Israel und die islamistische Terrororganisation Hamas haben einem Austausch israelischer Geiseln gegen palästinensische Häftlinge zugestimmt. Die Einigung sieht auch eine Kampfpause im Gaza-Krieg von mindestens vier bis maximal zehn Tagen vor.
Die Feuerpause im Gazastreifen beginnt nach Angaben der Hamas an diesem Donnerstag um 10.00 Uhr Ortszeit (09.00 Uhr MEZ). Währenddessen könnten in mehreren Schritten bis zu 100 im Gazastreifen festgehaltene Geiseln aus Israel und bis zu 300 palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen freikommen. Wichtige Fragen dazu:
Wer sind die Geiseln, die freigelassen werden sollen?
Bei den ersten 50 der bis zu 100 Geiseln, die voraussichtlich ab Donnerstag schrittweise freigelassen werden, handelt es sich israelischen Medien zufolge um 30 Minderjährige, acht Mütter sowie zwölf ältere Frauen. Sie alle sollen die israelische Staatsbürgerschaft haben. Laut dem israelischen Regierungsbeschluss zum Geisel-Abkommen sollen alle bis zu 100 Geiseln entweder Israelis sein oder Bewohner Israels. Israel darf laut einem Bericht der Nachrichtenseite Ynet die Namen der Geiseln, die freikommen sollen, an die Hamas übermitteln.
Wie ist die Lage der Geiseln im Gazastreifen?
Wie viele der etwa 240 am 7. Oktober entführten Menschen noch am Leben sind und wo genau sie im Gazastreifen festgehalten werden, ist unklar. Die Armee vermutet, die Menschen, darunter auch deutsche Staatsbürger, könnten in den Tunneln der Hamas versteckt sein. Eine zuvor freigelassene Frau berichtete davon, wie sie durch die Tunnel gelaufen sei. Während der Entführung sei sie durch die Hölle gegangen und auch geschlagen worden. In der Gefangenschaft wurde die 85-Jährige nach eigenen Angaben aber gut versorgt. Da sich ihr Ehemann weiterhin in Geiselhaft der Hamas befindet war aber unklar, ob sie sich ohne Druck äußern konnte.
Wer sind die palästinensischen Häftlinge, die Israel freilassen wird?
Israel veröffentlichte eine Liste von insgesamt 300 Personen, die freikommen könnten. 123 der dort aufgeführten 300 Palästinenser sind Jugendliche unter 18 Jahren. Die Jüngsten sind demnach 14 Jahre. 33 Häftlinge sind laut der Auflistung Mädchen und Frauen. Den Häftlingen werden unter anderem das Werfen von Brandbomben, Brandstiftung oder Messerattacken zur Last gelegt. Israelische Medien hatten zuvor berichtet, dass keine Häftlinge freigelassen würden, die wegen Mordes im Gefängnis sitzen.
Wie läuft der Austausch der Gefangenen ab?
Die Hamas wird laut dem israelischen Regierungsbeschluss mindestens zehn Geiseln pro Tag freilassen - innerhalb von vier Tagen insgesamt 50. Pro freigelassener Geiselgruppe, die demnach an israelische Sicherheitskräfte übergeben wird, sollen palästinensische Häftlinge entlassen werden - insgesamt 150 innerhalb der vier Tage. Eine genaue Zahl pro Tag wird in dem Beschluss nicht genannt.
Israelische Medien meldeten, die Armee schule derzeit Soldaten im Umgang mit Geiseln im Kindesalter, da diese die jungen Entführten nach Israel bringen sollen. Unklar war zunächst, von wem und wo genau im Gazastreifen die israelischen Einsatzkräfte die Geiseln in Empfang nehmen sollen.
Medienberichten zufolge sollen die Menschen über den Grenzübergang Rafah nach Ägypten und von dort mit Hubschraubern nach Israel gebracht werden. Bei früheren Freilassungen übergaben die Hamas-Terroristen die Entführten zunächst an Rettungsdienste, die diese dann zur Grenze fuhren.
Profitiert die Hamas von der Feuerpause?
Während der Feuerpause sollen nach Angaben der Hamas im Süden des Küstenstreifens die israelischen Flugbewegungen komplett eingestellt werden und im Norden täglich für sechs Stunden. In Israel gibt es Befürchtungen, dass die Hamas die Zeit nutzen könnte, um sich neu aufzustellen und gestärkt aus der Feuerpause hervorgehen könnte. Dies wiederum könnte in der Zeit nach der Kampfpause israelische Soldaten zusätzlich in Gefahr bringen, mutmaßen israelische Medien. Die Terrororganisation wird zudem auch nach Ablauf der Kampfpause viele Geiseln als »Verhandlungsmasse« in ihrer Gewalt haben.
Wie stehen die Chancen für einen langfristigen Waffenstillstand?
Schlecht. Den Staat Israel will die Hamas zerstören. Israel muss seine Bürger schützen und weitere Angriffe verhindern.
Warum sind Katar und Ägypten als Vermittler so wichtig?
Katar wie auch Ägypten nehmen eine Schlüsselrolle ein bei den Verhandlungen. Beide haben langjährige Beziehungen zur Hamas. Katar baute die Kontakte schon seit den 1990er Jahren aus und soll den Gazastreifen mit 2,1 Milliarden US-Dollar unterstützt haben. Katar beheimatet auch Hamas-Chef Ismail Hanija. Ägypten wiederum hat im Nahen Osten auch eine besondere Stellung dank seiner langen Beziehungen zu Israel. Die beiden Länder hatten 1979 einen Friedensvertrag geschlossen.
Welche Erfahrungen hat Israel bisher mit der Befreiung von Geiseln gemacht?
Als umstritten gilt bis heute der Gefangenenaustausch zur Freilassung des israelischen Soldaten Gilad Schalit, der 2006 entführt wurde und mehrere Jahre in Gefangenschaft der Hamas war. Er wurde 2011 im Tausch für mehr als 1000 palästinensische Häftlinge freigelassen. Dabei kam auch der Hamas-Chef im Gazastreifen, Jihia al-Sinwar, frei. 1994 war zudem der 19-jährige Nachschon Wachsmann im Westjordanland verschleppt worden. Bei dem Versuch, ihn zu befreien, kamen der Entführte, ein weiterer Soldat und drei Hamas-Mitglieder ums Leben.
Schalit berichtete israelischen Medien später, er habe versucht, sich in der Zeit auf die guten Dinge zu konzentrieren, etwa wenn er Fernsehen schauen durfte oder nicht zu sehr misshandelt worden sei. Schalit versuchte demnach auch aktiv zu bleiben.
Der Soldat habe etwa Karten von Israel und den Häusern in seinem Dorf gezeichnet oder mit seinen Entführern Spiele gespielt. Er sagte außerdem, er sei in seiner Gefangenschaft bewusst am Leben gehalten worden. »Ein lebender Soldat hat einen anderen Wert als ein toter Soldat.«
Was bedeutet die Feuerpause für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen?
Die ohnehin notleidenden Menschen in Gaza sind nach sechs Wochen Krieg völlig zermürbt. Mehr als 14.000 Menschen wurden nach Angaben der Hamas-Terroristen getötet, 1,7 Millionen der UN zufolge vertrieben. Unabhängig überprüft werden können diese Angaben nicht.