Nach dem Inkrafttreten eines Arbeitsverbots in Israel für das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA ist unklar, wer die Bevölkerung in Gaza versorgen und bilden wird. Vorerst setzt die UN-Organisation ihre Tätigkeit trotz Israels Verbot fort.
Die Hilfe in Gaza gehe weiter, sagte der Sprecher von UN-Generalsekretär António Guterres, Stéphane Dujarric. Auch Kliniken von UNRWA im gesamten besetzten Westjordanland sowie in Ost-Jerusalem seien weiterhin geöffnet.
Nach dem Willen Israels hätte UNRWA die Arbeit am Donnerstag einstellen müssen. Die Regierung wirft dem UN-Palästinenserhilfswerk vor, seine Mitarbeiter seien an Terroraktivitäten der Hamas beteiligt gewesen. Israels Parlament hatte als Konsequenz ein Arbeitsverbot auf israelischem Staatsgebiet verhängt.
Vorräte für mehrere Wochen
Ein weiteres Gesetz untersagt israelischen Behörden jeglichen Kontakt mit UNRWA. Weil Israel alle Zugänge zu den besetzten Gebieten kontrolliert, wird befürchtet, dass es für das Hilfswerk schwierig bis unmöglich werden könnte, die Zivilbevölkerung im Gazastreifen und im Westjordanland weiter zu versorgen.
Noch habe man Vorräte für mehrere Wochen im Gazastreifen gelagert, zitierte die »New York Times« Sam Rose, für den Einsatz in dem Küstenstreifen zuständiger UNRWA-Direktor. Bisher hatte es von der UNO stets geheißen, es gebe nicht genügend Hilfsgüter für die Bevölkerung in Gaza.
Israel könnte dem Hilfswerk gestatten, Tausende Lastwagenladungen, die sich bereits in Israel befinden, umzuladen, obwohl dies technisch gesehen gegen das Arbeitsverbot verstoßen könnte, zitierte die Zeitung drei namentlich nicht genannte israelische Beamte.
Einziger Zugang nach Gaza
Die größte Herausforderung für UNRWA werde in einigen Wochen anstehen, wenn die Hilfslieferungen zur Neige gingen und die ausländischen Mitarbeiter des Hilfswerks abgezogen werden müssen, hieß es. Aufgrund des Arbeitsverbots könne es unmöglich sein, die Genehmigung für die Einfuhr zusätzlicher Hilfsgüter zu erhalten und Visa für die Mitarbeiter zu beantragen. Der einzige Zugang nach Gaza auf dem Landweg erfolgt derzeit über Israel.
Etwa zwei Dutzend internationale Mitarbeiter des Hilfswerks seien wegen auslaufender Visa bereits nach Jordanien ausgereist, sagte Dujarric in New York. UNRWA-Chef Philippe Lazzarini hatte kürzlich auf der Plattform X davor gewarnt, das Arbeitsverbot durch Israel könne die momentan in Gaza geltende Waffenruhe zwischen Israel und der islamistischen Hamas »sabotieren«, ohne dies näher zu erläutern.
Auch im UN-Weltsicherheitsrat in New York warnte Lazzarini mit eindringlichen Worten: »Auf dem Spiel stehen das Schicksal von Millionen von Palästinensern, der Waffenstillstand und die Aussichten auf eine politische Lösung, die dauerhaften Frieden und Sicherheit bringt.«
Terror gefeiert
Aus Israels Sicht ist die UNRWA ein Hindernis für den Frieden. Abgesehen von der direkten Beteiligung von Mitarbeitern an den Massakern im Oktober 2023 wurde aufgedeckt, dass viele Angestellte Hamas-Mitglieder sind. In einem Chatraum, dem Tausende UNRWA-Lehrer und andere Mitarbeiter angehörten, wurde der Terror gegen Israel gefeiert.
Während des von der Hamas begonnenen Krieges stellte sich immer wieder heraus, dass die Terroristen Waffen auf UNRWA-Gelände oder in Gebäuden der UNO-Unterorganisation lagerten und sich darin versteckten. Treibstoff der UNRWA landete in den Händen der Hamas.
Schon lange vor dem Krieg wurden immer wieder Skandale bekannt. Dazu gehörten UNRWA-Lehrer, die in sozialen Medien Terrorpropaganda posteten und Schulbücher, die wegen Verschwörungsmythen über Israel und antisemitischen Inhalten auffielen.
»Fast nichts mehr übrig«
Israels Regierung will einen Ersatz für UNRWA, doch den gibt es bislang nicht. Andere Hilfsorganisationen sind in hohem Maße auf das Verteilungsnetz von UNRWA angewiesen, einschließlich seiner Lastwagen, Lagerhäuser, Mitarbeiter und Verteilungsstellen. UNRWA sei »unersetzlich für das Überleben der Zivilisten«, sagte der Sprecher des UN-Nothilfebüros OCHA, Jens Laerke.
Der Wiederaufbau des Gazastreifens könnte nach Einschätzung des US-Sonderbotschafters für den Nahen Osten, Steve Witkoff, zwischen zehn und 15 Jahren dauern. Nach fast 16 Monaten Krieg zwischen Israel und der islamistischen Hamas sei von der Infrastruktur in dem Küstenstreifen am Mittelmeer »fast nichts mehr übrig«, sagte Witkoff der US-Nachrichtenseite »Axios«. Er hatte am Mittwoch den Gazastreifen besucht, um sich am Boden und aus der Luft ein Bild von dem Kriegsgebiet zu machen.
Allein der Abriss und die Beseitigung der Trümmer werde fünf Jahre in Anspruch nehmen, sagte Witkoff, der vor seiner Ernennung zum Nahost-Gesandten des US-Präsidenten Donald Trump als Immobilieninvestor tätig war. Die Bewertung der möglichen Auswirkungen der vielen von der Hamas angelegten Tunnel unter Gaza auf den Bau neuer Fundamente könne weitere Jahre dauern.
»Unbewohnbarer« Küstenstreifen
Die unterirdischen Terror-Tunnel erstrecken sich Berichten zufolge über Hunderte Kilometer. Sie dienen der Hamas als Rückzugs- und Lagerräume. Dort wurden allerdings auch israelische Geiseln versteckt, gefangen gehalten und ermordet. Auch zur Infiltrierung Israels wurden Tunnel schon genutzt.
Er habe mit Trump nicht über dessen Idee gesprochen, Palästinenser aus dem Gazastreifen nach Ägypten und Jordanien umzusiedeln, während das Gebiet wiederaufgebaut wird, sagte Witkoff. Nach dem, was er bei seinem Besuch gesehen habe, sei der Küstenstreifen »unbewohnbar«. Hinzu kämen die vielen nicht explodierten Sprengkörper.
Es sei gefährlich, sich in Gaza zu bewegen. Die beiden arabischen Staaten hatten Trumps Idee abgelehnt und erklärt, sie würden sich nicht an einer Umsiedlung von Bewohnern aus Gazas beteiligen.
Witkoff verließ Israel am Donnerstag, wenige Stunden nachdem die Hamas acht weitere israelische Geiseln freigelassen hatte. Israel entließ im Gegenzug 110 palästinensische Häftlinge, darunter mindestens 30 wegen Mordes Verurteilte. Einige der freigelassenen Häftlinge wurden Berichten zufolge in den Gazastreifen gebracht. Mehrere sollen im Rahmen des Abkommens wegen der Schwere ihrer Straftaten ins Ausland gebracht werden. Aus Empörung über chaotische Szenen bei der Geisel-Freilassung in Chan Junis im Süden Gazas hatte Israels Regierung die Freilassung der Häftlinge zunächst aufgeschoben. dpa/ja