Bäume werden entwurzelt, Reifen zerstochen, rassistische Parolen an Moscheewände geschmiert. Seit einigen Wochen bereits wüten jüdische Extremisten gegen Araber in Israel. Das Motto: Tag Mechir – Preisschild. Justizministerin Zipi Livni rief für Mittwoch eine Sondersitzung des Kabinetts ein, um Maßnahmen der Regierung zu besprechen, die der rassistisch motivierten Gewalt ein Ende setzen sollen.
In den vergangenen Tagen häuften sich die Übergriffe gegen arabische Einrichtungen im Kernland von Israel. Etwa in der vergangenen Woche in Fureidis, einer arabischen Kleinstadt eine Stunde nördlich von Tel Aviv. Die Wände der Moschee wurden mit Sätzen wie »Wir werden statt Moscheen Jeschiwot bauen« oder »Alle Araber sind Kriminelle« beschmiert. Vandalen zerstachen auch die Reifen mehrerer geparkter Fahrzeuge von Anwohnern.
Aus Protest trat die 12.000-Seelen-Gemeinde am folgenden Tag in einen Generalstreik. Öffentliche Einrichtungen und Geschäfte blieben geschlossen, die meisten Leute gingen nicht zur Arbeit. Es herrscht Wut in dem Ort, in dem regelmäßig Massen jüdischer Israelis auf dem Weg in den Norden zum Hummus-Essen haltmachen. Gemeindevorsteher Yonas Marai sagte im Armeeradio: »Sie haben viele Dinge an unsere Wände geschmiert. Aber wir leben hier in einem demokratischen Staat, dem Staat Israel. Dies ist nicht das Westjordanland und nicht Gaza.«
Demonstration Am Abend nach der Tat gingen in Fureidis rund 1500 Menschen in einer friedlichen Demonstration auf die Straße. Es waren nicht nur Araber. Viele Juden aus der benachbarten Stadt Zichron Yaakov und umliegenden Dörfern hatten sich zu ihnen gesellt, um deutlich zu machen: »Ihr seid unsere Nachbarn, wir sind gegen diese Gewalt.« Der Polizeichef im Norden, Hagai Dotan, nannte die Übergriffe »schwerwiegend«. Sicherheitsminister Yitzhak Aharonovitch besuchte den Ort im Anschluss und bekräftigte: »Ich werde diese Hooligans auch weiterhin als Terroristen bezeichnen – denn genau das sind sie.«
Auch Staatspräsident Schimon Peres verurteilte bei einem Besuch in Fureidis am Dienstag die Anschläge. »Als Präsident bitte ich im Namen aller Israelis um Entschuldigung. Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um die guten nachbarschaftlichen Beziehungen zwischen Juden und Arabern in der Stadt und der Umgebung zu bewahren«, sagte Peres. »Wir werden die Schuldigen finden und bestrafen. Diese feigen Verbrechen sind mit jüdischen Werten unvereinbar, sie richten sich gegen unsere Weltsicht und gegen die Interessen aller Israelis«, fügte der Präsident hinzu.
Graffiti »Heute Morgen bin ich inmitten von Rassismus und Hass aufgewacht«, schrieb Zipi Livni auf ihrer Facebook-Seite über die Tat. »Ich schäme mich. Jeder, der so etwas tut, gehört nicht zu meiner Nation.« Die Justizministerin wolle, schrieb sie, persönlich dafür sorgen, dass die Täter gefunden und verurteilt werden und harte Strafen absitzen müssen. Doch Livni irrt. Zum einen sind die Aggressoren sehr wohl Bewohner desselben Staates, wie die Polizei schon lange weiß. Zum anderen scheinen die Sicherheitskräfte nicht besonders interessiert zu sein, die Straftaten aufzuklären.
Das glauben zumindest zwei, die es wissen müssen. Die ehemaligen Geheimdienstchefs Carmi Gillon und Schabtai Schavit kritisierten die Verantwortlichen für ihr Nichtstun. »Wir sehen keine Ergebnisse, weil wir keine sehen wollen«, sagte Ex-Inlandsgeheimdienstleiter Gillon. »Es gibt beim Schin Bet kein ›Wir können nicht‹, nur ein ›Wir wollen nicht‹.« Sein Kollege vom Mossad, Schavit, unterstrich die Vorwürfe: »Israel ist ein Rechtsstaat, der seine eigenen Gesetze nicht umsetzt.«
Das Wort »Preisschild« war vor einigen Jahren in der jüdischen Siedlung Yizhar aufgekommen, die für gewalttätige Übergriffe auf benachbarte Palästinenser traurige Berühmtheit erlangte. Als Reaktion auf das, was die Siedler als »araberfreundliche Regierungspolitik« bezeichnen, zündeten sie Olivenbäume, Autos und Moscheen der benachbarten arabischen Dörfer an, während von den Wänden noch die frische Farbe des Wortes »Tag Mechir« tropfte.
Die hasserfüllten Aktionen blieben nicht lange auf das Westjordanland beschränkt. Schnell schwappten sie über die Grüne Grenze, zuallererst nach Jerusalem, wo sie auf fruchtbaren Boden fielen. Doch auch die arabischen Ortschaften Um-Al-Fachem, Jaljulia, Kafr Akbara, Kafr Kasim und Baka-Al-Garbije meldeten rassistische Graffiti und Beschädigungen von Eigentum. In der zweitgrößten arabischen Stadt Israels, Um-Al-Fachem, versuchten die Gewalttäter, die Moschee in Brand zu setzen.
Priester Oft sind es Teenager, die sich – angestachelt von Älteren – gegen arabische Einwohner wenden. Jeder, der in ihren Augen anders ist als sie, stellt eine potenzielle Bedrohung für den jüdischen Staat dar. Am Montag bespuckten und beschimpften drei jüdische Mädchen in Jerusalem einen vorbeigehenden Priester. Der rief die Polizei, welche die Teenager festnahm. In ihren Taschen fanden sie Israelfahnen mit der Aufschrift »Tag Mechir« und »Rache«.
Auch in dem gemischt jüdisch-arabischen Ort Schfaram machten junge Leute mit Farbe und Pinsel auf sich aufmerksam. Doch ihr Motiv war nicht Aufrechnung, sondern der Wunsch nach Verständigung. Mitglieder der jüdisch-arabischen Organisation Schutafut-Sharakah arbeiteten Hand in Hand, um die alte Synagoge in ihrer Stadt zu renovieren – und damit ebenfalls ein Exempel zu statuieren: gegen Rassismus und Hass.