Tel Aviv blickt optimistisch in die Zukunft. »Nach einem prägenden Jahr 2019« will die Stadtverwaltung mit einem Masterplan ins nächste Jahrzehnt starten. Dabei hat sie sich Großes vorgenommen: Bis 2030 soll die Metropole am Mittelmeer eines der beliebtesten Reiseziele der Welt werden.
Zugleich jedoch sollen die Airbnb-Vermietungen eingeschränkt werden, die in einigen Vierteln nach Meinung vieler Einheimischer überhandnehmen.
Berlin Ein Widerspruch? Nicht nach Auffassung der Stadtverwaltung. Die möchte mit einem neuen Gesetzesvorschlag kurzzeitige Vermietungen auf 90 Tage im Jahr beschränken. Alles, was darüber liegt, wäre damit illegal. Ähnliche Regelungen gibt es mittlerweile in Berlin, New York, Reykjavík, Barcelona und anderen Städten. In Amsterdam sind es sogar nur noch 30 Tage pro Jahr.
Die Airbnb-Vermietungen sollen eingeschränkt werden.
Vor einigen Monaten hatte Tel Aviv versucht, die Gemeindesteuer für Kurzzeitvermietungen anzuheben, doch der Versuch scheiterte am Einwand des Innenministeriums. Auch der neue Vorstoß dürfte auf Widerstand stoßen. Denn Tourismusminister Yariv Levin hatte zugesagt, Airbnb nicht einzuschränken, bis neue Hotels gebaut sind.
STEUERN »Durch Plattformen wie Airbnb wird das Wohnungsangebot für Einheimische eingeschränkt, es treibt die Preise in die Höhe und schafft Wettbewerb mit den Hotels«, so die Stadtverwaltung. Hotelbetreiber beklagen sich schon lange über diese Art der Vermietung, denn den Airbnb-Anbietern würden keine Auflagen gemacht, und sie müssen keine Steuern auf ihre Einkünfte zahlen. Derzeit werden etwa 13.000 Unterkünfte in der Stadt auf Airbnb angeboten. Mehr als zwei Drittel davon werden von Personen oder Firmen vermietet, die mehr als eine Wohnung betreiben. Oft sind es Immobilienagenturen oder private Finanzunternehmen.
»Genau da liegt das Problem«, sagt Eytan Schwartz, der Medien- und Kommunikationschef der Stadtverwaltung. »In Tel Aviv verdienen Management-Kartelle und Wohnungseigentümer eine Menge Geld, indem sie de facto Hotelservices bieten, ohne etwas dafür zu zahlen – nämlich Steuern.«
Man habe kein Problem mit Anwohnern, die einige Wochen ihr Haus vermieten, wenn sie im Ausland sind. »Doch wenn die Wohnung mehr als 90 Tage im Jahr als Hotel fungiert, haben wir Schwierigkeiten, den Charakter von Wohngegenden aufrechtzuerhalten. Unsere Interessen werden von den Leuten geschädigt, die auf diese Weise ihre Profite maximieren wollen. Dies ist ein weltweites Phänomen, das ganze Stadtteile gefährden kann.«
ENTFREMDUNG Dass das geplante neue Gesetz jedoch die Hotelpreise in die Höhe treiben könnte, ist den Initiatoren klar. Sie halten es jedoch für wichtiger, die Einwohner zu schützen. »Wir bemerken das Unwohlsein der Anwohner und die Entfremdung in ihren eigenen Vierteln. Das Gefühl von Gemeinschaft und Zuhause wird beschädigt«, so Schwartz. Am schlimmsten sei es im jemenitischen Viertel im Süden der Stadt und im angrenzenden Neve Tzedek.
Mehr als zwei Drittel aller Wohnungen auf der Plattform werden von Firmen angeboten.
Zugleich hofft man bei der Verwaltung, dass die geplante Beschränkung der Airbnb-Angebote den Tourismus nicht wesentlich behindern wird. Immerhin habe man im vergangenen Jahr 738 zusätzliche Hotelzimmer gebaut, die die Gesamtzahl auf 11.170 erhöhen, heißt es.
2019 sei mit dem größten Event, das die Stadt je ausgerichtet hat, dem Eurovision Song Contest, ein ganz besonderes Jahr gewesen. Außerdem wurden verschiedene Tourismuseinrichtungen eröffnet, darunter das Innovationszentrum im Peres Center for Peace, das Steinhardt-Museum für Naturgeschichte und das White City Center, eine deutsch-israelische Kooperation zur Bauhaus-Architektur.
BOOM 4,9 Millionen Gäste besuchten Tel Aviv, ein Plus von zwölf Prozent im Vergleich zu 2018. »In den letzten Jahren haben wir ein Tourismuswunder erlebt. Tel Aviv-Jaffa war eigentlich eine recht kleine Stadt, die nur wenige Touristen besuchten. Jetzt ist unser Name in der Welt bekannt, und viele Leute wollen die Stadt erleben«, freut sich Bürgermeister Ron Huldai. Der Masterplan soll den Boom aufrechterhalten, ihn umsichtig verwalten und weise für die Zukunft planen. »Denn der Tourismus ist ein bedeutender wirtschaftlicher Faktor für Tel Aviv und die Städte in der Umgebung.«
Die Besonderheit der verschiedenen Stadtviertel soll gewahrt bleiben.
Gemäß dem Plan soll die Anziehungskraft von Tel Aviv auf drei Säulen ruhen: »dem antiken Jaffa, dem modernen Tel Aviv, das für seine Vitalität und kreative Energie bekannt ist und auch Geschäftsleute aus aller Welt anzieht, sowie dem Strand, der mit seinen außergewöhnlichen Vorzügen lockt«. Gleichzeitig sollen die Besonderheiten der unterschiedlichen Stadtviertel mit ihren jeweiligen Gemeinden gewahrt bleiben.
Der städtische Ingenieur Udi Carmely ist davon überzeugt, dass der Plan für den Tourismus Tel Aviv zu einem der führenden Ziele für Städtereisen machen wird. »Der Schlüssel dazu, eine gute Stadt für Touristen zu sein, liegt in der richtigen Balance zwischen den Bedürfnissen – denen der Einheimischen und denen der Besucher.«