazu beigetragen, die Menschen in Israel und Deutschland einander näherzubringen, meint DFB-Präsident Reinhard Grindel. »Wir spüren das jedes Jahr bei unseren Besuchen in Tel Aviv, auch bei jüngeren Menschen. Es freut mich, dass viele Fans gerade in letzter Zeit wieder an diese Persönlichkeiten im Fußball und ihr
Wirken erinnern.« Der gleichnamige Begleitband zur Ausstellung erscheint auf Deutsch und Hebräisch.