Der Geruch des regennassen Asphalts im Sommer, der Geschmack einer bestimmten Speise, das Rauschen der Blätter in einem Herbststurm, die Sehnsucht nach einem bestimmten Ort – Heimat bedeutet für jeden etwas anderes. Der Begriff ist verbunden mit Geborgenheit und Ankommen, aber auch mit Enge, Beschränktheit, Vorurteilen und Ausgeschlossensein.
All diese Facetten von Heimat werden derzeit bei den fünften deutsch-israelischen Literaturtagen in Tel Aviv beleuchtet. Dazu gibt es sieben Einzelveranstaltungen, die jeweils einen eigenen Aspekt in den Mittelpunkt rücken. Sie sind überschrieben mit »Zugehörigkeit«, »Sünde«, »Über-Setzen«, »Familie« und »Wanderung«.
Es ist ein Thema, das lange als verstaubt galt. »Heimat war Synonym für Schundromane und Kitschfilme aus den 50er-Jahren«, sagte die Journalistin Gisela Dachs, die den Auftaktabend der Literaturtage im Cameri-Theater moderierte. Das ist heute nicht mehr der Fall, aufgrund von Migration ist Heimat aktueller denn je. Spannend dabei ist die unterschiedliche Wahrnehmung und Interpretation des begriffs durch israelische und deutsche Autoren. Das wurde bereits am Auftaktabend mit der deutschen Schriftstellerin Dea Loher (Bugatti taucht auf) und dem Israeli Assaf Gavron (Auf fremdem Land) deutlich.
Sehnsucht Bei Loher geht es um einen grausamen Mord, der die Heimat des Protagonisten in Verruf bringt. Er sieht die Erhabenheit der Berge beschädigt und den See verunreinigt. Die Deutsche schreibt vom Verlust eines Gefühls, der Israeli dagegen von der Sehnsucht nach einem Land. In seinem Buch geht um radikale Siedler, die sich um Gesetze nicht scheren, deren Beweggründe für Außenstehende meist unverständlich sind. Sie betrachten ihr Leben als Erfüllung eines göttlichen Befehls. Gavron ist dazu zwei Jahre lang in solche Siedlungen im Westjordanland gefahren, hat mit den Leuten gesprochen. Heraus kam ein Buch, das die Menschen und ihre Beweggründe nicht verurteilt, sondern beschreibt. Und es geht um politische Realitäten, die Deutschen gänzlich fremd sind.
Veranstaltet werden die Literaturtage vom Goethe-Institut Tel Aviv, von der Heinrich-Böll-Stiftung in Israel und von der Nationalbibliothek in Jerusalem. Noch bis Freitag treffen Autoren beider Länder aufeinander, darunter Eva Menasse und Matan Hermoni.