Genüsslich beißt Alon Nir in die prall gefüllte Pitatasche. An den Seiten quillt die fettige Sauce heraus, rinnt über die Finger des jungen Mannes. Es stört ihn herzlich wenig. »Lecker«, bringt er mit vollem Mund heraus und grinst. Nir hat Mittagspause, aber wenig Zeit. Wie ihm geht es vielen im hektischen Nahoststaat, Fast Food steht regelmäßig auf dem Speiseplan. Doch immer mehr Israelis sind übergewichtig. »Schluss mit dem Fett!«, meint die Regierung und erwägt einen Steuerzuschlag für die schnelle, ungesunde Küche.
Der soll aber mitnichten nur in den für ihre wenig nahrhaften Speisen bekannten Ketten wie McDonald’s oder der heimischen Burger Ranch wirken. Auch nahöstliche Snacks wie Falafel oder Burekas fallen unter die Bezeichnung »Junk Food« und sollen nach Regierungsmeinung ihr Fett wegkriegen.
Nir findet das unerhört. »Mündige Bürger können selbst entscheiden, was sie essen. Das muss uns der Staat nicht vorgeben. Sollen sie meinetwegen die Steuer für irgendwelche Luxusartikel erhöhen. Aber doch nicht für Falafel. Das ist israelisches Grundnahrungsmittel.«
Nationalgerichte Der Verkäufer im »Schawarma ba Schdera« in Herzliya ist derselben Meinung. »Die da oben in Jerusalem sind wohl übergeschnappt. Haben wahrscheinlich zu viel Körnerzeugs gegessen, und das ist ihnen nicht bekommen.« Neben Falafel gilt Schawarma als eines der Nationalgerichte – wie Döner besteht es aus klein geschnittenem Fleisch in einer hellen Brottasche. »Nur weil man es schnell isst, ist es doch nicht ungesund«, wettert der Verkäufer weiter. Es sei Geflügelfleisch, hochwertiges Brot und Salat. »Die Politiker wissen einfach nicht, was gut ist.«
Nach Angaben des Gesundheitsministeriums aber lassen sich die Damen und Herren im jüdischen Staat allzu oft die leckeren Fettmacher schmecken. So sind heute bereits mehr als 37 Prozent der Israelis übergewichtig, weitere 15 chronisch fettleibig. Und auch die Jugend bringt bereits mit 14 Prozent dicker Jungs und Mädchen plus sieben Prozent adipöser Teenager viel zu viel auf die Waage. Fast 1,2 Milliarden Euro kostet deren medizinische Versorgung den Staat jährlich.
Geld, das besser für andere Zwecke verwendet werden könnte, meinen Regierungsvertreter einstimmig. Das Finanzamt soll helfen, die Bewohner zu einem gesünderen Lebensstil zu bewegen. »Stimmt«, sagt Eran Jakov, Sprecher der Steuerbehörde. »Wir befürworten eine extra Abgabe auf krankmachende Speisen und rufen ein Komitee ins Leben, das dies unterstützt.« Zudem sei auch das Bildungswesen gefragt, damit bereits Schulkinder über die Risiken von Zucker, Salz und Fetten aufgeklärt werden, wie Jakov betont. Allerdings lehnt das Finanzministerium es ab, die zusätzlichen Einnahmen im Steuersäckel für die Behandlung von Übergewichtigen oder die Verbilligung gesunden Essens aufzuwenden.
Israel wäre nicht der erste Staat, der gewisse Speisen zusätzlich besteuert. Sonderabgaben an den Fiskus für Schokolade und Bonbons gibt es in Frankreich. Dänemark und Finnland besteuern ebenfalls Süßigkeiten, und in Österreich soll auf diese Weise den sogenannten Transfetten der Garaus gemacht werden.
Eine weitere Maßnahme soll die Kalorienangabe auf den Speisekarten der Restaurants von Naharija bis Eilat sein. Und zwar in derselben Schriftgröße wie die Bezeichnung der Speisen selbst. Außerdem will der Gesundheitsminister mehr Vollkornbrot auf israelischen Tischen sehen. Aufkleber mit dem Text »Dieses Brot entspricht den Empfehlungen des Gesundheitsministeriums für gesunde Ernährung« sollen den Verbrauchern die Vorteile des nahrhafteren Backwerks nahebringen.
Geld Doch ob die viel beschäftigten Menschen in Israel dadurch mehr zugreifen, ist fraglich. Denn zwar haben sie Hunger, aber wenig Muße. Vor Buden, in denen die Falafelbällchen ins siedende Öl plumpsen, bilden sich zur Mittagszeit lange Schlangen. Zwar sei die Grundzutat dieses Snacks – Kichererbsen – durchaus gesund, sind sich Ernährungswissenschaftler einig. Die Zubereitung indes ist es nicht. Beim Frittieren saugen die kleinen Bällchen große Mengen schädlicher Transfette auf, und auch das Servieren in Brot aus Weißmehl macht sie nicht gerade zur Gesundheitskost.
Sivan Levy steht vor einem kleinen Lokal auf der Allenby Street in Tel Aviv. Um sie herum vermischen sich die Gerüche des heißen Fettes mit denen der Autoabgase. Gesunde Ernährung? »Naja, wohl eher nicht«, gibt die Angestellte eines Modegeschäfts zu. Sie würde gern bewusster essen, findet jedoch kaum eine Möglichkeit.
Morgens müssen die Kinder versorgt werden, da fehlt die Zeit, mittags hat sie nur eine halbe Stunde, um den knurrenden Magen zu besänftigen, und zudem herrscht Ebbe im Portemonnaie. Gute Salate und vollwertiges Essen seien viel teurer als der Snack an der Ecke. »Das kann ich mir nicht jeden Tag leisten. Oft ist einfach nicht mehr drin als etwas Schnelles«, sagt sie und gießt Sesamsauce über ihre Falafel. »Aber wenigstens schmeckt’s.«