Modemesse

Viel Chichi und wenig Stoff

Tel Avivs Comeback: Züchtig bedeckt zeigten sich Models auf den Laufsteg der Modewoche. Foto: getty

Es ging nicht gerade züchtig zu. Bei der ersten Modewoche in Israel seit mehr als einem Vierteljahrhundert blitzte, wo das Auge hinsah, blanke Haut. Viel Glanz, Glitter, Chichi und wenig Stoff bietet die Frühjahrs- und Sommer-Saison 2012. 18 internationale und einheimische Designer zeigten auf den Laufstegen an drei Tagen ihr Können mit Nadel und Faden. Noch ist Tel Aviv nicht Paris oder Mailand, doch Kenner sagen der israelischen Mittelmeermetropole ein glorreiches Fashion-Comeback voraus.

Dabei ist sie mitnichten Newcomer in Sachen Mode. Seit Jahrzehnten bereits ist die hipste Stadt in Nahost Tummelbecken von »Fashion Victims« wie Jungdesignern und Magnet für Herren und Damen, die Spaß an trendigen Fummeln haben. Auf der Sheinkin-, Bograschow- und King-George-Straße sowie im Chaschmal-Viertel reiht sich eine coole Boutique an die nächste.

Design Trendsetter hüllen sich in Kleider von noch unbekannten bis namhaften heimischen Designern wie Naama Bezalel oder Dorin Frankfurt und verwandeln die Straßen der Stadt jeden Tag in Outdoor-Laufstege. Die angesehene Shenkar-Schule für Design ist führend in ihrem Bereich. Allerdings fehlte seit Beginn der 80er-Jahre die passende Präsentationsplattform im Land.

Früher hatte es Shows mit internationaler Beteiligung gegeben, meist in Hotels im Zentrum, Eilat oder sogar Jerusalem, doch dann herrschte jahrzehntelang Stillstand. Höchste Zeit, dass Tel Aviv in die globale und trendsetzende Modeszene zurückkehrt, meinen Experten einhellig. Dafür braucht es eine regelmäßige Fashion Week – und nun ist sie da. Ab sofort soll sie zweimal jährlich stattfinden.

Der Präsident der Mailänder Fashion Week, Mario Boselli, zeigte sich angetan von Originalität und Kreativität. Da Tel Aviv und Mailand Partnerstädte sind, dürfen ab sofort fünf israelische Designer ihre Modelle in einer Gastperformance in der italienischen Mode-Hauptstadt vorstellen.

Star-Designer Am dreitägigen Happening in der ehemaligen Bahnstation Tachana im Süden Tel Avivs war als Ehrengast sogar einer der Modepäpste anwesend. Kein Geringerer als der italienische Star-Designer Roberto Cavalli war angereist, um seine neue Kollektion vorzustellen. Wie immer waren seine Entwürfe geprägt von funkelnder Eleganz. Und natürlich durfte der Leopardenprint nicht fehlen, für den er so berühmt ist. In Form von sexy Hosenanzügen und wehenden Abendkleidern war er den Models auf den Leib geschneidert, die mit katzengleicher Eleganz über den Laufsteg schritten.

Der 71-jährige Cavalli zeigte sich begeistert vom Wiederaufleben der trendigen Tradition im Heiligen Land. Mit seinem Markenzeichen, der getönten Sonnenbrille auf der Nase, gestand er: »Ich liebe es, zu sehen, wie modisch hier alle Leute sind.« Allerdings müsse Israel in Sachen Internationalität noch wachsen. »Die Leute sollen um die Welt reisen, nach Mailand, New York und Paris, um internationaler zu werden.« Schließlich gehe es bei Mode ja nicht nur darum, dass ein einziger Designer berühmt wird, sondern um die Wirtschaft des ganzen Landes.

Publikum Dass Tel Aviv das Potenzial hat, eine wahre Metropole der Haute Couture zu werden, davon ist der Italiener überzeugt. »Die Menschen hier sind so wunderschön und haben starke Köpfe. In denen steckt eine klare Vorstellung, was sie von Mode wollen.« Der Star-Designer besuchte das Land nicht zum ersten Mal. Dem begeisterten Publikum sagte er: »Israel ist in meinem Herzen.«

Dass auch Stas Misezhnikov daran liegt, das Land auf die Modelandkarte zurückzubringen, hat er seit seinem Amtsantritt bewiesen. Der israelische Tourismusminister mit Vorliebe für Glanz und Glamour brachte Film- und Serienstars aus Hollywood her, ließ die Hausfrau der US-Nation, Martha Stewart, in jüdische Kochtöpfe gucken. Natürlich hatte der umtriebige Minister auch bei diesem Event seine Finger im Spiel.

64 führende Mode- und Lifestyle-Journalisten aus allen Ländern lud Misezhnikov zur Neuauflage der Modewoche ein. Und sie kamen. Das wohl bekannteste Hochglanzmagazin Vogue schickte Vertreter aus Italien, Russland und Deutschland, Elle unter anderem aus Frankreich, Japan sowie Kanada. Und auch Fachleute des norwegischen und chinesischen Ablegers von Cosmopolitan wollten sich das israelische Modeereignis des Jahrhunderts nicht entgehen lassen.

Angebote »Das Tourismusministerium investiert beachtliche Summen, um neue Märkte zu erschließen«, erklärte Misezhnikov. »Wir wollen alle attraktiven Tourismusprodukte, die Israel bietet, publik machen.« Modeinteressierte folgten neuen Trends und seien »generell von kulturellen, historischen und unterhaltsamen Angeboten angezogen«, ist der Minister überzeugt, »und das alles vereint sich in Israel«.

Von den Kritikern wurde besonders die heimische Designerin Dorit Bar-Or gefeiert. Vor zwei Jahren wurde die Tel Aviverin, die gleichzeitig Schauspielerin ist, zur bestangezogenen Frau des Landes gekürt. Anschließend machte sie ihre Leidenschaft zum Beruf und hilft heute Geschlechtsgenossinnen mit ihrem Label »Pas pour toi«, genauso gut auszusehen wie sie.

Extrem freizügige Kreationen präsentierte der israelische Designer Yossef. Der wollte ursprünglich Tänzer werden. Bis er als Student aus Jux und Tollerei ein paar Klamotten für seine Mitbewohnerin entwarf. Als deren Freundinnen anfingen, bei ihm zu bestellen, war sein Weg in den Modeolymp des Landes geebnet.

Lady Gaga Bei manchem seiner Modelle hätte die exzentrische US-Popdiva Lady Gaga sicher im Doppelpack bestellt – wäre auch sie unter den 500 geladenen Gästen gewesen. In der Tachana ernteten einige der bikiniähnlichen Outfits aus metallischem Material, gepaart mit Masken und ausladenden Kopfbedeckungen, manches Mal allerdings eher Kopfschütteln als Applausstürme.

Anderes war tragbar und trendweisend. Für nicht sonderlich exhibitionistisch veranlagte Modeliebhaber ist in der kommenden Saison allerdings nicht viel dabei. Denn auf Unterwäsche setzten in Tel Aviv die wenigsten der Kreativen. Und auch sonst wurde überall an Stoff gespart. So schien jede Menge nackter Haut durch die transparenten Roben, hier ein Bein, da ein Busen. Die Erklärung der Designer: Hautzeigen ist im nächsten Frühjahr und Sommer einfach in.

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