In einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters hat der frühere israelische Botschafter in Deutschland, Shimon Stein, Deutschland und andere westliche Länder für die Untätigkeit der UN-Mission UNIFIL im Südlibanon in den vergangenen 18 Jahren scharf kritisiert.
»Es irritiert mich, wenn Bundeskanzler Olaf Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock nun wiederholt auf die UN-Sicherheitsratsresolution 1701 als Basis für eine Nachkriegsordnung im Libanon verweisen«, so Stein. »Die Resolution wurde am 11. August 2006 beschlossen - seither hat
die Hisbollah 18 Jahre lang im Südlibanon ihre Positionen ausbauen können. Wo war die Staatengemeinschaft denn da?«
Die UNIFIL-Mission, an der auch die deutsche Marine beteiligt ist, koste hunderte Millionen Dollar jedes Jahr. Aber sie habe nach dem Motto »Ich sehe nichts, ich höre nichts« gehandelt. »Für mich ist der UNIFIL-Einsatz ein Versagen ersten Ranges. Irgendjemand muss die Verantwortung tragen.«
Das Tunnelsystem der Hisbollah übertreffe das in Gaza
Stein führte weiter aus, dass der Text der Sicherheitsrats-Resolution »an sich nicht schlecht« sei. Denn dieser sehe ganz klar vor, dass es zwischen der israelisch-libanesischen Grenze und dem Litani-Fluss kein bewaffnetes Personal und keine Waffen geben dürfe. »Aber die Hisbollah hat dort über 18 Jahre ein unterirdisches Tunnelsystem aufgebaut, das das des Gazastreifens noch übertrifft.«
Die Hisbollah hat über 18 Jahre ein unterirdisches Tunnelsystem aufgebaut, das das des Gazastreifens noch übertrifft.
Auch Staaten wie Frankreich, die immer gern ihre Verantwortung für den Libanon betonten, hätten nicht dafür gesorgt, dass die reguläre libanesische Armee in die Lage versetzt wurde, die Kontrolle über das Land zu erringen. Dabei sei in der Sicherheitsrats-Resolution ausdrücklich die Entwaffnung aller anderen Gruppen und Milizen neben der Armee gefordert worden. »Jetzt muss man dafür sorgen, dass wir nicht nach 18 Jahren wieder sagen, es ist nichts passiert.«
»Israel ist nicht frei von Fehlern«
Stein räumte in dem Interview ein, dass »auch Israel ist nicht frei von Fehlern« gehandelt habe. Man habe die Hisbollah lange abgeschreckt, aber nicht eingedämmt. Israel habe selbst nicht viel gegen das Tunnelsystem und die Aufrüstung der vom Iran unterstützten Hisbollah-Miliz nördlich der Grenze unternommen.
Die jüngsten israelischen Angriffe auf UNIFIL-Stellungen erklärte Stein vor allem damit, dass die Hisbollah ihre Basen bewusst in die Nähe von Gebäuden der UN-Mission gebaut habe. Es gebe deshalb sicher unabsichtliche Opfer unter dem UNIFIL-Personal, was bedauerlich sei. Vielleicht hätte die israelische Armee stärker mit den Blauhelmen zusammenarbeiten sollen. Auf die Angriffe auf Hisbollah-Stellungen könne die israelische Armee aber nicht verzichten, sagte Stein. Es müsse sichergestellt werden, dass die rund 60.000 bis 80.000 evakuierten Bewohner in Nordisrael wieder in ihre Häuser zurückkehren könnten. sal