Zwei machten sich auf, die Ehre Israels zu retten. Außenminister Avigdor Lieberman und sein Vize Danny Ayalon. Man müsse die Türkei, die so auf dem jüdischen Staat herumtrampele, einmal ordentlich zurechtweisen. Doch das Duo hatte die Rechung ohne diejenigen gemacht, denen ihre Mission Ehrenrettung galt – und sich auf ganzer Linie verrechnet. Einmal mehr steht Israel nun als maßloser Missetäter im grellen Licht der Öffentlichkeit, Ayalon musste sich bei den Türken entschuldigen. Lieberman ist mittlerweile berüchtigt für seine Fehltritte auf dem außenpolitischen Parkett. Mit der inszenierten Beleidigung des türkischen Botschafters Anfang vergangener Woche (vgl. Jüd. Allg. v. 14. Januar) aber schaffte er den diplomatischen Super-Gau.
Der Film zur antisemitisch angehauchten Serie »Tal der Wölfe« hatte das Fass für Israels obersten Diplomaten zum Überlaufen gebracht. Zuerst wurden im türkischen Fernsehen Soldaten der IDF als Mörder palästinensischer Kinder dargestellt, im Film nun waren als Mossadagenten aufgemachte Schauspieler unterwegs, um Babys zu entführen. Zuvor hatte der türkische Premierminister Recep Tayyip Erdogan Israel wiederholt mit ungewohnt scharfen Worten angegriffen und einseitig dessen Politik im Gasastreifen verurteilt. Wobei er Kritik an palästinensischen Bomben und Terrorismus schuldig blieb.
Stühle Auch der jüdische Staat bildet diplomatisches Personal aus, das sich genauso an die internationalen Gepflogenheiten zu halten hat wie jedes andere Land. Mit einem solchen Chef aber sei das bisweilen schwierig, war jüngst aus der Schule für Diplomaten zu hören. »Der Außenminister macht alle möglichen Kommentare«, sagte ein Kadett unter der Bedingung, anonym zu bleiben, bei einem anderen Vorfall. »So ist er halt, er will provozieren. Glücklicherweise aber gibt es in unserem Land Gesetze, sodass eine Person nicht einfach die ganze Welt mit einem Spruch ändern kann.«
Dass Lieberman seinen Stellvertreter anwies, den türkischen Gesandten auf einen niedrigen Stuhl zu setzen und auf den Tisch lediglich eine israelische Fahne zu stellen, passt zu ihm. Tönte er doch kurz darauf: »Wenn die Türkei unsere Ehre nicht wahrt, müssen wir das auch nicht.« Dass Ayalon diese Show mitmachte, wundert Insider jedoch. Ist er doch ein eingefleischter Diplomat, der lange für Israel in den USA war und die Regeln aus dem Effeff beherrschen müsste. Will man einen Diplomaten wegen einer Angelegenheit einbestellen, die das Gastland verärgert, wird das meist zwischen dem stellvertretenden Botschafter und dem Generaldirektor im Außenministerium ausgemacht. Das Wichtigste: Die Gespräche werden privat abgehalten und sicher nicht, wie in diesem Fall, mit extra geordertem Fernsehteam.
Politik Kenner der politischen Szene gehen davon aus, dass Ayalon Lieberman beerben will, sollte der wegen der andauernden Ermittlungen um Korruption seinen Hut nehmen müssen. »Mit dieser Aktion aber ist er politisch tot«, munkelt man innerhalb seiner Partei, der rechtsgerichteten »Israel Beiteinu«. Zwar entschuldigte sich Ayalon mittlerweile zweimal, und die Türkei nahm an, doch der Schaden ist da. Mittlerweile trat der Vize im Außenministerium sogar nach: Sollte die Serie, die inzwischen abgesetzt ist, wieder gesendet werden, könnte es sein, dass der Botschafter ausgewiesen werde.
Reaktion Von einem »Fehler eines Mannes, nicht einer gesamten Nation«, sprach Staatspräsident Schimon Peres. Besonders hinter den Kulissen bemüht man sich darum, die Risse in der Beziehung zu kitten: Eine Gruppe von 17 Knessetmitglieder verfasste einen Entschuldigungsbrief an den politischen Verbündeten. Unter der Oberfläche jedoch scheinen die Gefühle, hüben wie drüben, tief verletzt.
Industrie- und Handelsminister Benjamin Ben-Eliezer ist vom Verhalten Ayalons entsetzt. »Respekt gegenüber Israel wird nicht dadurch erzeugt, dass man einen Botschafter beleidigt. So etwas bringt lediglich Schaden«, sagte er im Armeeradio. Ben-Eliezer hat seine Art, mit Unstimmigkeiten umzugehen: »Als ich mich mit den Türken traf, habe ich ihnen gesagt, was zu sagen ist – privat.« Israel hätte genug Probleme mit der moslemischen Welt und muss sich nicht zudem mit einem Staat anlegen, in dem 72 Millionen Muslime leben.
Auch er zieht die Strippen ohne Publikum: Daniel Zemet, Vizepräsident des Israelisch-Türkischen Geschäfts- und Handelsrates, spricht oft mit türkischen Partnern, auch über die aktuelle Krise. Er erklärt, lenkt ein. »Doch es wird wohl nicht mehr so werden, wie es einmal war. Leider.« Zemet betont die lange Freundschaft der Staaten, die bereits in osmanischer Zeit begann. »Auf einmal aber haben wir das Gefühl, betrogen zu werden. Fast wie von einem Liebhaber.« Er ist der Meinung, dass die wiederkehrenden harschen Worte Erdogans die Israelis zutiefst irritieren. »Es ist klar, dass sich Erdogan an Syrien und den Iran annähert, und damit geht diese Verbindung mit Israel so nicht mehr. Das ist die neue Realität.«
Er hofft, dass der positive Ausgang der Visite von Verteidigungsminister Ehud Barak die Versöhnung einläutet. Denn Israel sei praktisch, wenn es um Politik geht. »Wir wollen, dass die Beziehungen wieder in Ordnung sind«, resümiert der Handelsexperte. »Hoffen wir, dass es nur ein Zwist zwischen zwei Liebenden war und das Verhältnis nicht gänzlich endet.«