Jerusalem

Viele Hürden beim Koalieren

Noch kein Handschlag in Jerusalem für eine neue Koalition. Foto: Flash90

Es ist eine Menge los auf dem Politparkett in Jerusalem. Während sich der designierte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu darum bemüht, eine Koalition aus seinem rechtskonservativen Likud, ultraorthodoxen und rechtsextremen Parteien auf die Beine zu stellen, resümierte der scheidende Premier Yair Lapid von der Zentrumspartei Jesch Atid die vergangenen eineinhalb Jahre seiner Regierung.

KOPFZERBRECHEN Nach seinem Wahlsieg hatte Netanjahu versprochen, schnell eine Rechtsregierung vorzustellen. Doch offenbar gestaltet sich das Koalieren schwieriger als erwartet. Vor allem das Beharren des Chefs des Religiösen Zionismus, Bezalel Smotrich, die Position des Verteidigungsministers zu übernehmen, bereitet Netanjahu Kopfzerbrechen. Sowohl das Sicherheitsestablishment im Inland als auch internationale Verbündete sprechen sich gegen den rechtsextremen Smotrich aus.

Doch damit nicht genug mit Smotrichs Forderungen: Er will zudem in einem Koalitionsvertrag regeln, dass Teile der palästinensischen Westbank von Israel annektiert werden. Dies birgt jedoch nicht nur die Gefahr, blutige Auseinandersetzungen mit den Palästinensern zu entfachen, sondern auch mit der internationalen Gemeinschaft, einschließlich der USA, zu entfachen. Es würde auch Netanjahus erklärte Ziele erschweren, die Beziehungen zu weiteren arabischen Ländern zu normalisieren.

Am Sonntag erklärte Itamar Ben-Gvir die Gespräche mit dem Likud zunächst für beendet.

Am Sonntag dann baute Itamar Ben-Gvir, Vorsitzender der Otzma Yehudit, eine weitere Hürde auf, indem er behauptete, der Likud wolle einen Deal rückgängig machen, bei dem Ben-Gvir für seine Partei ein weiterer Kabinettsposten versprochen worden war. Er selbst will Minister für innere Sicherheit werden und damit die Polizei beaufsichtigen. Der rechtsradikale Politiker ist mehrfach wegen Anstachelung zur Gewalt verurteilt worden. Am Sonntag erklärte er, dass die Gespräche mit dem Likud zunächst beendet seien.

Der religiöse Zionismus, Otzma Yehudit und die Anti-LGBTQ-Partei Noam, die gemeinsam bei den Wahlen angetreten waren, spalteten sich zudem am Wochenanfang in drei separate Parteien. Der Religiöse Zionismus von Smotrich hält sieben Mandate, Otzma Yehudit sechs und Noam einen Sitz in der Knesset.

Eine weitere Schwierigkeit stellt Arie Deri dar. Der zweifach verurteilte Vorsitzende der strengreligiösen Schas soll nach Medienberichten entweder Finanz- oder Verteidigungsminister werden. Deri, der zweimal wegen Finanzdelikten verurteilt wurde und derzeit eine Bewährungsstrafe verbüßt, ist eigentlich von der Übernahme eines Ministerpostens ausgeschlossen. Er müsste das Zentrale Wahlkomitee anrufen, um seine Ernennung trotzdem zu genehmigen, oder die neue Koalition muss das Gesetz ändern.

BRIEF Doch jetzt meldete sich die Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara zu Wort. In einem Brief erläuterte sie, dass das Komitee untersuchen müsse, ob die Verurteilung von Deri mit moralischer Verwerflichkeit verbunden sei. Ist das gegeben, führt es definitiv zu einem Ausschluss aus dem Kabinett.

Die Änderung von einem derartigen Gesetz haben die Parteien Religiöser Zionismus und Vereinigtes Tora-Judentum sowie verschiedene Mitglieder des Likud als Priorität bezeichnet. Es wird als potenzieller Vorteil für Netanjahu angesehen, dem derzeit wegen der Korruption in drei Fällen in Jerusalem der Prozess gemacht wird.

Ebenfalls am Sonntag fand das letzte Treffen der 36. Regierung statt. Der scheidende Premier Lapid bezeichnete sie als »eine Regierung, die einigen politischen Stürmen ausgesetzt war, aber vor allem eine, die hart für den Staat und die Bürger gearbeitet hat.«

»Wir haben nicht nur für unseren Block oder unserer Lager gearbeitet, sondern für ganz Israel.«

scheidender premier yair lapid

Gemessen an der kurzen Amtszeit dieser Regierung habe man außergewöhnliches erreicht, insgesamt 1613 Entscheidungen »in allen Lebensbereichen«. Man habe nicht nur »für unseren Block oder unser Lager gearbeitet, sondern für ganz Israel«.  

Lapid führte einige seiner Meinung nach größten Erfolge auf, darunter nach mehr als drei Jahren einen Staatshaushalt verabschiedet »und so eine Wirtschaftskrise vereitelt« zu haben. Außerdem sei die größte Koalition in der Geschichte des Landes gegen terroristische Infrastruktur vorgegangen, »auch sehr weit von Israels Grenzen entfernt«.

BEZIEHUNGEN »Wir haben Botschaften und Vertretungen in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Marokko und Bahrain eröffnet, das ›Negev-Forum‹ gegründet, die Beziehungen zur Türkei erneuert, die Beziehungen zu Ägypten und Jordanien repariert und mit dem Libanon ein historisches Abkommen über eine Seegrenze unterzeichnet.«

Lapid schloss mit den Worten: »Minister, es war mir eine Ehre, gemeinsam mit Ihnen diesem Land und seinen Bürgern zu dienen. Wir werden früher in diesem Raum zurück sein, als man denkt«.

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