Michaela aus Herzliya behauptet, sie könne Berge versetzen, und liefert als Beweis auf ihren Wahlplakaten eine blondgelockte Comicfigur, die mit übernatürlichen Kräften durch die Lüfte fliegt. Ein anderer Kandidat vergleicht sich mit Theodor Herzl und meint: »Wenn ihr es wollt, ist es kein Traum.« Die meisten Anwärter jedoch wollen mit Seriosität überzeugen. Am 22. Oktober finden in Israel in 191 Städten und Gemeinden Bürgermeisterwahlen statt. Von Nord bis Süd treten fast 700 Männer und Frauen an.
Etwa 1500 Listen von Ratskandidaten sind zusammengestellt, aus denen die Israelis ihre Vertreter in den Stadtverwaltungen für die nächsten fünf Jahre auswählen können. Innenminister Gideon Saar verkündete, es gebe neue Maßnahmen gegen jegliche Art von Wahlmanipulation. Außerdem wolle er ein Gesetz einführen, das Kandidaten, die wegen eines Vergehens angeklagt sind, von den Wahlen ausschließt. Noch aber kann sich jeder aufstellen lassen.
Saar sagte dies nach entsprechenden Vorfällen in den Gemeinden Nazareth Illit, Ramat Hascharon und Bat Jam. »Wenn es um eine ernsthafte Anklage geht, bedeutet das im Sinne einer sauberen Regierung, dass die Amtszeit vorbei ist.« Der Minister wandte sich auch an die Wahlberechtigten: »Sich zu beschweren ist leicht, doch es ist noch einfacher, wirklichen Einfluss zu haben. Also geht wählen!« In sieben Gemeinden des Landes, darunter im Nobelort Kfar Schmarijahu nördlich von Tel Aviv, wird es keine Wahlen geben. Der Grund: Es gibt lediglich einen Kandidaten – und keinen einzigen Herausforderer.
Wechsel Andernorts indes dürfte es spannend werden. Allen voran in Tel Aviv, wo der offen homosexuelle Knessetabgeordnete Nitzan Horowitz den amtierenden Ron Huldai ablösen will. In der ganzen Stadt zieren Banner mit der Aufschrift »Nitzan« Balkone, Straßenlaternen und Häuserfronten. Prognosen rechnen ihm gute Chancen aus, das Ruder in der Metropole zu übernehmen.
Auch in Nazareth will ein Mitglied des Parlaments an die Macht. Würde sie gewinnen, wäre Hanin Zoabi die zweite Frau in Israels Geschichte auf dem Chefsessel einer Stadt mit arabischer Mehrheit. Zoabi von der Balad-Partei ist allerdings nicht unumstritten. Die säkulare Araberin war auf der türkischen Gaza-Flottille mitgefahren und hatte damit den Zorn vieler Knessetkollegen heraufbeschworen.
Einige hatten sogar verlangt, ihr sämtliche Rechte als Parlamentarierin abzuerkennen. Doch Zoabi zog vor das Oberste Gericht und gewann. Mit ihrer Kandidatur als Bürgermeisterin wolle sie ein Zeichen für die Gleichheit von Frauen setzen. »Mir wurde gesagt, dass es der Regierung nicht behagen würde, wäre ich Bürgermeisterin. Damit kann ich leben, solange es den Bürgern der Stadt gefällt und ihre Rechte gewahrt werden.« Zoabis Vision ist eine moderne und aufstrebende Stadt, in der die Menschen keine Angst mehr vor Kriminalität haben müssen.
In anderen arabischen und drusischen Gemeinden versuchen Frauen ebenfalls, Stimmen zu gewinnen. Unter anderem stehen sie auf Listen in Tira, Sachnin, Daliat-al-Carmel und Kafr Kassem. Die Kandidatinnen wollen allesamt mit Traditionen brechen und sich für Frauenrechte in der arabischen Gesellschaft einsetzen. Wie Amal Sultani aus Tira. »Es ist nicht so einfach«, gibt die Lehrerin zu. »Wir müssen die Konventionen hinter uns lassen. Doch wie die Wahl auch ausgehen mag, schon jetzt werden wir als aktive Frauen gesehen.«
Pakt Auch in Beit Schemesch geht es um mehr als nur ein neues Namensschild am Büro des Bürgermeisters. »Es geht um die Zukunft unserer Stadt«, macht Eli Cohen klar, der gegen den ultraorthodoxen Amtsinhaber Mosche Abutbul antritt. Der ließ Tausende von billigen Wohnungen für Charedim bauen; extreme Sekten strömten in die Stadt und geben nicht selten den weniger frommen Bewohnern vor, wie sie zu leben haben.
Zuvor hatten drei säkulare Kandidaten einen Pakt geschlossen, dass nur derjenige im Oktober antreten wird, der die besten Chancen hat. »Wir haben uns zusammengetan, weil wir uns um unsere Stadt sorgen und ihren zionistischen Charakter bewahren wollen«, hieß es in einer Erklärung der drei. Cohen machte das Rennen. »Aber es geht hier nicht um uns, sondern um die Zukunft von Beit Schemesch.«
Andere Orte nehmen die Stadt zwischen Jerusalem und Tel Aviv als abschreckendes Beispiel – etwa Kiriat Gat im Süden des Landes, wo ebenfalls ein hoher Anteil der Bewohner streng religiös ist. Dort heißt es auf Wahlplakaten: »Seid nicht wie in Beit Schemesch. Wir wollen keine ultraorthodoxe Stadt. Wählt Chaim Aberjil«.
Metropole Auch in der Hauptstadt gibt es politischen Zündstoff: Dem säkularen Bürgermeister Nir Barkat steht ein Herausforderer gegenüber, der in ein gänzlich anderes Horn bläst. Barkat, der sich stets auf die Fahnen geschrieben hatte, Jerusalem vom Stigma der »religiösen Enklave« zu befreien und seine Stadt in eine weltoffene und moderne Metropole zu verwandeln, muss um seine Mehrheit fürchten.
Denn auf einmal ist Mosche Lion da. Der Protegé von Avigdor Lieberman soll den beim Ex-Außenminister verhassten – in der Bevölkerung aber beliebten – Barkat ablösen. Angeblich, so der Bürgermeister in einem TV-Interview für Kanal 2, hat Lieberman sogar Verstärkung auf höchster Ebene angefordert – von Premier Benjamin Netanjahu. Allerdings mit nicht ganz sauberen Mitteln, denn der Vorsitzende der Partei Israel Beiteinu habe gleichzeitig mit der Auflösung des Likud-Lieberman-Bündnisses gedroht.
»Lieberman und Arie Deri von Schas wollen die Kontrolle über Jerusalem für ihre eigenen politischen Ziele übernehmen«, erläuterte Barkat im Fernsehen. Netanjahus Büro aber erklärte, dass der Regierungschef keinerlei Ambitionen habe, Einfluss auf die Wahlen in Jerusalem zu nehmen. Außerdem versprechen Prognosen Barkat eine sichere Wiederwahl. Das vorhergesagte Unwetter in der Hauptstadt wird also wohl ausbleiben.