Ruth Gavison, eine der bekanntesten israelischen Juristinnen und Bürgerrechtsaktivistinnen, ist tot. Sie starb am Samstag im Alter von 75 Jahren.
BÜRGERRECHTE 1972 war Gavison Gründungsmitglied und in den 90er-Jahren drei Jahre lang auch Vorsitzende der Vereinigung für Bürgerrechte in Israel (ACRI), der ältesten israelischen Menschenrechtsorganisation. Sie setzte sich für ein harmonisches Zusammenleben zwischen säkularen und religiösen Juden in Israel ein.
Im Jahr 2000 verfasste sie gemeinsam mit dem Rabbiner und religiösen Siedler Yaakov Medan ein Manifest zum Schutz des Status quo, in dem die Einführung einer Zivilehe für heterosexuelle israelische Juden befürwortet wurde. 2011 wurde Ruth Gavison mit dem Israel-Preis im Fachbereich Rechtswissenschaften geehrt.
Zudem saß sie in verschiedenen nationalen und internationalen Kommissionen, darunter auch dem Winograd-Komitee, das die Fehler Israels im Libanon-Krieg von 2006 genauer unter die Lupe nahm und Empfehlungen aussprach, wie sich der Staatsapparat und die politische sowie militärische Führung künftig besser auf externe militärische Aggressionen von außen vorbereitet kann.
OBERSTES GERICHT Mit der Berufung Gavisons an Israels Oberstes Gericht klappte es dagegen 2005 nicht. Zuvor war sogar Kritik des Gerichtspräsidenten Aharon Barak an ihrer angeblichen »Agenda« laut geworden. Gavison hatte zuvor dem Gericht »juristischen Aktivismus« vorgeworfen. Sie galt zwar politisch als eher links, nahm aber immer wieder kontroverse Positionen ein, für die sie von Linken und Liberalen kritisiert wurde.
Auf Twitter nannte Israels Staatspräsident Reuven Rivlin sie »eine brillante Juristin«. Man habe sie nicht in eine bestimmte Schublade stecken können. In Wort und Tat, so Rivlin, habe Gavison dafür gekämpft, dass Israel gleichzeitig »jüdisch und demokratisch« sein könne. Ihre Stimme werde künftig sehr vermisst werden, erklärte der Präsident.
Im Jahr 2013 wurde Gavison von der damaligen Justizministerin Tzipi Livni beauftragt, verfassungsrechtliche Vorschläge zu machen, wie der jüdische Charakter Israels mit demokratischen Prinzipien, insbesondere dem Schutz der Rechte nichtjüdischer Minderheiten, besser in Einklang gebracht werden kann. Gavisons Ernennung durch Livni war auch eine Reaktion auf das Drängen rechter Parteien in der Knesset, den Primat der jüdischen Identität des Landes auch formell im Grundgesetz zu verankern.
»Oft lehnte sie es ab, weit verbreitete juristische Annahmen einfach zu übernehmen, sondern führte unabhängige, mutige und grundlegende Positionen ins Feld.«
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu
Ruth Gavison wurde 1945 in Jerusalem geboren und wuchs in Haifa auf. Die Familie ihrer Mutter stammte aus Griechenland, die Vorfahren des Vaters waren im 19. Jahrhundert aus Marokko ins damalige britische Mandatsgebiet Palästina eingewandert.
Zuhause wurde auch Spanisch gesprochen. Nach ihrem Jurastudium in Jerusalem wurde Gavison 1971 als Rechtsanwältin zugelassen. Anschließend promovierte sie in Oxford. Thema ihrer Dissertation 1974 war der Schutz der Privatsphäre.
EINZIGARTIG Im gleichen Jahr wurde Gavison zur Professorin der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Hebräischen Universität in Jerusalem ernannt. Dort forschte und lehrte sie vor allem zu Fragen des Verhältnisses von Religion und Staat. Einen Ruf an die Yale-Universität in den USA lehnte sie ab.
In Wort und Tat, so Rivlin, habe Gavison dafür gekämpft, dass Israel gleichzeitig »jüdisch und demokratisch« sein könne.
»Professor Gavisons einzigartige Stimme« sei immer »laut und deutlich vernommen worden« im Land, und das auch dann, wenn die Juristin nicht die Mehrheitsmeinung vertreten habe, schrieb Benjamin Netanjahu auf Twitter.
»Oft lehnte sie es ab, weit verbreitete juristische Annahmen einfach zu übernehmen, sondern führte unabhängige, mutige und grundlegende Positionen ins Feld, die die herrschende Lehre hinterfragten und den juristischen Diskurs viele Jahre lang prägten«, erklärte der Ministerpräsident in seinem Nachruf auf Gavison.