Krieg

Unter Schock

Die verstörenden Bilder aus dem israelischen Grenzgebiet zum Gazastreifen sind wie aus einem Albtraum. Sie sind schlimmer, als man es sich je hätte ausdenken können.

Terroristen der Hamas feuern - für die israelischen Sicherheits- und Geheimdienste überraschend massenhaft – aus dem Küstenstreifen am frühen Samstagmorgen Tausende von Raketen auf israelische Ortschaften.

Gleichzeitig dringen zahlreiche bewaffnete palästinensische Terroristen über Land, See und Luft am Feiertag Simchat Tora nach Israel vor, obwohl die Sperranlage als besonders streng gesichert gilt.

Mindestens 700 Israelis werden ermordet und mehr als 2200 verletzt, als die Angreifer in verschiedene Ortschaften im Grenzgebiet eindringen und sich dort auch mit Geiseln in Häusern verschanzen. Es wurden auch mehrere Israelis in den Gazastreifen verschleppt, bestätigte ein Militärsprecher.

Netanjahu: Wir befinden uns im Krieg

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte zu Beginn einer Sitzung des Sicherheitskabinetts in Tel Aviv: »Seit heute Morgen befindet sich der Staat Israel im Krieg.« Das Land wurde nach Militärangaben auch offiziell in Kriegsbereitschaft versetzt, Tausende Reservisten einberufen.

Die israelische Armee nannte ihre Verteidigungsaktion »Iron Swords« (Eisenschwerter). Ein israelischer Repräsentant warnte, die im Gazastreifen herrschende islamistische Terror-Organisation Hamas habe mit ihrem Großangriff auf Israel »die Tore zur Hölle« geöffnet.

Ein verwundeter Israeli wird in Beer Sheva in ein Krankenhaus gebracht.Foto: Copyright (c) Flash 90 2023

Erstes Ziel sei nun, »das Gebiet von den feindlichen Truppen zu säubern, die eingedrungen sind«, sagte Netanjahu. Die Hamas werde für die Attacke einen »immensen Preis« zahlen, kündigte er an. Außerdem sei es wichtig, weitere Fronten zu sichern, »damit niemand den Fehler begeht, in diesen Krieg einzutreten«. Israels Armee sicherte vor allem die Nordgrenze aus Sorge vor einem möglichen Angriff der libanesischen Terror-Miliz Hisbollah.

Die Kampfhandlungen dauerten in der Nacht weiter an. Gegen mehrere Städte, darunter die Küstenmetropole Tel Aviv, gab es am Abend heftige Raketenangriffe mit mehreren Verletzten.

Als eine Reaktion auf den Angriff mit 2220 Raketen bombardierten israelische Kampfflugzeuge Hamas-Ziele im Gazastreifen, um den jüdischen Staat und seine Bürger zu schützen.

Israelische Soldaten suchen in Sderot nach palästinensischen Terroristen.Foto: Copyright (c) Flash 90 2023

Hamas kündigt Militäroperation an

Die von der EU, den USA und Israel als Terrororganisation eingestufte Hamas sprach von einer »Militäroperation« gegen Israel. Militärchef Mohammed Deif sagte, man habe beschlossen, angeblichen »israelischen Verbrechen« - wie er es nannte - ein Ende zu setzen.

Deif gilt seit Jahrzehnten als »Phantom«. Israel hatte nach Medienberichten immer wieder vergeblich versucht, ihn zu töten. Im Gaza-Krieg 2014 hatte das israelische Militär Deifs Haus angegriffen, dabei kamen seine Frau und sein kleiner Sohn ums Leben. Deif selbst konnte damals entkommen.

Stundenlange Raketenangriffe

Wegen der Raketenangriffe heulten in verschiedenen Städten Israels immer wieder die Warnsirenen, wie die Armee mitteilte. Auch in Tel Aviv und Jerusalem war mehrmals Raketenalarm zu hören. In Tel Aviv wurde unter anderem ein Haus getroffen.

Das Militär rief die Einwohner der südlichen und zentralen Landesteile auf, in geschützten Bereichen zu bleiben. Verteidigungsminister Joav Galant erklärte eine besondere Sicherheitslage im Umkreis von bis zu 80 Kilometern vom Gazastreifen.

In zahlreichen Städten in Israel, wie hier in Aschkelon, schlugen am Samstag Raketen der Hamas ein.Foto: Copyright (c) Flash 90 2023

Internationale Solidarität mit Israel

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel verurteilten den Angriff. Die Vereinigten Staaten stellten sich klar an die Seite des jüdischen Staates.

Das Mullah-Regime im Iran gratulierte der Hamas dagegen und sprach von einem »Wendepunkt« des bewaffneten Widerstands gegen Israel.

Zuletzt wieder gewaltsame Proteste an der Gaza-Grenze

Die offenbar länger vorbereiteten Attacken aus dem Gazastreifen kamen für Israel unerwartet. Die israelische Armee war davon ausgegangen, dass die Hamas gegenwärtig kein Interesse an einem neuen Waffengang hat. Nicht zuletzt, weil mehrere Kriege mit Israel in den vergangenen 15 Jahren verheerende Auswirkungen auch für die zwei Millionen Menschen im Gazastreifen hatten.

Die Hamas hatte 2007 gewaltsam die alleinige Macht an sich gerissen. Israel verschärfte daraufhin eine Blockade des Küstengebiets, um sich vor dem Terror der Hamas zu schützen. Ägypten trägt dies mit.

An der Grenze zum Gazastreifen war es im vergangenen Monat wieder mehrfach zu gewaltsamen Protesten gekommen. Dabei wurden Sprengsätze auf Soldaten geworfen, mehrere Palästinenser wurden durch Schüsse verletzt. Die israelische Luftwaffe griff wegen der Vorfälle Hamas-Posten an.

Angespannte Lage im Westjordanland als Ablenkung

Dennoch lag das Augenmerk des israelischen Militärs vor allem auf dem Westjordanland, wo sich die Lage zuletzt weiter zugespitzt hatte. Seit Donnerstag waren dort vier palästinensische Terroristen bei eigenen Anschlägen oder Konfrontationen mit der Armee getötet worden.

Die Sicherheitslage in Israel und dem Westjordanland ist seit etwa eineinhalb Jahren sehr angespannt. Seit Jahresbeginn wurden 27 Israelis, eine Ukrainerin und ein Italiener bei Anschlägen getötet.

Angriff geschah am 50. Jahrestag des Jom-Kippur-Krieges

Besonders symbolisch ist, dass der Hamas-Überraschungsangriff genau 50 Jahre nach dem Jom-Kippur-Krieg von 1973 erfolgte. Der damalige überraschende Angriff feindlicher arabischer Staaten auf Israel am höchsten jüdischen Feiertag galt bisher als das schwerste nationale Trauma des Landes.

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