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Wer ist Jude?

Happy Family? Die meisten Konvertiten finden erst heraus, dass ihr Übertritt nicht anerkannt wird, wenn sie oder ihre Kinder heiraten wollen. Foto: Thinkstock

Elisheva Miriam stand kurz vor der jüdischen Hochzeit mit ihrem Mann, den sie bereits zuvor in den USA zivil geheiratet hatte. Sie war schwanger mit Zwillingen. Alles war genau geplant. Ihr Mann hatte Konversionskurse besucht, sollte auch auf dem Papier jüdisch werden wie sie. Die beiden lebten bereits nach den religiösen Regeln, kochten koscher, hielten den Schabbat. Elisheva bedeckte ihr Haar, ihr Mann trug Kippa.

Doch dann kam die Nachricht vom Oberrabbinat: Elisheva Miriam sei gar nicht jüdisch, hieß es. Ihre Konversion damals als Kind gemeinsam mit ihrer Mutter werde nicht anerkannt. »Das war ein Schock. Ich hatte Angst, war wütend und traurig. Es fühlte sich sehr ungerecht an, und ich machte mir vor allem um die Kinder Sorgen«, erzählt Elisheva heute, knapp vier Jahre später.

Eine Erfahrung wie diese machen in Israel viele, die zuvor in der Diaspora konvertiert waren. Und es werden immer mehr, sagt Rabbi Seth Farber, Gründer der Organisation Itim, die sich um Fälle wie den von Elisheva kümmert – wenn also orthodoxe Konversionen aus dem Ausland in Israel nicht anerkannt werden. »Früher waren es vielleicht zehn Fälle pro Jahr. Mittlerweile kümmern wir uns um 100«, sagt er.

Dokumente Das Problem sei, dass das Oberrabbinat in Israel keinen Draht mehr zu den Diasporagemeinden habe. »Die jüdische Gemeinde in der Diaspora ist viel größer, komplexer und vielfältiger als die in Israel«, so Rabbi Farber. Es herrsche in Israel großes Misstrauen gegenüber denen, die aus der Diaspora kommen.

Selbst wenn der Rabbiner dort nach orthodoxen Regeln konvertiert und Konvertiten dann in Israel die entsprechenden Dokumente vorlegen, ist das dem Rabbinat oft nicht genug. Welcher Rabbiner ist also der richtige? Auch Seth Farber weiß darauf keine Antwort – genauso wenig wie das Rabbinat selbst. Bis vor Kurzem gab es keine Auskunft, welcher Rabbiner akzeptiert wird und welcher nicht.

Um den Konvertiten mehr Sicherheit zu bieten, hat die größte zentrale orthodoxe Rabbinerorganisation in den USA, der Rabbinical Council of America, im Jahr 2007 das GPS-System eingeführt: »Geirus Policies und Standards«. Wer danach konvertiert, sollte in anderen Gemeinden weltweit keine Schwierigkeit haben. Doch selbst das führt in Israel nicht automatisch zur problemlosen Anerkennung, wie Rabbi Seth Farber erklärt: »Ich habe einen Konvertiten vor Gericht begleitet, der durch das GPS-System konvertiert ist. Und der Rabbiner im Gericht hatte davon vorher noch nie etwas gehört.«

Deshalb forderte die Organisation Itim klare Auskunft darüber, welche Konversionen nun in Israel anerkannt werden und welche nicht. »Wir haben vor Gericht durchgesetzt, dass das Rabbinat eine Liste veröffentlichen muss«, erklärt Farber. Im April erschien diese Liste mit den »koscheren« Rabbinern. »Allerdings stehen darauf nur die Namen von 100 Rabbinern weltweit – diejenigen, deren Konversionen das Rabbinat im vorausgegangenen halben Jahr akzeptiert hat«, beklagt Farber. Die Liste ist also nicht vollständig. »Viel sinnvoller als einzelne Namen wäre es, eine Liste mit Organisationen wie dem Rabbinical Council of America zu haben, die akzeptiert werden.«

Chaos Böse Absicht unterstellt Seth Farber dem Rabbinat aber nicht: »Es geht auch nicht um Machtspielchen, es herrscht schlicht Chaos. Es ist so, dass jeder im Rabbinat macht, was er will. Keiner fühlt sich verantwortlich, keiner nimmt sich dieses Problems an.«

Und so kommt es dann, dass Konversionen wie die von Elisheva Miriam zunächst nicht anerkannt werden. Die meisten Konvertiten finden das erst heraus, wenn sie oder ihre Kinder heiraten wollen und deshalb die Dokumente beim Rabbinat vorlegen müssen. Für die Einwanderung nach Israel werden alle Konversionen akzeptiert – auch die in Reformgemeinden.

Das Problem für die Konvertiten ist nicht, dass die Konversion wiederholt werden muss – das wäre mit einem Besuch in der Mikwe getan. Es geht darum, dass sie teilweise bereits jahrelang jüdisch gelebt haben und nun plötzlich gesagt bekommen: Das reicht in Israel nicht, du bist für uns dennoch nicht jüdisch. »Ich war sehr verletzt, ich habe es als ungerecht empfunden«, erzählt Elisheva.

Schabbat Ihre Mutter war bei einem orthodoxen Rabbiner in Florida konvertiert, der vom Rabbinical Council of America anerkannt war. Das heißt: Elisheva war damals zehn Jahre alt und wurde dadurch auch automatisch jüdisch. Sie war bereits zuvor mit jüdischen Traditionen und Regeln aufgewachsen, sie ging auf eine jüdische Schule, aß nur koscher, der Schabbat wurde eingehalten.

Später, nachdem ihre Familie bereits nach Israel gezogen war, lebte Elisheva weniger religiös, heiratete ihren heutigen Mann in den Vereinigten Staaten. Damals war er nicht jüdisch. Die beiden hatten bereits zwei Kinder, da entschied sich Elisheva, wieder zu ihren jüdischen Wurzeln zurückzukehren – mit ihrem Mann. Sie zogen gemeinsam nach Israel, wo ihr Mann bei Rabbi Ariel Konstantyn in Tel Aviv in den Konversionsunterricht ging. Gleich nach dem Übertritt, so der Plan, wollten die beiden noch einmal nach jüdischer Tradition heiraten. Dann kam die Antwort des Rabbinats.

Warten
Mithilfe der Organisation Itim holten sie die Bestätigung des Rabbinical Council of America ein, der die Konversion akzeptierte. Dann hieß es warten. »Wir hatten keine Ahnung, wie lange. Ich war ja bereits mit Zwillingen schwanger, und es musste schnell gehen. Also bin ich doch nochmal in die Mikwe gegangen«, erinnert sich Elisheva. »Und dann kam kurz darauf doch der Bescheid, dass man meine Konversion akzeptieren würde.« Heute, knapp vier Jahre später, lebt die 35-jährige Elisheva mit ihrem jüdischen Mann und ihren vier Kindern in Modiin und erwartet ihr fünftes Kind.

Um Familien wie der von Elisheva Miriam den Stress und die Angst zu ersparen, arbeitet Itim weiter daran, die Bedingungen zu erleichtern. »Wir sind in Kontakt mit dem Rabbinat und versuchen zu erreichen, dass sie eine umfassende Liste veröffentlichen – und die Kriterien, um auf diese Liste zu gelangen«, sagt Rabbi Seth Farber. »Es kann sein, dass wir dafür wieder vor Gericht ziehen.«

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