Diplomatie

USA äußern Vorbehalte gegen rechtsextremen Verteidigungsminister

Höchst umstritten: Bezalel Smotrich, der Vorsitzende des Bündnisses Religiöser Zionismus Foto: Flash90

Die USA mischen sich angeblich in die Regierungsbildung in Jerusalem ein. Das berichten mehrere israelische Medien. Demzufolge habe der US-Botschafter in Israel, Tom Nides, dem designierten israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu zu verstehen gegeben, dass sich die Regierung in Washington gegen die Besetzung des Verteidigungspostens mit dem rechtsextremen Bezalel Smotrich ausspricht.

Nides habe Smotrich nicht namentlich genannt, doch klargemacht, das Weiße Haus erwarte, dass »die Ernennung des Verteidigungsministers mit Sorgfalt und Überlegung erfolgen sollte und auf eine Weise, die die engen Beziehungen zwischen Israel und den USA berücksichtigt«. Netanjahus Büro bestätigte, dass das Treffen stattgefunden habe, jedoch nicht entsprechende Äußerungen.

koalition Die Verhandlungen zu einer Koalition aus dem rechtsgerichteten Likud, den zwei ultraorthodoxen Parteien Schas und Vereinigtes Tora-Judentum sowie dem rechtsradikalen Religiösen Zionismus sind offensichtlich ins Stocken geraten. Kommentatoren gehen davon aus, dass Smotrich den Druck auf Netanjahu erhöht hat, um das zweitwichtigste Amt nach dem des Premiers zu bekleiden.

Smotrich, ein Anwalt von Beruf, verfügt über nahezu keine Erfahrungen im Verteidigungsbereich. Viele auf diesem Posten, wie der ausgehende Benny Gantz beispielsweise, waren Stabschefs der IDF. Smotrich hat im Alter von 28 Jahren lediglich 14 Monate in der Armee gedient. Darüber hinaus unterstützt er die Ausweitung jüdischer Siedlungen auf Palästinensergebiet, ein äußerst umstrittenes Thema bei den Beziehungen zwischen den USA und Israel.

Die Nachrichten-Webseite Walla schreibt, Netanjahu soll Smotrich erklärt haben, Israel müsse in Bezug auf Sicherheit und Diplomatie für den Rest von Bidens Amtszeit gemäßigt handeln.

Der Religiöse Zionismus antwortete auf den Bericht über die Einwände der USA mit einer Erklärung, dass man »viel Respekt und Wertschätzung für unseren US-Verbündeten« habe, aber dass die Regierung von US-Präsident Joe Biden die israelische Demokratie respektieren und sich nicht in die Bildung einer gewählten Regierung einmischen solle.

Dann führte er aus: »Eine souveräne Nation kann einem ausländischen Diktat nicht zustimmen, das die Sicherheit Israels gefährden und jüdischen Siedlungen in Judäa und Samaria schaden würde.« Judäa und Samaria sind die biblischen Bezeichnungen für das Westjordanland. Das Bündnis holte bei den Wahlen am 1. November 14 Mandate.

Sollte Netanjahu Smotrich das Verteidigungsministerium nicht geben, hat der rechtsextreme Parlamentarier angeblich auch den Posten des Finanzministeriums im Auge. Der designierte Premierminister neigt jedoch Berichten zufolge dazu, diesen dem Chef der ultraorthodoxen Schas-Partei, Aryeh Deri, zu übertragen.

AUTORITÄT Die Nachrichten-Webseite Walla schrieb, Netanjahu soll Smotrich erklärt haben, dass Israel in Bezug auf Sicherheit und Diplomatie für den Rest von Bidens Amtszeit gemäßigt handeln müsse, insbesondere in Bezug auf das Westjordanland. Smotrich aber habe dies nicht akzeptiert und soll angeblich klargemacht haben, dass er sogar dann die Autorität in Bezug auf die jüdischen Siedlungen übernehmen wolle, wenn er den Chefsessel im Finanzministerium akzeptiere.

Angeblich drohe er sogar damit, der Koalition nicht beizutreten, wenn der Religiöse Zionismus nicht durch ministeriale Posten in der Lage wäre, die Agenda voranzutreiben, für die er gewählt wurde, so Walla. Die jüngsten Nachrichten besagen, dass Netanjahu die Treffen, die am Mittwoch mit dem Religiösen Zionismus geplant waren, abgesagt hat.

Nachruf

Keine halben Sachen

Die langjährige Israel-Korrespondentin der WELT, Christine Kensche, ist gestorben. Ein persönlicher Nachruf auf eine talentierte Reporterin und einen besonderen Menschen

von Silke Mülherr  10.01.2025

Nahost

Katz fordert Plan für Hamas-Niederlage

Sollten die Geiseln nicht bis zum 20. Januar freigelassen werden, will der israelische Verteidigungsminister eine komplette Zerschlagung der Terrorgruppe

 10.01.2025

Nachruf

Eine unabhängige Beobachterin mit Herzensbildung

WELT-Chefredakteur Jan Philipp Burgard nimmt Abschied von Israel-Korrespondentin Christine Kensche

von Jan Philipp Burgard  10.01.2025

Israel

Armee erklärt Hamas-Geisel Hamza Ziyadna (23) für tot

Erst am Mittwoch wurde die Leiche seines Vaters im Gazastreifen geborgen

 10.01.2025

Nahost

Biden: Hamas steht einer Vereinbarung im Weg

Dennoch glaubt der scheidende US-Präsident daran, dass ein Abkommen über eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln der Hamas noch vor dem Ende seiner Amtszeit erlangt werden kann

 10.01.2025

Libanon

Ist die Wahl Joseph Aouns ein Zeichen der Hoffnung?

Es hat mehr als zwei Jahre und mehr als ein Dutzend Versuche gebraucht. Nun hat der Libanon endlich wieder einen Präsidenten. Kommt nun der lang erhoffte Neustart?

von Amira Rajab  09.01.2025

Nahost

Iranischer General: »Wir haben schweren Schlag erlitten«

Zum ersten Mal gibt ein hochrangiger Offizieller aus Teheran zu, dass der Fall von Bashar al-Assad das Regime geschwächt hat

von Sabine Brandes  09.01.2025

Polen

Duda würde Netanjahu nicht verhaften lassen

Am 27. Januar jährt sich die Befreiung von Auschwitz zum 80. Mal. Kommt der israelische Ministerpräsident trotz eines Haftbefehls gegen ihn?

 09.01.2025

München

Bayern-Torwart Peretz fällt vor Gladbach-Spiel mit schmerzhafter Nierenquetschung aus

Droht den Bayern beim Gladbach-Spiel ein Torwartproblem? Zuletzt fehlte Manuel Neuer, jetzt ist auch noch dessen Vertreter verletzt

 09.01.2025