Reuven Rivlin genießt als Israels Präsident im In- und Ausland großen Respekt. Im kommenden Juli geht seine Amtszeit zu Ende. Und damit hat die Debatte um die Nachfolge begonnen.
Kenner des politischen Jerusalem munkeln bereits über mögliche Kandidaten. Einer, der interessiert sein dürfte, ist der Chef der Jewish Agency und ehemalige Vorsitzende der Arbeitspartei, Isaac Herzog. Nicht nur seine Verbündeten sind überzeugt, dass der besonnene Politiker das Amt würdig vertreten würde. Es ist zudem kein Geheimnis, dass Herzog gern in seines Vaters Fußstapfen treten würde. Chaim Herzog war von 1983 bis 1993 Israels sechster Präsident.
SOLIDARITÄT Doch auch andere melden Interesse an: etwa der Tempelberg-Aktivist und einstige Knessetabgeordnete Yehuda Glick. In einem Interview erklärte er, er wolle es zur Mission seines Lebens machen, Staatsoberhaupt zu werden. Warum er seiner Meinung nach der perfekte Kandidat ist, erläuterte er so: »Unsere Solidarität ist zerfallen. Wir müssen ein Volk sein, bei dem jede Seite das Gute für die andere Seite will. Stattdessen gibt es täglich Kämpfe.«
Das Präsidentenamt brauche jemanden, der nicht abgehoben ist. »Ich komme mit Demut, um den Menschen zu helfen, gegen die Polarisierung anzugehen und die Solidarität zurückzubringen. Ich fühle mich bei allen Gruppen des Volkes zu Hause.«
Ein anderer möglicher Kandidat scheint auf den ersten Blick vielleicht unwahrscheinlich, doch der Zeitpunkt könnte für ihn kaum besser passen: Premier Benjamin Netanjahu. Auf diese Weise könnte der Likud-Politiker ohne jegliche Gesetzesänderung Immunität vor Strafverfolgung erhalten. Derzeit ist er in drei Fällen wegen Korruption angeklagt. Der Prozess hat bereits begonnen, die Fortführung ist jedoch wegen der Pandemie verschoben worden.
STRAFVERFOLGUNG Paragraph 14 des Grundgesetzes besagt, dass es keine Strafverfolgung gegen den Präsidenten des Staates geben darf, erläutert Matan Gutman, Experte für Verfassungs- und Verwaltungsrecht. Allerdings könnte das Oberste Gericht dennoch entscheiden, dass der »Vertreter der moralischen Werte des Landes« niemand sein sollte, dem wegen mutmaßlicher krimineller Vergehen der Prozess gemacht wird.
Vor einigen Wochen hatte die oppositionelle Fraktion Jesch Atid–Telem einen Gesetzesentwurf in die Knesset eingebracht, dass niemand, der wegen eines solchen Vergehens angeklagt ist, sich um das Amt des Präsidenten bewerben kann. Der Vorschlag wurde abgelehnt.