Der Experten-Streit um den biblischen König David ist in eine neue Runde getreten. Waren er und sein Sohn Salomo große Monarchen, die vor 3000 Jahren über ein geeintes Reich von Dan hoch im Norden bis Beersheva im südlichen Negev herrschten, wie es die Bibel beschreibt?
Oder waren sie Schulten über ein unbedeutendes Dorf mit gerade 1000 Einwohnern, wie nicht wenige Archäologen angesichts fehlender Relikte aus jener Zeit meinen? Denn während die beiden nach Salomos Tod getrennten Teile - das Nordreich Israel und das Südreich Juda - in ihrem Aufstieg und ihrem Fall archäologisch gut belegt sind, fehlen solche klaren Hinweise auf das biblische vereinigte Königsreich.
Diese Lücke versucht der israelische Top-Archäologe Erez Ben-Yosef laut Medien nun damit zu erklären, dass David und Salomon über ein Königreich von Nomaden herrschten. Denn zu ihrer Zeit sei ein Großteil der Levante von mächtigen und hochentwickelten Einheiten besetzt gewesen, deren Bevölkerungen noch nicht sesshaft waren und wenig Steingebäude hinterlassen hätten.
Seit Jahrhunderten ringen Bibelwissenschaftler, Historiker und Archäologen, wieviel von der Bibel »wahre Geschichte« ist und wo es sich um spätere Gründungsmythen handelt. In Israel verbindet sich dieser Streit häufig auch mit politischen Implikationen. Während etwa die Erzählungen von Abraham, Isaak und Jakob für die meisten Gelehrten heute ins Reich der Mythen fallen, gilt David quer durch viele Lager als historische Gestalt. Denn die Bibel schildert nicht nur seine Heldentaten und Erfolge, sondern auch schwere menschliche Schwächen, die andernfalls sicher geglättet worden wären.
Und so geht es heute besonders um die Frage, ob die beiden später getrennten Königreiche unter David und Salomo vereint waren. Lange gingen die Gelehrten hiervon aus, bis in den 90er-Jahren Forschungen zeigten, dass archäologische Überreste im Lande, die zuvor Salomos Baukunst zugeschrieben wurden, tatsächlich hundert Jahre jünger waren und aus dem abtrünnigen Nordreich Israel stammten.
Insbesondere der renommierte Archäologe Israel Finkelstein argumentierte: Es gebe in den archäologischen Funden in Jerusalem oder anderswo kein Zeichen der vereinigten Monarchie. Wenn also David und Salomo als Könige von Juda existierten, herrschten sie nur über ein kleines, marginales Königreich, das von späteren biblischen Autoren vergrößert wurde.
Hier nun setzt Ben-Yosef laut der Zeitung Haaretz an: »Sowohl kritische als auch konservative Archäologen meinen: Wenn wir eine große Mauer finden, war Davids Königreich groß, und wenn wir keine große Mauer finden, war Davids Königreich sehr klein.« Alle folgten dem gleichen Missverständnis, dass Nomaden unfähig seien, anspruchsvolle Staaten zu schaffen, ohne sich niederzulassen und große Städte zu bauen.
Ben-Yosef stützt seine Theorie auf jahrelange Forschungen in den Kupferminen von Timna und anderen Orten im Arava-Tal an der Südgrenze Israels zu Jordanien. In dieser Wüstenlandschaft fand er zahlreiche Indizien für eine technologisch fortschrittliche Zivilisation, die zwischen dem 12. und 9. vorchristlichen Jahrhundert Tausende Tonnen Kupfer gefördert und geschmolzen und das Metall bis nach Ägypten und Griechenland exportiert hat. Er brachte sie mit dem auch in der Bibel erwähnten Volk Edom in Verbindung.
Die Minenbetreiber seien wohlhabend, die Bewohner nachweislich gut genährt gewesen. Nur fanden sich für diese Zivilisation aus der Zeit des biblischen David keine stattlichen Siedlungen. Die einzige Architektur, die Archäologen gefunden hätten, seien einige Befestigungsanlagen zum Schutz der Kupferproduktionsstätten gewesen.
Daraus folgert Ben-Yosef, ob nicht auch andere Menschen und Völker - etwa die Israeliten, die zu dieser Zeit weiter nördlich lebten und nicht im Bergbau tätig waren - starke politische Einheiten geschaffen haben könnten, die jedoch sehr wenig zurückgelassen haben, weil sie nicht sesshaft waren. David und Salomo könnten also über ein Königreich mit einer beachtlichen Nomadenbevölkerung geherrscht haben.
Im übrigen wird die nomadische Herkunft der Israeliten allgemein akzeptiert, die nomadische Kultur durchdringt die Bibel. Sein Fazit: »Da die Archäologie kein adäquates Werkzeug ist, um nomadische Staatswesen zu studieren, müssen wir uns hauptsächlich auf Textbeweise - also die biblischen Berichte - verlassen.« Der Experten-Streit um den biblischen König David dürfte weitergehen.