An Auszeichnungen mangelt es Tel Aviv nicht: Es wurde zur Top-Ten-Strandstadt gekürt, ist eine der zwei innovativsten Metropolen der Welt, und der beliebteste Ort der internationalen Gay-Szene ist es sowieso. Doch die israelische Metropole will mehr. Die Verwaltung hat vor, ihre Stadt mit der Initiative »Tel Aviv Global & Tourism« zu einer der 20 führenden Städte weltweit zu machen. Einen kleinen Haken allerdings gibt es: Hebräisch.
Obwohl Straßenschilder heute fast im ganzen Land dreisprachig – auf Hebräisch, Arabisch und Englisch – gedruckt sind, sind noch immer viele Erklärungen ausschließlich auf Iwrit. Sogar in den Touristenzentren, etwa an der Promenade entlang des Stadtstrandes, sucht man Englisch häufig vergeblich. Orientierungsschilder, Parktarife, Buspläne oder Verhaltensregeln am Strand geben Touristen, die des Hebräischen nicht mächtig sind, nicht gerade das Gefühl, sich in einer Metropole am Mittelmeer zu befinden, ganz im Gegenteil.
Stadtverwaltung In den vergangenen zwei Jahrzehnten mauserte sich Tel Aviv in Riesenschritten vom hässlichen Entlein des Landes zu einem der beliebtesten Ziele für Touristen von überallher. »Lonely Planet« kürte sie zu einer der drei beliebtesten Anlaufstellen für Backpacker überhaupt. Und noch ist die Stadt nicht angekommen. Im Gegenteil: »Wir haben noch viel vor«, lautet die Devise der Stadtverwaltung; Tel Aviv solle wahrhaft »global« werden. Durch die im Jahr 2010 ausgerufene Initiative Global & Tourism sind unter anderem die Promenade ausgebaut, das alte Templerviertel zur hippen Ausgehmeile umgestaltet und die ursprüngliche Bahnstation »Tachana« in einen viel besuchten Shopping- und Restaurantkomplex verwandelt worden.
Auch das kosten- und kabellose Internet (Wifi) im gesamten Zentrum der Stadt und am Strand gehört zum Projekt. Wo in anderen Städten extra ein Café besucht werden muss, kann man in Tel Aviv sogar auf der Parkbank oder von der Strandliege aus im Netz surfen. 80 Hotspots sorgen für einen störungsfreien Betrieb, und auf der Website der Stadtverwaltung finden Gäste gleich ein kompaktes Informationsangebot auf Englisch.
Besucher Ben und Cary Sheinman halten das für »einen wahrhaften Touristenservice«. Das australische Ehepaar befindet sich auf einer Reise durch den Fernen und Nahen Osten. In Israel sind sie zum ersten Mal. Und ihr Enthusiasmus kennt kaum Grenzen. »Das war die abwechslungsreichste Woche unseres ganzen Trips«, schwärmt Cary, »wir haben viele Länder gesehen und Aufregendes erlebt, aber nichts kam an Israel heran«. Nun will das Ehepaar drei Tage in Tel Aviv verbringen, »um Nachtleben und Kultur zu genießen«.
Probleme, sich zurechtzufinden, haben die Sheinmans keine, hebräische Schilder empfinden sie nicht als Hürde. »Natürlich gibt es öfter etwas, das für uns nicht zu entziffern ist«, meinen sie, »aber das gehört doch zum Abenteuer einer Auslandsreise dazu. Wenn alles so ist wie daheim, dann kann man ja gleich da bleiben.« Das spricht dem Tel Aviver Kioskbesitzer Schaul Nathan aus der Seele. Der hat nichts gegen Englisch oder Besucher, meint aber, dass Tel Aviv schließlich die erste hebräische Stadt war. »Und das soll doch bitte auch so bleiben.«
Allerdings, geben die begeisterten Sheinmans zu, »ist Busfahren nicht unser Ding, denn da ist tatsächlich nichts übersetzt. Wir sind schon zweimal irgendwo angekommen, wo wir wirklich nicht hinwollten. Und wenn das am Schabbat passiert, ist es nicht so lustig«. Sogar die gelobte Auskunftsfreudigkeit der Israelis stoße hier oft an ihre Grenzen. »Ich bin mir sicher, dass die meisten, die hier wohnen, auch nicht wissen, wohin die Busse fahren«, erklärt Ben mit einem Schmunzeln.
manko Man habe keinen Einfluss auf Dan, die Gesellschaft des öffentlichen Nahverkehrs, auch nicht darauf, wie sie etwas schreiben, betont die Stadtverwaltung. Allerdings habe man von Touristen bislang noch nicht gehört, dass das tatsächlich ein Manko darstellt.
Die Verkehrsregelungen hingegen kritisiert Stacey Davis. Die Besucherin aus Los Angeles mietete ein Auto, um sich das Heilige Land auf eigene Faust anzusehen. »Ich habe bei der Abholung bei der Mietwagenfirma nachgefragt, wie das hier mit dem Parken ist, und die meinten nur, es sei kein Problem.« Die Realität aber sah anders aus: Schon an ihrem ersten Abend in Tel Aviv verpasste ein Angestellter der Stadtverwaltung der jungen Frau ein fettes Knöllchen, weil sie ohne Parkschein am blau-weißen Bürgersteigrand parkte. »100 Schekel muss ich jetzt zahlen, und ich weiß nicht einmal wofür, weil ich es nicht lesen kann«, ärgert sich Davis.
Tatsächlich ist sämtliche Beschilderung für das Parken außerhalb von gebührenpflichtigen Parkplätzen ausschließlich auf Hebräisch – und für Nichtkenner der Sprache unmöglich zu verstehen. Die Verwaltung kündigte jedoch an, in Kürze Erklärungsblätter in verschiedenen Sprachen an die Autovermietungen zu verteilen. Auch soll es bald die Möglichkeit geben, Parkscheine im Internet per Kreditkarte zu kaufen.
Alle befragten Besucher bescheinigten den Israelis übrigens eine ausgezeichnete Auskunftswilligkeit. Wie Pilar Rodriguez: »Die Leute hier sind nicht nur wahnsinnig hilfsbereit und freundlich, sondern auch fähig. Sie sprechen super Englisch, und oft noch eine zweite oder dritte Fremdsprache dazu. Das habe ich noch nie in irgendeinem Land erlebt.« Schon gar nicht sei das in ihrer Heimat Spanien der Fall. Ein paar mehr Beschreibungen in Englisch wären schon schön, findet die Besucherin aus Madrid, »doch eigentlich lernt man Land und Leute doch viel besser kennen, wenn man sich einfach durchfragt«.