Die Dollarscheine wurden jeden Monat von Ramallah im palästinensischen Westjordanland aus per Truck nach Gaza gefahren. Tatsächlich in bar. Das ist nur einer von vielen Beweisen für den Anwalt Gavi Mairone aus New York. Er vertritt mit seiner Anwaltskanzlei 101 Opfer des Hamas-Terrors am 7. Oktober 2023 und hat in deren Namen Klage vor einem US-Bundesgericht gegen UNRWA eingereicht, das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge. Mairone sieht es als erwiesen an, dass die UNRWA wegen Beihilfe zum Terrorismus vor Gericht gestellt werden muss.
Die 167 Seiten starke Zivilklage nennt sieben frühere und aktuelle UNRWA-Leiter, darunter Philippe Lazzarini, als Beschuldigte. Die Klageschrift dokumentiere mehr als ein Jahrzehnt des mutmaßlichen Betrugs und der Korruption bei der über die Vereinten Nationen verteilten Hilfe für Gaza, erklärt Mairone. »Sie liefert Details, wie die UNRWA eine Milliarden-Dollar-Geldwäscheoperation leitete, die die Hamas finanzierte, die humanitäre Hilfe für die Bewohner des Gazastreifens stark reduzierte und eine riesige Rolle bei den Anschlägen vom 7. Oktober spielte.«
Anti-Terror-Forschungsgruppe
Gavi Mairone ist der Gründer der Anwaltskanzlei MM-LAW LLC, die sich für Menschenrechte starkmacht, indem sie Opfer von internationalem Terrorismus, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord vertritt. Um Beweise zu sammeln, rief er sogar eine eigene Anti-Terror-Forschungsgruppe ins Leben, die zu internationaler Geldwäsche und der Finanzierung dschihadistischer Terrororganisationen recherchiert.
»Trotz wiederholter Warnungen haben sie nichts getan«, lautet der Vorwurf der Klageschrift.
Mairone und sein Team haben bereits Prozesse im Namen amerikanischer und afrikanischer Überlebender der Botschaftsbombenanschläge von 1998 in Daressalam und Nairobi gewonnen. Anfang Juni erwirkte er ein Urteil im Namen einer israelischen Familie, die von palästinensischen Terroristen attackiert worden war – und Schadensersatz in Höhe von 179 Millionen Dollar.
In der Klageschrift heißt es weiter, dass die UNRWA der Hamas die Nutzung ihrer Anlagen zur Waffenlagerung gestattet, den Bau von Tunneln und Kommandozentralen unter ihren Standorten zugelassen und Geld in die Kassen der Terrorgruppe gespült habe, indem sie darauf bestand, ihre Mitarbeiter in Gaza in Dollar zu bezahlen. Die Hamas habe die Gräueltaten des 7. Oktober »nicht ohne Unterstützung begangen. Die Beschuldigten wurden wiederholt gewarnt, dass ihre Politik eine direkte Unterstützung der Hamas sei. Trotz dieser Warnungen haben sie nichts dagegen getan«.
Die UNRWA wird von Geberländern finanziert, deren Vertreter sich jährlich in New York treffen, um die Summen zu besprechen, erklärt der Anwalt. Das Geld werde dann in die US-Bank J.P. Morgan eingezahlt, die monatlich an die UNRWA im Libanon, in Syrien, Jordanien und nach Ramallah in lokaler Währung überweise. Das Geld für Gaza kommt aus Ramallah. »Und nur bei den Geldern für Gaza werden monatlich 20 Millionen Dollar in bar abgezweigt«, weiß Mairone zu berichten. Dafür gebe es Beweise, schwarz auf weiß.
Dollars für Waffen und Sprengstoff
Die 13.000 UNRWA-Beschäftigten in Gaza wiederum können nicht mit Dollar bezahlen. Die Währung in der Enklave ist der israelische Schekel. Ihren Lohn mussten sie deshalb bei von der Hamas kontrollierten Geldwechslern umtauschen, die eine Provision nahmen. »UNRWA stellte damit der Hamas wissentlich US-Dollar in bar zur Verfügung, die diese benötigte, um Schmuggler für Waffen, Sprengstoff und anderes Terrormaterial zu bezahlen, wahrscheinlich auch Baumaterialien für die Tunnel«, so der Anwalt.
Die Geldwechsler der Hamas nahmen jeweils zehn bis 25 Prozent Provision und »stellten so sicher, dass ein vorhersehbarer Prozentsatz der UNRWA-Gehälter an die Hamas ging. Wenn man sich die Massen an Waffen und Raketen ansieht, die die Hamas in den vergangenen zehn Jahren ansammeln konnte, ergibt alles Sinn«.
Zudem habe das Hilfswerk der Hamas in Gaza wissentlich Unterstützung geleistet, indem es der Terrorgruppe in seinen Einrichtungen, darunter Schulen, die als Waffenlager oder Kommandozentralen genutzt werden, Unterschlupf gewährt habe, und zwar in der Annahme, dass die Räumlichkeiten immun gegen israelische Angriffe seien, führt er aus.
Darüber hinaus wird der UNRWA vorgeworfen, in ihren Schulen von der Hamas genehmigte Lehrbücher zu verwenden, die »Kinder von klein auf mit einer Todeskult-Ideologie des Hasses und Völkermords indoktrinieren und so neue Rekruten produzieren«, so Mairone. »Mit dem Tod im Namen Allahs als höchstes Ziel.« Die daraus resultierenden Gräueltaten seien vorhersehbar gewesen, »und die Angeklagten sind haftbar wegen Beihilfe zum Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und der Folter durch die Hamas«, resümiert die Klageschrift.
Zwölf Prozent dem Terror verbunden
Im Februar hatte Israels Verteidigungsminister Yoav Gallant erklärt, dass von den 13.000 UNRWA-Mitarbeitern in Gaza mindestens zwölf Prozent der Hamas oder dem Palästinensischen Islamischen Dschihad verbunden seien – 1468 Mitarbeiter sind aktive Mitglieder der Terrorgruppen. Zudem hätten sich mindestens ein Dutzend UNRWA-Beschäftigte aktiv an den Massakern vom 7. Oktober beteiligt. Die israelische Armee entdeckte im anschließenden Krieg gegen die Hamas-Angreifer in Gaza mehrere Tunnel unter UNRWA-Gelände und Terroristen in UN-Einrichtungen.
Eine der 101 Klagenden ist Ditza Heiman, die am 7. Oktober von Terroristen verschleppt und 53 Tage später im Rahmen eines Austauschs freigelassen wurde.
Eine der 101 Klagenden ist Ditza Heiman, die am 7. Oktober von Terroristen verschleppt und 53 Tage später im Rahmen eines Austauschs freigelassen wurde. Sie berichtete, dass der Mann, der sie gefangen hielt, Lehrer an einer UNRWA-Schule war, und dass sie Lebensmittel erhielt, die von der UN-Agentur ausgegeben worden waren.
»Die Tatsache, dass die Hamas in Gaza herrschte, hätte der UNRWA klarmachen müssen, dass sie zusätzliche Vorsichtsmaßnahmen ergreifen muss«, sagte Heiman gegenüber der Tageszeitung »Yedioth Ahronoth«.
Zur Rechenschaft ziehen
Die Klageschrift enthält zudem Erfahrungsberichte über Misshandlungen, die einige Geiseln während ihrer Entführung und Gefangenschaft in Gaza erlitten. Die Kläger betonen, dass sie vor Gericht kein »Forum suchen, um politische Beschwerden vorzubringen«, sondern dass sie vielmehr »finanzielle Entschädigung für ihre Verletzungen von Parteien fordern, die für diese Verletzungen haftbar sind«.
Menschenrechtsanwalt Mairone geht davon aus, dass die Klage vom US-Gericht angenommen wird. Denn: »Das Leid, das den Opfern zugefügt wurde, überschreitet jedes Maß des Erträglichen. Es war intendiert und unendlich grausam. Dieser Fall ist eindeutig. Niemand sollte über dem Gesetz stehen, auch keine internationale Organisation. Und die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden.«