Sicherheitswesten, Stacheldrahtzaun, das Gewehr immer im Anschlag. Der Alltag in Hebron ist nicht besonders hübsch anzusehen. Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen den zutiefst verfeindeten Juden und Arabern brechen sich immer wieder Bahn.
Gleichzeitig befindet sich in der Stadt eines der höchsten Heiligtümer des Judentums: das Grab der Patriarchen in der Machpela-Höhle. Für Bildungsminister Gideon Saar der perfekte Ort, um sich auf seine Wurzeln zu besinnen. Geht es nach ihm, soll zukünftig jeder israelische Schüler herkommen – mit dem Schulbus mitten ins Krisengebiet.
Für viele Lehrer und Eltern ist dieses Vorhaben zu viel der »politischen Bildung«. Zum ersten Mal in Israels Geschichte taten sich jetzt mehr als 250 Pädagogen zusammen, um offen gegen solche Fahrten vorzugehen. In einem Brief machten sie klar, sie würden nicht an etwas teilnehmen, das sie als »Gehirnwäsche« bezeichnen.
»Durch das Programm werden Schüler und Lehrer auf manipulative Weise zu politischen Spielfiguren gemacht«, heißt es in dem Brief. »Wir jedoch haben uns der Bildung verschrieben, unser Gewissen verbietet es uns, Mittäter bei einer solchen Politik zu werden.« Saar konterte die Einwände mit dem Kommentar, das einzige Problem der Trips nach Hebron sei die Tatsache, dass sie in den vergangenen 40 Jahren nicht stattgefunden hätten.
siedler Hebron ist eine Großstadt im Westjordanland mit mehr als 160.000 arabischen Einwohnern. In der Altstadt leben etwa 800 Siedler, die rund um die Uhr von Soldaten bewacht werden. Selbst unter manch rechtsgerichteten Israelis gelten »die Siedler von Hebron« als extremistisch und ideologisch verblendet.
Der Minister indes findet nichts dabei, den Kindern dieses Leben vorzustellen. Vergangenen März präsentierte er sein umstrittenes Pilotprojekt »Fahrten ins Heimatland des jüdischen Erbes« zum ersten Mal. Bislang sind etwa 3.000 Mädchen und Jungen aus Jerusalem zu einem Tagesausflug nach Hebron gereist. Die Teilnahme war für die Schüler freiwillig, doch Saar hat weitere Pläne. In der vergangenen Woche verkündete er, dass er das Programm auf sämtliche Schulen im Land ausweiten wolle.
»Schon immer haben Juden in Hebron gelebt, sogar, als sich unser Volk im Exil befand«, erklärte der Likudpolitiker vor der Knesset und fügte hinzu: »Und sie werden immer dort leben. Wir können es nicht erlauben, dass sich die Illusion unter den Arabern festsetzt, die Juden könnten aus der Stadt vertrieben werden.« Das Pilotprogramm sei bislang auf positive Resonanz gestoßen, versicherte Saar.
Die Besuche in Hebron sind Teil des Programms zur Stärkung »jüdischer und zionistischer Werte«, das auch Fahrten zu einer archäologischen Ausgrabungsstätte in der Siedlung Schiloh und in die Davidstadt in Ostjerusalem beinhaltet. Sie werden in Kooperation mit »Elad« durchgeführt, einer Gruppe, die sich der jüdischen Besiedlung des heute vorwiegend arabischen Dorfes Silwan verschrieben hat.
Von den vehementen Einwänden seitens Schuldirektoren, Lehrern und Eltern, die sein Vorhaben von Anfang an begleiteten, berichtete Saar nicht. Viele Kritiker meinen, der Minister wolle es lediglich vorantreiben, um sich bei den Parteikollegen am rechten Rand beliebt zu machen und seinen Listenplatz im Likud zu sichern.
Goldstone-Bericht Vergangene Woche wurde die geplante Teilnahme der Gruppe »Breaking the Silence« an einer Klassenfahrt noch am selben Tag abgesagt. Die Organisation der ehemaligen IDF-Soldaten hat sich auf die Fahnen geschrieben, »einen kritischen Blick auf die Präsenz der israelischen Armee in der Westbank zu werfen«. Der Minister: »Es gibt keinen Grund, die Lehrkräfte des Ministeriums auszubalancieren. Sicherlich nicht durch eine Organisation, die half, den Goldstone-Bericht zu verfassen.« Aktivisten der rechtsextremistischen jüdischen Szene wie Baruch Mazel oder Itamar Ben-Gwir indes wurden nicht daran gehindert, sich der Klassenfahrt inoffiziell anzuschließen und Kommentare abzugeben.
Einer der Initiatoren des Briefes an den Minister, der Hebräischlehrer Uri Guhr aus Jerusalem, hält die Touren für brandgefährlich: »Das Bildungssystem wird von extremistischen politischen Kräften angegriffen, die Erziehung durch Indoktrination ersetzen. Wir werden nicht zulassen, dass das geschieht.«
Guhr fügte hinzu, dass weder Lehrer noch Schüler »Soldaten des Ministers« seien. »Das ist keine Aussage eines Linken, sondern die eines Pädagogen, der will, dass junge Menschen von einer unabhängigen Meinung unterrichtet werden.« Die Fahrten nach Hebron und Schiloh aber seien das genaue Gegenteil. »Ihr Ziel ist nicht Bildung, sondern emotionale Identifikation, um politischen Nutzen daraus zu ziehen.«