Die Fragen erinnern ein wenig an Psychotests aus einschlägigen Frauenmagazinen: »Wählen Sie drei Eigenschaften, die Sie am besten beschreiben: abenteuerlustig, stabil, sensibel, teamfähig, unabhängig, furchtlos ...«. So beginnt der erste von sieben Fragebögen, die man neben anderen Formularen online ausfüllen muss, um sich für einen Job bei einem der bekanntesten Geheimdienste der Welt zu bewerben: dem Mossad.
Die Organisation hat vor Kurzem eine neue Website ins Internet gestellt, auf der sie zum ersten Mal umfassend um neue Mitarbeiter wirbt. Der Internetauftritt – in hebräischer, englischer, französischer, russischer, arabischer und persischer Version abrufbar – soll die Art und Weise revolutionieren, wie die Spionageorganisation potenzielle Agenten anwirbt.
»Wir müssen auch künftig die besten Leute rekrutieren, damit der Mossad weiterhin den Staat Israel führen, verteidigen und dessen Fortbestand sichern kann«, erklärt Geheimdienstchef Tamir Pardo zum Start der neuen Website in einer begleitenden Pressemitteilung. »Das qualitativ hochwertige Humankapital des Mossad ist das Geheimnis unseres Erfolgs.«
Mythen Um den 1951 gegründeten Mossad ranken sich Mythen und Skandale. Es gibt wohl keinen anderen Geheimdienst, der so undurchsichtig ist und über den gleichzeitig so viel geschrieben wurde. Die Organisation soll hinter einigen der gewagtesten verdeckten Antiterror-Operationen des vergangenen Jahrhunderts stecken.
Auf der neuen Website gibt es allerdings nur einen einzigen Hinweis auf vergangene Missionen. Unter dem Stichwort »Ausstellung« wird man auf den für die Geschichte Israels wohl bedeutendsten Erfolg des Mossad geführt: die Entführung Adolf Eichmanns 1960 aus Argentinien. Der frühere SS-Obersturmbannführer war einer der Hauptorganisatoren des Mordes an fast sechs Millionen Juden. Eichmann wurde in Israel vor Gericht gestellt und 1962 hingerichtet.
Die zurückhaltende Informationspolitik ist Absicht: Die Mossad-Website, so ein Zitat von Pardo, »bietet Ihnen einen kurzen Einblick in den Mossad und wird nur wenig von seiner Vergangenheit und seinen Aktivitäten preisgeben«. Denn häufig sei das, was viele Jahre nach einem Ereignis des Geheimdiensts veröffentlicht werde, »nur die Spitze des Eisbergs beinahe unvorstellbarer Aktivitäten und Operationen«.
Dubai Ans Licht gekommen ist in neuerer Zeit unter anderem die Liquidierung von Mahmud al-Mabhuh, einem Waffenhändler der Hamas, in einem Hotel in Dubai vor vier Jahren. Die Operation des Mossad wurde öffentlich, weil die Polizei in Dubai misstrauisch wurde, als sie mehr über die Biografie al-Mabhuhs herausfand. Daraufhin wertete sie wochenlang akribisch Aufnahmen von zwei Dutzend Überwachungskameras aus. Das Ergebnis: Mindestens elf Frauen und Männer konnten identifiziert werden. Sie waren mit gefälschten Pässen – darunter auch einem deutschen – in das Emirat eingereist, wechselten ihre Hotels und veränderten ihr Aussehen: mit Perücken, Hüten und falschen Bärten. Das halbstündige Video, das die Operation dokumentiert, erinnert an Agentenfilme.
Bürojobs Obwohl die Aufdeckung der Dubai-Mission in Israel neben einigem Ärger vor allem Hohn und Spott hervorrief – Zeitungen veröffentlichten etwa Fahndungsfotos der Dubaier Polizei mit der Frage »Kennt jemand diese Personen?« –, setzt der Mossad auch auf seiner neuen Website auf die Anziehungskraft von James Bond und George Smiley. Es ist etwa ein Video zu sehen, das ein Paar in Kellern und auf Hausdächern zeigt. Frau und Mann hacken sich an verschiedenen Orten in der Welt in Computer ein, ständig sind auch Satellitenaufnahmen und Drohnen zu sehen. Im Hintergrund sagt eine samtene Frauenstimme: »Was bei dir nur in der Vorstellung existiert, ist meine Realität.«
Dabei ist nur ein kleiner Teil der Mitarbeiter in der spektakulärsten der insgesamt acht Abteilungen beschäftigt: der Kidon (Bajonett). Der weitaus größere arbeitet in der Technologie-, Cyber- oder Verwaltungsabteilung des Geheimdienstes – also trockene Bürojobs. Zudem werden Ingenieure, Chemiker, Übersetzer, Analysten und sogar ein Psychologe sowie ein Steuerberater gesucht.
Diskret Fragen an das für den Mossad zuständige Ministerium unter Yuval Steinitz zu den Gründen der neuen Offenheit werden am Telefon höflich abgewiesen. Doch israelische Medien berichteten, dass Gad Schimron, ein ehemaliger Agent, die moderne Art der Anwerbung gut findet. »Das ist das 21. Jahrhundert«, sagte er. Zwar könnte das Internet auch einige Irre und womöglich ein paar feindliche Elemente anziehen, wird der Ex-Spion weiter zitiert. Der Mossad sei aber in der Lage, daraus die »besten Fische« zu angeln.
Früher rekrutierte der Mossad Freunde und Verwandte aus dem Dunstkreis der Mitarbeiter. Gelegentlich inserierte die Organisation auch in den Medien, wie etwa vor zwei Jahren, und fragte erstaunlich deutlich nach bestimmten Fähigkeiten. Da hieß es neben anderen Fragen: »Sprechen Sie Chinesisch? Haben Sie die Gabe, geheimdienstliche Lagebeurteilungen zu formulieren, Positionspapiere über Länder zu schreiben? – Dann sind Sie unser(e) Mann/Frau.« Und 2004 suchte der Mossad im Internet nach einem Barkeeper, der fließend Englisch spricht. Begehrt waren und sind nach wie vor Personen, die mehrere Pässe besitzen, sagt Schimron.
Der Mossad betont, eine Online-Bewerbung sei sicher und diskret. Wer weiterliest, bekommt aber trotzdem eine Gänsehaut: So wird unter anderem empfohlen, den Browserverlauf auf dem Computer nach der Bewerbung zu löschen.
www.mossad.gov.il