Die Jerusalemer wachten am Freitagmorgen in einem Wintermärchen auf. Über Nacht hatte der heftige Sturm die gesamte Stadt in pudriges Weiß getaucht. Vor der Kotel tobten Kinder und Jugendliche und warfen Schneebälle, religiöse Menschen huschten dick eingepackt durch 25 Zentimeter Schnee auf den Fußwegen. Das Winterwetter brachte nicht nur der Hauptstadt Flocken: Von den Golanhöhen im Norden bis in die Negevwüste fiel Schnee. Ein Spektakel, das die Israelis nur äußerst selten erleben.
In den nördlichen Regionen hatte es bereits am Donnerstag begonnen zu schneien. Anschließend zogen die dichten Wolken über die Carmelberge Richtung Osten und Süden. Nazareth, Karmiel und das Hula-Tal vermeldeten ebenfalls Schnee, und in der Nacht erreichten die Flocken sogar die Hügel von Arad und Dimona in der Negevwüste. Das Zentrum und die Küstenregion sahen hauptsächlich starke Regenfälle, Hagel und Winde.
hamsterkäufe Da der Sturm bereits seit Tagen angekündigt war, waren die Menschen dieses Mal gut vorbereitet. Schon am Dienstag meldeten die Supermärkte in Jerusalem, dass die Städter für Hamsterkäufe Schlange standen. Die größte Bäckerei im Land, Angel, verdoppelte ihre Challah-Produktion am Donnerstag und rief auf, Schabbatbrote schon vor Freitag zu kaufen.
Die Polizei riet allen, die Jerusalem am Wochenende verlassen wollen oder müssen, dies spätestens am Donnerstag zu tun. Gegen Abend wurden sämtliche Zufahrtsstraßen gesperrt. Die Stadtverwaltung hatte aus den Folgen von Dezember 2013 gelernt, als der Wintereinbruch die Stadt völlig überrascht hatte und für tagelanges Chaos sorgte. Diesmal aber standen 230 Schneepflüge bereit, die 400 Tonnen Salz auf die glatten Straßen streuten. Der Verkehr floss ohne große Zwischenfälle.
krisensitzung Premierminister Benjamin Netanjahu hatte am Donnerstag an einer Krisensitzung der Stadtverwaltung teilgenommen. Er betonte, dass es drei Prioritäten im Umgang mit dem Extremwetter gebe: »Erstens Leben retten, zweitens die Straßen öffnen und drittens die Elektrizität herstellen.« Die Stromversorgung hielt dem Sturm jedoch stand, es wurden kaum Ausfälle gemeldet.
Auch in den sozialen Netzwerken ist das Wetter derzeit Thema Nummer eins. Israelis aus allen Gegenden des Landes posteten Bilder, wie sie Schneeflocken mit der Zunge fangen, Schneeballschlachten veranstalten oder auf rutschiger Straße auf dem Hosenboden landen.
kettenfahrzeuge Rettungskräfte von Zaka berichteten, dass in der Nacht ein Baby im Krankenwagen geboren wurde, da man es wegen des extremen Wetters nicht bis ins Krankenhaus geschafft hatte. Außerdem »befreiten« die Helfer ein Brautpaar, das in den Schneemassen feststeckte, und brachten es sicher nach Hause. Die Armee half in verschiedenen Städten mit Kettenfahrzeugen, Kranke in die Hospitäler zu transportieren.
Die Mädchen und Jungs freuten sich ob der tanzenden Flocken und packten in Jerusalem und im Norden zum wiederholten Male in diesem Winter ihre Schlitten aus. Am Freitag blieben die Schulen sowohl in der Hauptstadt als auch in umliegenden Städten und fast dem gesamten Norden geschlossen. Sogar die Pforten der Hebräischen Universität blieben bereits am Donnerstagnachmittag zu.
Lange allerdings werde das Winterwetter Israel nicht mehr in ein nahöstliches Skigebiet verzaubern, verkündete das Meteorologische Institut. Schon am Freitagmittag soll der Sturm nachlassen, gegen Abend wird lediglich noch auf dem Hermon Schnee fallen. Am Samstag dann werde die Sonne langsam in allen Regionen die dicken Wolken verdrängen.