Der scheidende US-Außenminister, Antony Blinken, war gerade ein Jahr im Amt, als der Eroberungskrieg Russlands gegen die Ukraine begann. Ein weiteres Jahr später griffen palästinensische Terroristen Israel an. Seit den Massakern der Hamas vom 7. Oktober 2023 ist auch Blinken mit weiteren enormen Herausforderungen konfrontiert.
Im Video-Interview mit der »New York Times« (NYT) ging Blinken ausführlich auf die Situation im Nahen Osten ein. Während seine Interviewerin immer wieder suggerierte, Israel begehe Kriegsverbrechen, zeigte Blinken Solidarität mit dem jüdischen Staat.
Der Minister, dessen Regierung am 20. Januar von Donald Trump und dessen Leuten abgelöst wird, sprach von einem Abkommen über die Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und Saudi-Arabien, an dem er bis zum 6. Oktober 2023 gearbeitet hatte: »Tatsächlich sollte ich am 10. Oktober nach Saudi-Arabien und Israel reisen. (...) Zweck dieser Reise war es, an der palästinensischen Komponente eines Normalisierungsabkommens zwischen Saudi-Arabien und Israel zu arbeiten.«
Führung ausgeschaltet
Blinkens Ziel war ein palästinensischer Staat neben Israel, dem er mit einem Normalisierungsabkommen größere Chancen einräumte. Dann kam der Terrorangriff. Fünf Tage später war der US-Außenminister vor Ort: »Ich habe gesehen, wie Männern, Frauen und Kindern Grauen zugefügt wurde, das sich niemand vorstellen kann. Wir waren entschlossen, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um sicherzustellen, dass sich der 7. Oktober nie wiederholen würde«, so Blinken im NYT-Interview.
Auch sei es darum gegangen, zu verhindern, dass sich der von der Hamas begonnene Krieg ausweitet. Drittens habe er sich von Anfang an für eine adäquate Versorgung der Zivilbevölkerung in Gaza eingesetzt.
Blinken zog eine Zwischenbilanz: »Israel hat die militärischen Fähigkeiten der Hamas zerstört. Es hat die Führung ausgeschaltet, die für den 7. Oktober verantwortlich war. Und das allein sollte schon ein Grund sein, eine Ausfahrt aus dem Krieg zu finden.«
Stundenlange Diskussion
Im Interview verteidigte Biden Israel mehrfach gegen Vorwürfe in Hinblick auf dessen Kriegsführung, sagte aber auch, er habe stundenlang mit der Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu diskutieren müssen, um eine Versorgung mit Hilfsgütern für Gaza auf die Beine stellen zu können.
Kurz nach den von palästinensischen Terroristen angerichteten Massakern habe die ganze israelische Gesellschaft nicht gewollt, »dass auch nur ein einziger Palästinenser« in Gaza Hilfe erhalte. »Ich habe neun Stunden lang darüber diskutiert, auch da Präsident Biden ein paar Tage später nach Israel kommen wollte. Im Laufe dieser Auseinandersetzung, als der Vorschlag, humanitäre Hilfe zu leisten, auf Widerstand stieß, sagte ich dem Premierminister: ›Ich werde den Präsidenten anrufen und ihm sagen, dass er nicht kommen sollte, wenn Sie nicht zulassen, dass diese Hilfe in Gang kommt.‹ Ich rief den Präsidenten an, um mich zu vergewissern, dass er dem zustimmt, und das tat er auch.«
Blinken verteidigte Netanjahu zugleich gegen den Vorwurf, er habe eine Vereinbarung über einen Waffenstillstand und die Freilassung der von der Hamas gehaltenen Geiseln blockiert: »Nein, das ist nicht richtig. Wir haben immer wieder erlebt, dass die Hamas ein Abkommen nicht abgeschlossen hat, das sie hätte abschließen sollen. Es gab Zeiten, in denen die Maßnahmen Israels die Sache erschwert haben. Aber es gab einen Grund für diese Maßnahmen.«
Keine Verurteilung
Eine davon sei die Tötung von Hamas-Chef Sinwar gewesen, sagte Blinken. Diese sei zu dem Zeitpunkt erfolgt, an dem er gedacht habe, ein Abkommen mit der Hamas könne »über die Ziellinie« gebracht werden. »Plötzlich gibt es keinen einzigen Entscheider mehr und es ist viel schwieriger, eine Entscheidung von der Hamas zu bekommen. Maßnahmen wie diese haben also Auswirkungen zweiter und dritter Ordnung, die man mit einbeziehen muss.«
Scharf kritisierte Antony Blinken die Tatsache, dass die Massaker und Angriffe der Hamas weltweit kaum erwähnt worden seien: »Ich finde es erstaunlich, dass bei aller verständlichen Kritik an Israels Vorgehen in Gaza seit dem 7. Oktober so gut wie niemand etwas über die Hamas gesagt hat. Ich weiß nicht, warum nicht weltweit einhellig gefordert wird, dass die Hamas ihre Waffen niederlegt und die Geiseln freigibt.«
Israel habe der Hamas-Führung und ihren »Kämpfern« bei verschiedenen Gelegenheiten die sichere Ausreise aus dem Gazastreifen angeboten. »Wo ist die Welt, die sagt: Ja, macht das. Beendet das. Beendet das Leiden der Menschen, das ihr verursacht habt? Das entlastet Israel nicht von der Art und Weise, wie es den Krieg geführt hat. Aber ich muss mich fragen, wie es sein kann, dass wir keine nachhaltigere Verurteilung und keinen Druck auf die Hamas gesehen haben, das zu beenden, was sie begonnen hat, und das Leiden der Menschen zu beenden, das sie verursacht hat.« im