Nach dem Angriff der islamistischen Hamas auf Israel will die Bundesregierung am Donnerstag und Freitag mit Sonderflügen der Lufthansa Menschen mit deutschem Pass aus dem angegriffenen Land holen. Neben den Flügen gibt es noch andere Möglichkeiten, das Land zu verlassen. Was Sie wissen müssen:
Wer kann die Sonderflüge buchen?
Anmelden können sich deutsche Staatsbürger und deren Familienangehörige, die sich zuvor auf der Elefand-Vorsorgeliste für Kriseninformationen eingetragen haben. Das waren nach Angaben des Auswärtigen Amtes vom Mittwoch 5000 Menschen.
Für ausländische Familienangehörige gelten laut Auswärtigem Amt bei den Sonderflügen die regulären Einreisebestimmungen nach Deutschland - alle Personen müssen demnach im Besitz von gültigen Reisedokumenten und gegebenenfalls Visa oder Aufenthaltstiteln sein.
Es gibt mehr als 100 000 Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit oder Doppelstaatler in Israel. Im Gazastreifen haben nach früheren Schätzungen 300 bis 400 Menschen einen deutschen Pass.
Wie funktioniert die Buchung?
Alle Elefand-Registrierten haben am Mittwochnachmittag von der deutschen Botschaft in Israel einen sogenannten Landsleutebrief erhalten. Darin wird eine Hotline der Lufthansa genannt, über die man sich verbindlich anmelden kann.
Wann und wo sollen die Flüge starten?
Die Flüge sollen vom Flughafen Tel Aviv aus starten. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur sollen am Donnerstag und Freitag je zwei Flüge nach München und zwei nach Frankfurt gehen. Die Abflugzeiten sollen an beiden Tagen um 13.30 Uhr, 14.30 Uhr, 16.00 Uhr und 17.00 Uhr (Ortszeit) sein. Es wird damit gerechnet, dass die Flüge eine Kapazität von insgesamt etwa 1000 Menschen pro Tag haben.
Müssen die Ausgeflogenen sich an den Kosten beteiligen?
Ja. Es wird eine Gebühr in Höhe von 300 Euro pro Person fällig, die bei der Buchung direkt durch die Hotline der Lufthansa im Auftrag des Auswärtigen Amts eingezogen wird. Dafür ist eine Kreditkarte nötig. Nach dpa-Informationen stellt die Lufthansa pro Person 550 Euro in Rechnung, 250 Euro übernimmt der Staat.
Gab es auch früher schon Kostenbeteiligungen?
Im März 2020 wurden bei den weltweiten Rückholflügen nach Ausbruch der Corona-Pandemie rund 67 000 Menschen mit 270 Charterflügen heimgeflogen, die rund 95 Millionen Euro kosteten. Nach dem Konsulargesetz hat die Bundesrepublik ihre Auslagen teilweise von den Hilfsbedürftigen zurückverlangt und dafür Pauschalen festgesetzt, die unter den tatsächlichen Kosten lagen.
Diese Praxis wurde vom Verwaltungsgericht Berlin bestätigt, wo rund 150 Klagen dagegen eingegangen sind. Nach dem ersten Urteil (Az.: 34 K 33.21) hat eine dreiköpfige Familie Berufung beim Oberverwaltungsgericht Berlin eingelegt, das nach Justizauskunft noch nicht entschieden hat (Az.: 9 B 13.22). Die Familie wollte nicht 1000 Euro pro Sitzplatz für den Heimflug zahlen. Die tatsächlichen Kosten bezifferte das Verwaltungsgericht auf 3300 Euro pro Platz.
Was ist die Rolle der Lufthansa?
Die Fluggesellschaft tritt wie in früheren Fällen als Dienstleister der Bundesrepublik auf. In eigener Verantwortung hatte der Konzern für seine Airlines bereits am Samstag entschieden, den Flughafen Ben Gurion in Tel Aviv aus Sicherheitsgründen nicht mehr anzufliegen. Das Auswärtige Amt teilte nun mit, dass die Lufthansa weiterhin prüfe, ob lagebedingt von Sonntag an wieder Linienflüge möglich seien. Für die Sonderflüge im Charter-Auftrag der Regierung wurden ähnlich wie bei den Corona-Flügen freiwillige Crews gesucht.
Gibt es neben der Lufthansa auch andere Flüge?
Ja. Das Auswärtige Amt empfiehlt Ausreisewilligen, sich mit ihrem Reiseveranstalter oder auch einer anderen Fluggesellschaft in Verbindung zu setzen und regelmäßig die Angebote zu prüfen. Es würden weiterhin kommerzielle Flüge vom internationalen Flughafen Ben Gurion abgehen. So sollten auch Verbindungen in andere Länder etwa mit Zwischenstopps in Zypern in Erwägung gezogen werden, um von dort nach Deutschland weiterzufliegen. Mehrere Fluggesellschaften, darunter vor allem die israelische Fluglinie El Al, fliegen weiterhin Ziele in Europa an. El Al baue sein Flugangebot sogar aus.
Am Mittwoch schrieb das Auswärtige Amt auch, die Fluggesellschaft EasyJet prüfe derzeit, ob sie in den nächsten Tagen wieder Flüge ab Tel Aviv anbieten könne.
Empfohlen werden auch weniger bekannte Gesellschaften, wie etwa die zypriotische TUS-Airways, die Direktflüge nach Düsseldorf anbietet, aber auch Arkia Israeli Airlines, die zweitgrößte israelische Fluggesellschaft, oder das israelische Flugunternehmen Israir.
Welche Möglichkeiten gibt es noch, Israel zu verlassen?
Auf dem Landweg: Das Auswärtige Amt empfiehlt Deutschen auch die Ausreise auf dem Landweg über Jordanien. Der deutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert, sagte in einem RTL-Interview, die Botschaft habe etwa 100 Deutschen geholfen, in vier Bussen in die jordanische Hauptstadt Amman zu kommen. Die allermeisten der Ausreisewilligen hätten bereits einen Anschlussflug aus Amman gebucht.
Per Fähre: Zwischen israelischen und europäischen Mittelmeerhäfen gibt es Verbindungen. So weist die deutsche Botschaft in Israel auf eine private Reederei hin, von der die Strecke zwischen Haifa im Norden Israels und Zypern bedient wird.
Was machen andere Länder?
Polen hatte bereits am Montag eine Luftbrücke eingerichtet, um seine Staatsbürger in Sicherheit zu bringen. Die Schweiz bot am Dienstag einen ersten Sonderflug an. Norwegen, Dänemark und Schweden wollten am Mittwoch ebenfalls solche Flüge für ihre Bürger organisieren. Von Mittwoch an geplante Pendelflüge mit einer Maschine des österreichischen Bundesheeres zwischen dem zyprischen Larnaka und dem Flughafen von Tel Aviv konnten wegen eines technischen Defekts vorerst nicht stattfinden. Frankreich will an diesem Donnerstag Staatsbürger mit einem Sonderflug ins Heimatland zurückbringen.
Bundeswehr vorerst nicht beteiligt
Mehrfach hatte die Bundesregierung in den vergangenen Jahren auch die Flugzeuge der Luftwaffe und schwerbewaffnete Soldaten geschickt, um deutsche Bürger und andere Schutzbedürftige aus Kriegsgebieten auszufliegen. Dass dies bei einer Eskalation in Israel nun auch grundsätzlich möglich ist, machte Verteidigungsminister Boris Pistorius am Rande einer Sitzung des Verteidigungsausschusses in Berlin deutlich. Und: »Wir stehen jederzeit bereit zu tun, was zu tun ist, wenn die Lage in Israel und die außenpolitische Einschätzung von Kanzleramt und Auswärtigem Amt das hergeben.«
In der Bundesregierung gilt, dass zunächst die zivilen Möglichkeiten und Verträge mit der Lufthansa ausgeschöpft werden, bevor das Militär zum Einsatz kommt. dpa