»Hallo?«
»Schalom, wie lieb, dass Du anrufst.«
»Ich weiß. Ich bin wirklich sehr, sehr müde. Ich habe in der letzten Nacht nicht gut geschlafen. Eigentlich habe ich gar nicht geschlafen. Ich kann nicht mehr schlafen, seit er drin ist. Wenn Noam aus Gaza zurückkommt, vielleicht dann…«
»Nein, ich darf nicht sagen, wo er eingesetzt ist. Er kämpft. Genauer weiß ich es selbst nicht. Obwohl ich seine Mutter bin. Dass er in Gaza ist, weiß ich genau. Leider.«
»Ja, ich habe es in der Zeitung gelesen. Es ist eine Tragödie. Ich will nicht daran denken. Und denke doch daran. Pausenlos, ohne Ende.«
»Bis gestern hat eine Familie bei uns im Gästezimmer gewohnt. Eigentlich keine ganze Familie mehr, jetzt ist es eine verwitwete Frau mit zwei Kindern. Wundervolle Menschen, wir haben uns angefreundet und viel miteinander geredet. Sie haben in einem Dorf an der Grenze zum Gazastreifen gelebt. Der Vater ist am Schwarzen Schabbat von der Hamas ermordet worden. Sie mussten das mitansehen.«
Haus völlig zerstört
»Ja, auch die Kinder. Sieben und elf. Ganz ehrlich, ich weiß nicht, wie diese Frau jeden Tag weitermacht. Ich habe sie in der Nacht oft weinen gehört.«
»Nein, sie hat noch keine Ahnung, wo sie leben werden. Zurückgehen? Ich glaube, so weit können diese Menschen im Moment gar nicht denken. Ihr Haus sei völlig zerstört, hat sie gesagt. Sie sind noch dabei, den ganzen Horror zu verarbeiten. Nein, das ist das falsche Wort. Verarbeiten werden sie das nie. Sie sind vielleicht noch dabei… Ich weiß es nicht. Es ist einfach alles zu furchtbar, um es je zu verstehen. Es ist unmöglich.«
»Manchmal denke ich, ich weiß gar nichts mehr. Viele Dinge, von denen ich früher überzeugt war, scheinen jetzt auf den Kopf gestellt.«
»Sie sind erst einmal bei Familienangehörigen untergekommen. Der Sohn ist in die Armee eingezogen worden, sein Zimmer ist jetzt frei.«
»Ich weiß nicht, was dann.«
Die Nächte sind lang im Moment
»Oh ja, Schaul kommt für den Schabbat. Er hat gestern gesagt, dass er rechtzeitig zum Abendessen da ist. Ich hoffe es sehr. Ich habe ihn seit sieben Tagen nicht gesehen. Gekocht habe ich. Die ganze Nacht. Die Nächte sind lang im Moment. Es ist so still im Haus.«
»Nein, wann Noam nach Hause kommt, weiß ich nicht.«
»Schön, dass du auch kommst. Nein, nur eine Flasche Wein vielleicht.«
»Ja genau, wir unterstützen uns gegenseitig. Alle. Es ist wirklich gut, dass du am Freitag kommst. Es bedeutet mir sehr viel.«
»Ich weiß. Ich liebe dich auch.«
Die Namen wurden zum Schutz der Privatsphäre geändert. Das Gespräch wurde mit Erlaubnis aufgezeichnet.