2015

Wahl, Skandal und Jubiläum

Bilder aus zwölf Monaten: Das weltliche Jahr war wieder einmal vielfältig. Foto: Flash 90

Es war ein Jahr der politischen Skandale sowie der palästinensischen Messer-Intifada mit 22 toten Israelis, die am jüdischen Neujahr 5776 begann und noch immer kein Ende gefunden hat – viel Grund zur Trauer. Doch 2015 war auch das Jahr der Feierlichkeiten zum 50. Jubiläum der diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und Deutschland – viel Grund zur Freude.

Januar

Dutzende Millionen Schekel werden im Korruptionsskandal um die Partei Israel Beiteinu beschlagnahmt. Das Geld sollen die Verdächtigen – darunter Top-Politiker des Landes – aus öffentlichen Töpfen veruntreut haben.

Geschosse aus Syrien werden auf dem Golan abgefeuert, zwei davon schlagen auf israelischer Seite ein. Das Skigebiet auf dem Berg Hermon muss evakuiert werden, als die Sirenen schrillen. Immer wieder fliegen Raketen vom Nachbarland auf israelisches Territorium.

Eigentlich geht es um Kleingeld. Und doch erregt die »Bottlegate«-Affäre das Land. Sara Netanjahu, die Ehefrau des Regierungschefs, wird beschuldigt, Pfand auf leere Flaschen aus der Residenz des Ministerpräsidenten für sich behalten zu haben, statt es dem Staat zurückzugeben.

Februar

Der Wahlkampf hat begonnen. »Die Hölle sind immer die anderen«, titelt eine Radioshow, die glaubt, der Wahlkampf 2015 werde in erster Linie mit Angriffen auf die Konkurrenten ausgefochten. Von Inhalten und Programmen indes höre man kaum etwas.

Die Jerusalemer wachen eines Morgens in einem Wintermärchen auf. Über Nacht hat ein heftiger Sturm die gesamte Stadt in pudriges Weiß getaucht. Das Winterwetter bringt nicht nur der Hauptstadt Flocken: Von den Golanhöhen im Norden bis in die Negevwüste fällt Schnee.

Seit Wochen ist Benjamin Netanjahus Rede vor dem US-Kongress Thema Nummer eins. Er wolle deutlich machen, dass das Nuklear-Abkommen zwischen dem Iran und dem Westen den Weg zu einem iranischen Atomarsenal ebne, statt es zu verhindern, erklärt er. Netanjahu drängt die amerikanischen Senatoren und Kongressabgeordneten, von diesem »sehr schlechten Deal« Abstand zu nehmen.

März

Zehntausende protestieren auf dem Rabin-Platz in Tel Aviv gegen die amtierende Regierung unter dem Motto »Israel will den Wandel«.

Am Abend der Parlamentswahl sah es noch so aus, als lägen der amtierende Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und sein Herausforderer Isaac Herzog von der Arbeitspartei mit je 27 Sitzen gleichauf. Doch über Nacht kommt die Wende. Als die Stimmen ausgezählt sind, vereint der Likud 30 Sitze in der 20. Knesset auf sich. Damit sind Spekulationen über eine Einheitskoalition der beiden großen Parteien vom Tisch. Herzog ist mit 24 Sitzen abgeschlagen – eine Regierung aus Likud mit rechten und religiösen Parteien eindeutig.

April

Genau sieben Jahrzehnte, nachdem der erste Soldat der Alliierten am 15. April 1945 die Tore des KZs Bergen-Belsen durchschritt, beginnt Jom Haschoa. Landesweit wird an dem nationalen Gedenktag der Opfer der Nazi-Gräuel gedacht. Beim Sirenenton steht ganz Israel still.

Nach dem verheerenden Erdbeben in Nepal ist Israel Teil der internationalen Hilfskoalition, die nach dem Jahrhundertbeben in einem der ärmsten Länder der Welt im Einsatz ist. Bereits wenige Stunden nach der Naturkatastrophe schickt das israelische Militär eine sechsköpfige Vorhut.

Mai

Obwohl er so sehr darauf beharrt hatte, das Amt des Außenministers zu behalten, tritt Avigdor Lieberman zurück und erklärt zudem, dass er nicht Teil der neuen Regierungskoalition sein wird. Als Grund nennt der Vorsitzende von Israel Beiteinu den »Opportunismus, den die kommende Regierung verkörpert«.

Staatspräsident Reuven Rivlin spricht über 50 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Israel und Deutschland: »Dies ist der richtige Augenblick, um zurückzublicken und über all das, was wir erreicht haben, nachzudenken – über die vielleicht manchmal unüberbrückbar erscheinende Entfernung, die wir überwunden haben, und über künftige Erfolge, die wir noch werden.«

Die Szenen in Tel Aviv und Jerusalem erinnern an Ferguson und Baltimore. Junge Israelis äthiopischer Abstammung protestieren lautstark und zum Teil gewalttätig auf den Straßen beider Städte gegen Polizeibrutalität und Rassismus. Den Demonstrationen vorausgegangen war der Angriff von zwei Polizisten auf einen dunkelhäutigen IDF-Soldaten.

Juni

Dieses Mal ist es keine Übung. Während einige Tage zuvor die Sirenen durch das ganze Land schrillten, um einen Raketenangriff zu simulieren, kommt schließlich der Ernstfall. Zwei Geschosse aus Gaza zwingen die Menschen im Süden Israels wieder einmal in die Sicherheitsräume.

Juli

Jerusalem schickt seinem Nachbarn, dem Haschemitischen Königreich Jordanien, 16 Kampfhubschrauber des Typs Cobra. Damit soll dem Land geholfen werden, seine Grenzen zu Syrien und dem Irak gegen Terrorgruppen zu schützen.

August

Die 16-jährige Schira Banki ist tot. Das Mädchen wurde bei der Gay Pride Parade in Jerusalem von dem charedischen Fanatiker Yischai Schlissel mit Messerstichen schwer verletzt. Drei Tage darauf erliegt sie ihren Verletzungen. Sechs weitere Menschen wurden verwundet. Der Täter hatte bei der Parade zehn Jahre zuvor schon einmal Menschen durch Messerangriffe verletzt. Kurz nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis stach er wieder zu.

»Drei, zwei, eins: Pizuz«: Mit diesen Worten geht eine Ära zu Ende. Um Punkt sechs Uhr wird die Maariv-Brücke in der Tel Aviver Innenstadt gesprengt, um Platz für eine Haltestelle der neuen U-Bahn zu machen, deren Bau in diesem Jahr begonnen hat.

September

Die Juden in Israel und der ganzen Welt feiern den Beginn des neuen jüdischen Jahres 5776. Doch es ist kein guter Anfang. Denn am selben Abend beginnt die sogenannte Steine- und Messer-Intifada radikaler Palästinenser. Erstes Opfer ist ein Jerusalemer Mann, der, nachdem Steine auf sein Auto fliegen, ums Leben kommt.

Auf dem Tempelberg in Jerusalems Altstadt regiert derweil die Gewalt. Junge palästinensische Männer zünden Molotowcocktails und werfen Steine auf Besucher, nachdem israelische Sicherheitskräfte Waffen und Munition in der Al-Aksa-Moschee gefunden haben. Regierungschef Netanjahu betont immer wieder, er werde den Status quo auf dem Hügel beibehalten.

Oktober

Der Islamische Staat (IS) spricht Iwrit. In einer Video-Botschaft der Terrororganisation erklärt ein vermummter Mann in fließendem Hebräisch: »Kein Jude in Israel wird am Leben bleiben.« Die Juden seien Feind Nummer eins der Muslime, so der Terrorist. Außerdem warnt er: »Der wahre Krieg hat noch nicht begonnen, und alles Bisherige war Kinderspiel.«

November

Auf dem Tempelberg in Jerusalem kommt es in regelmäßigen Abständen zu blutigen Unruhen. Jetzt werden Kameras installiert, die rund um die Uhr Bilder vom Tempelberg schicken – in die ganze Welt. Kurz nach Kamerainstallation herrscht tatsächlich Ruhe auf dem Hügel.

Die Stadtverwaltung am Tel Aviver Rabin-Platz ist in Blau-Weiß-Rot angestrahlt, die Fahnen sind auf Halbmast. Israel trauert mit Paris. Nach den grauenvollen Anschlägen in der französischen Hauptstadt, bei denen mindestens 129 Menschen von islamistischen Terroristen getötet wurden, sind auch die Israelis zutiefst geschockt.

Seit Beginn des neuen jüdischen Jahres sind 22 Israelis von palästinensischen Terroristen getötet worden. Nach den jüngsten Morden sagt Staatspräsident Rivlin: »Wir werden dem Terrorismus nicht erlauben, uns unser Leben zu diktieren. Wir, die Bürger Israels, werden nicht aufgeben!«

Dezember

Es seien Beziehungen in unruhigen und bedrohten Zeiten, sagt Bundespräsident Joachim Gauck zum Auftakt seines Israelbesuchs. Die offizielle Visite findet im Rahmen des 50. Jubiläums der Aufnahme diplomatischer Beziehungen statt. Israels Staatspräsident Reuven Rivlin spricht von einer »aufrichtigen Freundschaft«.

Benjamin Netanjahu unterzeichnet den umstrittenen Gasdeal. Dabei geht es um die Förderung von Erdgas in dem Mittelmeer-Gasfeld Tamar und drei kleineren Feldern. Mit der Förderung wird ein Konsortium aus israelischen und amerikanischen Unternehmen beauftragt. Kritiker protestieren dagegen, dass Naturressourcen privatisiert und an große Unternehmen verkauft werden.

Kurz vor dem Ende des Jahres gibt es in Obergaliläa und der Küstenstadt Nahariya, unweit der libanesischen Grenze, Alarm. Kurz darauf schlagen drei Raketen auf israelischem Territorium ein. Verletzte gibt es nicht. Zuvor war bekannt geworden, dass der libanesische Terrorist Samir Kuntar gezielt getötet worden war.

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