Nach der Tötung des Drahtziehers der Massaker vom 7. Oktober 2023, Hamas-Chef Yahya Sinwar, hat die Hamas bereits geschworen, den Kampf fortzusetzen und verkündet, dass der Tod ihrer Anführer nicht ihr Ende bedeute. In einem Statement hieß es, dass keine Geiseln freigelassen würden, bevor nicht ein Waffenstillstand im Gazastreifen herrsche und alle israelischen Truppen aus der Enklave abgezogen seien. Auch kursieren bereits Gerüchte, wer Sinwars Nachfolge antreten soll.
Weil Sinwar Kompromisse abgelehnt habe, mache sein Tod jedoch eine Art von Einigung wahrscheinlicher, zitert »ABC News« Jon B. Alterman, Direktor des Middle East Program des Center for Strategic and International Studies in Washington. »Gleichzeitig bedeutet das Fehlen eines einzigen glaubwürdigen Hamas-Führers, dass es schwierig sein wird, einige Teile der Organisation zu einem Waffenstillstand zu bewegen.«
Unklar ist, ob Sinwar selbst Anweisungen hinterlassen hat, wer ihm folgen soll, doch werde sein jüngerer Bruder Mohammed offenbar von vielen schon als neuer Hamas-Chef angesehen, berichtet CNN. Der 49-Jährige wurde erst kürzlich zum militärischen Befehlshaber der Hamas ernannt.
Derzeit sei nicht bekannt, wo Mohammed Sinwar sich aufhält. Laut einem hochrangigen israelischen Beamten, den CNN zitiert, sollen die Brüder einen Großteil des Jahres seit dem Hamas-Angriff auf Israel und dem daraus resultierenden Krieg Seite an Seite verbracht haben und seien im August noch zusammen gewesen. Israelische Medien zitierten am Freitag einen IDF-Sprecher, laut dem aktiv nach Mohammed Sinwar gesucht werde.
Auch Sinwars Stellvertreter Khalil Al Hayya gilt als Anwärter auf den Posten. Er fungierte bei den jüngsten Waffenstillstandsgesprächen in Kairo als Chefunterhändler der Hamas. Ein weiterer Anwärter könnte Mousa Abu Marzouk sein, der stellvertretende Leiter des politischen Büros der Hamas. Er lebte fünf Jahre lang in den Vereinigten Staaten, bevor das FBI ihn als Terroristen einstufte und abschob.
Stellvertreter mit Ambitionen
Schließlich könnte auch der frühere politische Führer der Terrorgruppe, Khaled Meshaal, Ambitionen haben. Allerdings könnte dessen Unterstützung eines sunnitischen Aufstands gegen den syrischen Präsidenten Bashar al Assad ein Hindernis sein, da die Hamas, selbst eine sunnitische Gruppe, vom mehrheitlich schiitischen Iran unterstützt wird.
Sowohl Meshaal als auch Al Hayya gehören seit vielen Jahren zu den hohen Funktionären der Hamas. Israel hat bereits mehrfach Hamas-Anführer ausgeschaltet, unter anderem im Jahr 2004 den Gründer Scheich Ahmed Jassin und wenige Wochen später dessen Nachfolger Abdel Aziz Rantisi.
Zwar hat die Terrororganisation sich danach immer wieder neu formiert, doch da sich deren Struktur unter Sinwars Herrschaft sehr verändert habe, sei es schwer zu sagen, was diesmal passieren wird, so CNN.
Seit dem Tod der beiden Hamas-Anführer Mohammed al-Masri (Deif) und dessen Vertreter Marwan Issa war Sinwar alleiniger Entscheidungsträger im Gazastreifen. Nach der Tötung von Ismail Hanijeh in Teheran im Juli wurde er ranghöchster Führer der Terrororganisation.
»Das Chaos innerhalb der Hamas nach Sinwars Tod könnte eine Chance sein, Unsicherheiten und Spaltungen auszunutzen, um die Freilassung der verbleibenden israelischen Geiseln, die Umsetzung eines allgemeinen Waffenstillstands und einer Demobilisierung innerhalb der Hamas zu beschleunigen«, zitiert ABC News Ahmed Fouad Alkhatib, einen leitenden Mitarbeiter der Scowcroft Middle East Security Initiative.