Hintergrund

Wie nah ist der Krieg?

Foto: IDF

Hunderte von Raketen der Hisbollah prasseln täglich auf den Norden Israels und hinterlassen ein Ödland, Dutzende Mitglieder der libanesischen Terrororganisation werden getötet, Kampfjets der israelischen Luftwaffe donnern über Beirut. Ist der Krieg zwischen Israel und der Hisbollah da? »Noch nicht ganz«, meint der ehemalige Vorsitzende des israelischen Nationalen Sicherheitsrates, Giora Eiland.

Der jüngste Schachzug der Israelis ist die Tötung des Top-Terroristen Ibrahim Aqil am Freitag. »Das ist eine gute Sache, denn dieser Mann war ein brandgefährlicher Terrorist und direkt verantwortlich für den Tod von Israelis und Amerikanern«, so Eiland. Die gezielte Tötung kam nur wenige Tage nach der Explosion von Pagern, die die Mitglieder der Hisbollah im Libanon bei sich trugen.   

Die Chance für eine baldige Vereinbarung mit der Hamas ist äußerst gering

Eiland erläutert: »Bis vor wenigen Wochen ging das Sicherheitsestablishment davon aus, wenn der Krieg in Gaza beendet ist, ebben auch die militärischen Auseinandersetzungen mit der Hisbollah im Libanon ab. Allerdings ist seit einigen Tagen klar, dass die Chance, in naher Zukunft eine Vereinbarung mit der Hamas für eine Geiselbefreiung und einen Waffenstillstand zu erlangen, äußerst gering ist.«

Während der Anführer der Schiitenmiliz, Hassan Nasrallah, in seiner Rede am Donnerstag klarmachte, dass die Pager-Explosionen einer Kriegserklärung vonseiten Israel gleichkomme, geht der Sicherheitsexperte davon aus, dass er dennoch nicht an einem umfassenden Krieg interessiert sei. »Natürlich handelt es sich mittlerweile um einen Zermürbungskrieg, eine umfassende militärische Auseinandersetzung aber ist es nicht. Noch nicht.«

Die israelische Armee habe sich entschieden, die Vergeltung vorsichtig zu eskalieren und in jeder Phase ein Fenster für einen eventuellen Waffenstillstand offenzulassen, sollte sich Nasrallah entscheiden, die Angriffe gegen Israel einzustellen. »Das wird allerdings nur geschehen, wenn es die iranische Führung der Hisbollah aufträgt. Und die Mullahs in Teheran werden wiederum auschließlich auf großen internationalen Druck reagieren.«

»Eine Einstellung der Angriffe auf Israel kann nur durch großen internationalen Druck auf die Mullahs in Teheran herbeigeführt werden.«

Man erkenne an der Eskalation im Norden eindeutig die Folgen der iranischen Strategie: »Vor einigen Jahren beschloss das Regime in Teheran, in schwache Staaten im Nahen Osten einzudringen und militante Gruppen mit hochentwickelten Waffen zu versorgen, die dadurch zu den stärksten Militärmächten in diesen Ländern wurden.« Eiland ist sicher: »Das zerstört diese Staaten von innen, destabilisiert die Region und damit wahrscheinlich die ganze Welt. Israel kämpft derzeit an acht Fronten, die allesamt vom Iran diktiert werden.«

Allerdings hat er auch Kritik an der Taktik der israelischen Regierung. Seiner Meinung nach seien viele Entscheidungen falsch oder zu spät getroffen worden. »Die Weigerung der Koalition in Jerusalem, ein Szenario für ›den Tag danach in Gaza‹ zu definieren, ist ein schrecklicher Fehler.« Premierminister Benjamin Netanjahu hätte sagen sollen, dass es nach dem Krieg in Gaza keine Hamas mehr aber auch keine israelische Besatzung geben werde und dass Israel einzig und allein Sicherheitsinteressen habe.

Situation Israels ist immer schwerer zu erklären

»Es wäre von großer Bedeutung gewesen, dies unseren Verbündeten, allen voran den Amerikanern, und gemäßigten arabischen Regierungen klarzumachen. So aber können wir anderen Staaten unsere Situation immer schwerer erklären.«

»Israel will keinen vollständigen Krieg im Norden, obwohl wir beschlossen haben, nicht mehr passiv zuzuschauen, wenn uns die Hisbollah beschießt«, weiß er zu berichten. Doch er ist sicher, dass auch die Hisbollah kein Interesse an einer umfassenden Ausweitung der Aggression habe. Natürlich könne sich das Szenario von einem Tag auf den anderen ändern, eine direkte Kriegserklärung wäre beispielsweise ein großer Angriff auf Tel Aviv oder auf strategische Einrichtungen.

Doch die Hisbollah sei stark geschwächt, habe 40 bis 45 Leute verloren, darunter hochrangige Mitglieder, und rund 3000 Verletzte, erklärt Eiland. »Das hat großen Druck auf die Organisation ausgelöst, und ich kann mir nicht vorstellen, dass sie in dieser Lage einen umfassenden Krieg eingehen wird. Andererseits kann Nasrallah nicht ignorieren, was Israel ihm zugefügt hat.« Es komme jetzt darauf an, ob er eine »kreative Lösung als Antwort« findet, mit der er seine Ehre wiederherstellt, doch ohne über die Stränge zu schlagen.

»Es geht einzig darum, dass die Aggression endet und die Menschen aus dem Norden in ihre Häuser zurückkehren können.«

Obwohl keine der beiden Seiten einen umfassenden Krieg will, »stehen wir seit Wochen immer wieder kurz davor«. Eine Deeskalation erreiche man eventuell dadurch, dass ein Drittland den Südlibanon kontrolliert. Dadurch würde die Hisbollah zurückgedrängt, und die noch immer vertriebenen rund 60.000 Bewohner israelischer Ortschaften im Norden könnten dorthin zurückkehren.

Dies wurde erst vor wenigen Tagen von der israelischen Regierung als eines der Kriegsziele definiert. Eiland meint, dass dies vor elf Monaten hätte getan werden müssen. »Aber es ist wichtig, dass es ausgesprochen wurde, denn damit ist klar: Israel ist weder daran interessiert, Teile des Libanons zu erobern noch zu diesem Zeitpunkt die Hisbollah zu zerstören. Es geht einzig darum, dass die Aggression endet und die Menschen aus dem Norden in ihre Häuser zurückkehren.«

»Es gibt nur eine Lösung für die Zukunft«, ist er sicher. »Eine Vereinbarung zwischen Israel und der Hisbollah. Die große Frage aber ist, wann die unterzeichnet wird: vor oder nach einem Krieg?«

Benjamin Netanjahu

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