Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat die Entscheidung der Vereinten Nationen, den Internationalen Gerichtshof (IGH) um eine Stellungnahme zur Rechtmäßigkeit der israelischen Politik im Westjordanland und in Ost-Jerusalem zu bitten, scharf kritisiert. Er nannte das Votum »verabscheuungswürdig«.
»Das jüdische Volk ist weder Besatzer auf seinem eigenen Land noch Besatzer in unserer ewigen Hauptstadt Jerusalem, und keine UN-Resolution kann diese historische Wahrheit verzerren«, sagte er in einer Videobotschaft.
SCHABBAT Die UN-Generalversammlung hatte am späten Freitag – nachdem der Schabbat begonnen hatte – dafür gestimmt, einen Antrag auf ein Gutachten des IGH in Den Haag zur israelischen Besetzung des Westjordanlandes zu stellen. Der Antrag war mit 87 zu 26 Stimmen und 53 Enthaltungen angenommen worden.
Das Gutachten soll sich speziell auf die Frage konzentrieren, ob die Besetzung eine vorübergehende Realität ist, die Israel durch Verhandlungen lösen will, oder eine dauerhafte und andauernde Situation, die einer De-facto-Annexion des besetzten Gebiets gleichen würde. Die Generalversammlung bat zudem um eine Meinung darüber, wie sich die gesamte israelische Politik auf den rechtlichen Status ihrer Präsenz auswirkt, »und welche rechtlichen Konsequenzen sich aus diesem Status für alle Staaten und die Vereinten Nationen ergeben«.
Es wird erwartet, dass das Gericht Gutachten von Dutzenden von Ländern einholt, bevor es seine Stellungnahme abgibt, die in einigen Monaten erwartet wird.
MEINUNG Es handelt sich um ein Verfahren, bei dem sich die UN ohne Zustimmung der betreffenden Länder in einer bestimmten Angelegenheit an das Gericht wenden und dieses daraufhin einen Bericht verfasst, in dem es seine Position zum Thema darlegt. Die Urteile des Gerichts sind zwar nicht bindend, beeinflussen allerdings die internationale Meinung. Zuletzt befasste sich der IGH 2004 mit dem Nahostkonflikt, als die Versammlung ihn aufgefordert hatte, die Rechtmäßigkeit einer von Israel gebauten Trennmauer zu prüfen.
Israelische Vertreter sprachen nicht auf der Versammlung vom vergangenen Freitag, doch Botschafter Gilad Erdan hatte die Maßnahme zuvor in einer schriftlichen Erklärung als »empörend«, die UN als »moralisch bankrott und politisiert« und jede mögliche Entscheidung des Gerichtshofes als »völlig illegitim« bezeichnet.
Die Palästinenser begrüßten das Votum. Deren Botschafter Riyad Mansour dankte den Ländern, die die Maßnahme unterstützten und sagte im Anschluss an die Abstimmung: »Unser Volk hat ein Recht auf Freiheit.«
SOUVERÄNITÄT Ein Mitglied der rechtesten Koalition in Israels Geschichte, die in der vergangenen Woche vereidigt wurde, ließ wissen, dass Israels Besetzung dauerhaft sei - zumindest »ab sofort«. Der Parlamentarier der Rechtsaußenpartei Otzma Yehudit, Zvika Fogel, erklärte, er wolle, dass Israel weiterhin die Souveränität über das Territorium ausübe, und führte aus, dass dies die Rechte Israels »schützen« würde.
Jerusalem hatte viele Gespräche mit anderen Staaten über dieses Thema geführt. Der frühere Premierminister Yair Lapid habe persönlich etwa 60 Staats- und Regierungschefs in der ganzen Welt kontaktiert, hieß es in israelischen Medien, während Präsident Isaac Herzog mit vielen Amtskollegen sprach. Auch der neue Premier Netanjahu wirkte nach eigenen Angaben mit. »Jetzt, nach unserer Intervention, haben elf Länder ihre Meinung geändert«.