Während des elftägigen Waffengangs im Gaza-Konflikt vor mehreren Wochen haben Hamas und Islamischer Dschihad mehr als 4000 Raketen auf Israel abgefeuert. Besonders Aschkelon geriet unter Beschuss. Selbst ein Altersheim wurde dort nicht verschont. »Israels Gegenschlag überraschte die Hamas«, sagt der ehemalige Geheimdienstmitarbeiter Herbert Cohen, der in dem Seniorenheim in der südisraelischen Küstenstadt lebt. »Doch schon während des ›Krieges zwischen den Kriegen‹ haben die israelischen Streitkräfte (IDF) mit zahlreichen verdeckten Operationen gegen die Terroristen hervorragende Arbeit geleistet.«
Mit dieser Kampagne versucht der jüdische Staat, entschlossen gegen Waffenlieferungen des Iran an dessen Stellvertreter sowie eine militärische Ausbreitung des Mullah-Regimes in Syrien vorzugehen, ohne einen regionalen Krieg auszulösen, und hat nach eigenen Angaben in den vergangenen vier Jahren mehr als 1000 Luftangriffe durchgeführt. »Jerusalem operiert schon lange in einer militärischen Grauzone gegen Teheran«, sagt Cohen. »Mittlerweile wurde eine neue Front auf dem Meer eröffnet.«
Tatsächlich führen beide Erzfeinde seit über einem Jahrzehnt einen nicht erklärten Schattenkrieg im Nahen Osten, der sich in jüngerer Zeit verstärkt auf die hohe See verlagerte. Mit einer Reihe mysteriöser Angriffe und Sabotagevorfälle soll Israel laut Medienberichten in den vergangenen drei Jahren mehrere Dutzend iranische Schiffe im Roten Meer und im Mittelmeer attackiert haben, die Syrien und Libanon mit Öl und Waffen beliefern wollten.
ATOMPROGRAMM Vor allem Frachter mit Präzisionsraketen an die radikal-islamische Hisbollah sind ein primäres Ziel. Der verursachte Schaden in Milliardenhöhe zwang mehrere Boote zur Umkehr. Zwar gab es Vergeltungsschläge des Mullah-Staats, doch bisher vermied er es, dies publik zu machen. Der Iran, der trotz Sanktionen und zahlreicher Abkommen nach Nuklearwaffen strebt, beschuldigt Israel verdeckter Operationen wie der Schädigung seines Atomprogramms oder der Liquidierung einiger Physiker.
»Bisher verharrt dieser Seekrieg noch in der Grauzone,« sagt Menahem Merhavy vom Institut für Nahoststudien an der Hebräischen Universität Jerusalem. »Beide Seiten versuchen, eine Eskalation zu vermeiden, die ihre jeweiligen Schifffahrtswege und Volkswirtschaften stören könnte.« Doch der Iran-Experte befürchtet bei weiteren Attacken die Ausdehnung des Konflikts auf ein größeres geografisches Gebiet. »Durch das Einsetzen von U-Booten, Schnellangriffsschiffen sowie Drohnen mit größerer Reichweite könnten die Dinge außer Kontrolle geraten.« So geschehen Anfang Juni im Golf von Oman, als an der Straße von Hormus, wo etwa ein Fünftel des weltweiten Öls fließt, Irans größtes Marineschiff plötzlich Feuer fing und sank.
Tatsächlich führen beide Erzfeinde seit über einem Jahrzehnt einen nicht erklärten Schattenkrieg im Nahen Osten, der sich in jüngerer Zeit verstärkt auf die hohe See verlagerte.
»In diesem Schattenkrieg auf hoher See kann ein erhebliches Risiko von Fehleinschätzungen und Eskalationen die internationale Schifffahrt gefährden«, warnt Merhavy. Israel will aber durch gezielte Angriffe auf iranische Öltanker verhindern, dass der Mullah-Staat durch internationale Sanktionen den Verkauf von Öl umgeht und die Erlöse für unterschiedliche Militäroperationen wie der logistischen und finanziellen Unterstützung seiner Verbündeten verwendet. »Jerusalems Angriffe dienen zunächst als Botschaft an Teheran, damit diese eine schwächere Position bei den zukünftigen Atomverhandlungen einnehmen«, sagt Merhavy. »Aber auch an Washington, um die Bemühungen der USA für ein neues Nuklearabkommen mit dem Iran zu untergraben.«
Diese umfangreiche Aktivität führte zu einer konzeptionellen Veränderung der israelischen Marine. Entsprechende Hilfe kam dabei aus Deutschland, das 2015 einen Rüstungsvertrag mit Israel unterzeichnete, insgesamt vier der bestellten Kriegsschiffe der »Sa’ar 6«-Klasse lieferte und sich mit 115 Millionen Euro an den Kosten beteiligte. Neben der Korvette »INS Magen« ist mittlerweile auch die »INS Oz« im Hafen von Haifa angedockt. Die restlichen Boote sollen Ende 2021 eintreffen. Die Schiffe seien ein wichtiger Bestandteil der israelischen Verteidigung seiner Hoheitsgewässer und seiner Offshore-Energieressourcen, sagt Oberstleutnant G., Projektleiter der INS Magen.
Die 90 Meter langen und 2000 Tonnen schweren Korvetten wurden von ThyssenKrupp Marine Systems in Kiel hergestellt und haben eine Höchstgeschwindigkeit von 24 Knoten bei einer Reichweite von 2500 Seemeilen. Auch wird die neue Klasse von fast 300 statischen Radaranlagen abgedeckt und ist in der Lage, Bedrohungen aus der Luft zu erkennen.
IRON DOME »Die Boote sind mit Tarnkappentechnik ausgerüstet,« erklärt der Oberstleutnant. »Auch wurde das Raketenabwehrsystem ›Iron Dome‹ mit Barak-8-Batterien zum Abschuss von Marsch- und ballistischen Raketen installiert.«
Zusätzlich sind die Schiffe mit Cyber- und elektronischen Kriegsführungssystemen ausgestattet und besitzen auch eine Plattform zur Landung von Helikoptern. Die meisten der Waffen und Radarsysteme sollen in Israel eingebaut werden. »Sollte ein Krieg ausbrechen, werden zwei Sa’ar-6-Schiffe eingesetzt, um Israels Wirtschaftszone und seine Gasbohrinseln zu schützen«, erklärt G. »Der Rest der Flotte wird die Bodentruppen durch Angriffe auf feindliche Truppen und Bedrohungen unterstützen.«
Während die israelische Marine im Roten Meer und im Mittelmeer präsent sein kann, ist sie in iranischen Gewässern weniger effektiv, was ihre Schiffe dort anfälliger für Angriffe macht. »Dies ist ein vollwertiger Kalter Krieg, der mit einem einzigen Fehler heiß werden könnte«, sagt Ex-Geheimdienstmitarbeiter Herbert Cohen. Eine mächtige Marine könne die Meere im Nahen Osten beherrschen und damit auch den Handel der Region. Doch gleichzeitig warnt er: »Wir befinden uns in einer Eskalationsspirale, die Gefahr läuft, außer Kontrolle zu geraten.«