Politik

Vetternwirtschaft in großem Stil

Termin vor Gericht: Über 30 Mitglieder von Israel Beiteinu sitzen derzeit entweder in Untersuchungshaft oder sind gegen Kaution auf freiem Fuß. Foto: Flash 90

Eigentlich hätte sie bei den Neuwahlen im März das Zünglein an der Waage sein können. Doch nun ist Israel Beiteinu (Unser Haus Israel) in einen Korruptionsskandal verwickelt, der die Partei in ihren Grundfesten erschüttert. 30 Parteimitglieder, darunter Abgeordnete in höchsten Regierungsposten, sitzen derzeit entweder in Untersuchungshaft oder sind gegen Kaution auf freiem Fuß. Während Vorsitzender Avigdor Lieberman erklärte, es handele sich um eine Hexenjagd, zeigte sich Generalstaatsanwalt Yehuda Weinstein ob des Ausmaßes der Vetternwirtschaft »schockiert«.

Auch der ehemalige Präsident Schimon Peres gab sich mehr als überrascht von den vermutlichen Ausmaßen des Skandals. »Dies ist ein Test für Israel«, sagte er im Israelradio. Und dabei, ließen die Ermittlungsbehörden durchblicken, seien noch gar nicht alle Fälle offengelegt.

Israel Beiteinu ist die Partei, die hauptsächlich von Einwanderern aus der ehemaligen Sowjetunion gewählt wird. Ihr Gründer Lieberman, eigentlich als Hardliner bekannt, machte selbst als junger Mann aus Russland Alija. Doch bei den anstehenden Wahlen am 17. März 2015 wollte sich Israel Beiteinu als neue Zentrumspartei positionieren. Anders als die Siedlerpartei Jüdisches Haus etwa hatte sie sich zusehends gemäßigt gegeben. Lieberman sprach sogar in aktuellen Interviews von der Bedeutung einer Zweistaatenlösung mit den Palästinensern.

Geldwäsche Doch nun ist das Programm der Partei gänzlich in den Hintergrund gerückt. Schlagzeilen macht dieser Tage einzig der Korruptionsskandal, an deren Spitze die stellvertretende Innenministerin Faina Kirshenbaum steht.

Ihr werden unter anderem Geldwäsche, Veruntreuung von öffentlichen Geldern im großen Stil sowie Bestechung und Bestechlichkeit vorgeworfen. Auch der ehemalige Tourismusminister Stas Misezhnikov (2009 bis 2013) sitzt derzeit in Untersuchungshaft. Er wird ebenfalls unter anderem der Bestechlichkeit verdächtigt. Misezhnikov soll zudem die Ermittlungen behindert und versucht haben, das Land zu verlassen. Doch die Polizei vereitelte seinen Fluchtversuch.

Ministerium Die Verdächtigen sollen sich nach ersten Informationen jahrelang an den verschiedensten öffentlichen Geldtöpfen bedient und mit besonderer Vorliebe »Freunde und Bekannte« in bedeutende Positionen gehievt haben. Von denen erwarteten sie anschließend loyale Dienste. So lief es nach Angaben des Generalstaatsanwaltes in verschiedenen Ministerien.

Kirshenbaum etwa wird verdächtigt, in den russischen Medien des Landes Anzeigen zum völlig überhöhen Preis gekauft und später die Differenz in bar erhalten zu haben. Außerdem soll sie Leiter verschiedener Behörden finanziell für ihre eigenen Zwecke »angezapft« haben. Parteivorsitzender Lieberman steht dieses Mal nicht unter Verdacht. Doch vor fünf Jahren sah er sich selbst massiven Korruptionsvorwürfen ausgesetzt. Obwohl das Verfahren damals aus Mangel an Beweisen eingestellt wurde, machte der Generalstaatsanwalt deutlich: Liebermans Weste ist nicht weiß.

Dennoch forderte er nun von den Behörden eine Erklärung, warum der Skandal gerade jetzt, so kurz vor der Wahl, ins Rampenlicht gelangte. »Das ist eine geplante Aktion, genau zeitlich abgestimmt«, beklagte er. Die Ermittlungen stimmten exakt mit der Wahlperiode überein.

Charakter Polizeichef Yochanan Danino erklärte jedoch, dass die Ermittlungen bereits sehr viel Zeit in Anspruch genommen hätten. »Sie begannen lange bevor klar war, dass es Neuwahlen geben wird.« Man müsse diese Arbeit sehr ernst nehmen, führte er fort, um sicherzustellen, dass »der Charakter des Staates Israel gewahrt« werde.

Vor nicht allzu langer Zeit ist auch Danino in den Schlagzeilen gewesen. Ihm wurde vorgeworfen, nicht die nötige Sorgfalt und den entsprechenden Aufwand bei der Verfolgung verschiedener Korruptions-Verdachtsfälle walten zu lassen. »Die Korruption im Land ist weitgehend erledigt«, hatte er damals gesagt.

Israel

Bernard-Henri Lévy sagt aus Protest Teilnahme an Konferenz in Israel ab

Der Schritt des französischen Philosophen erfolgte aus Protest gegen die Einladung der zwei rechten französischen Politiker Jordan Bardella und Marion Maréchal

von Michael Thaidigsmann  13.03.2025

Jerusalem/Genf

Nach Israel-kritischem Bericht: Netanjahu wirft UNHRC Antisemitismus vor

Ein UN-Bericht wirft Israel sexualisierte Gewalt gegen Palästinenser vor. Der Ministerpräsident spricht von einem »antiisraelischen Zirkus«

von Imanuel Marcus  13.03.2025

Geiseln

Avinatan lebt!

Es ist das erste Lebenszeichen der 32-jährigen Geisel. Seine Freundin, die befreite Noa Argamani, kämpft unermüdlich für ihn

von Sabine Brandes  13.03.2025

Vermisst!

Angekettet und allein

Alon Ohel wurde am 7. Oktober schwer verletzt und verschleppt

von Sabine Brandes  13.03.2025

Doha

Verhandlungen um Waffenruhe und Geiseln stocken

Die Gespräche kommen nicht voran. Welches Ziel verfolgen die Amerikaner?

 13.03.2025

Washington D.C.

Trump: Niemand will Palästinenser aus Gaza vertreiben

Der US-Präsident hat gesagt, die USA könnten den Gazastreifen besitzen und wiederaufbauen. Nun versicherte er, dass ihn aber niemand zwangsweise verlassen müsse

 13.03.2025

Nahost

Geisel-Familien fürchten Auswirkungen des Gaza-Stromlieferungsstopps

Israel hat die Stromzufuhr nach Gaza gekappt, um Druck auf die Hamas auszuüben. Angehörige der verschleppten Israelis haben bei Gericht eine Aufhebung dieses Beschlusses beantragt

 12.03.2025

Nahost

Israel und Libanon sprechen über Landgrenze

Nach einem Treffen, an dem auch die USA und Frankreich beteiligt waren, will Jerusalem mit dem Nachbarland strittige Themen erörtern

 12.03.2025

Geisel

»Zum Geburtstag schlug er mich mit einer Eisenstange«

Der 23-jährige Israeli Omer Wenkert schildert schockierende Details seiner Gefangenschaft in Gaza in einem ersten Interview

von Sabine Brandes  12.03.2025