Die Koalition in Jerusalem wackelt wegen des Geisel-Deals. Finanzminister Bezalel Smotrich von der ultranationalen Partei Religiöser Zionismus droht mit Austritt aus der Regierung, wenn das Abkommen für einen Waffenstillstand in Gaza und die Befreiung der von der Hamas verschleppten Menschen in all seinen Phasen umgesetzt wird.
Er werde dem Deal nur zustimmen, wenn ihm zugesichert wird, dass die Armee ihre Militäroperationen in Gaza nach der ersten Phase wieder aufnehmen werde, teilte die Partei am Donnerstag in Jerusalem mit. »Neben dem Verlangen nach der Rückkehr aller unserer Geiseln lehnt die Religiös-Zionistische Partei ein Abkommen entschieden ab.« Man stehe hinter der Forderung, Israels Rückkehr in den Krieg zur Vernichtung der Hamas und zur Rückgabe aller Geiseln sicherzustellen.
Smotrich hat von Premierminister Benjamin Netanjahu schriftliche Zusicherungen verlangt, dass Israel seine Militäroperationen in Gaza nach der ersten Phase des Abkommens wieder aufnehmen werde, die die Freilassung von 33 Geiseln innerhalb von 42 Tagen vorsieht.
Smotrich: Deal mache Errungenschaften des Krieges zunichte
Smotrich hat sich in der Vergangenheit mehrfach öffentlich gegen die Vereinbarung ausgesprochen und es als »schlechtes und gefährliches Abkommen für die nationale Sicherheit Israels« bezeichnet. Nach einem Treffen mit Netanjahu sagte er: »Obwohl die Freude und Aufregung über die Rückkehr aller Geiseln groß ist, macht dieser Deal viele Errungenschaften des Krieges zunichte, in dem die Helden dieser Nation ihr Leben riskierten, und er wird uns tragischerweise noch mehr Blut kosten.«
Die Erklärung deutete darauf hin, dass Smotrich die Zusicherungen, die er bei der Zusammenkunft am Mittwoch verlangt hatte, nicht erhalten hat. Anschließend erklärte Zvi Sukkot, Abgeordneter der Partei, in einem Interview mit dem öffentlich-rechtlichen Sender Kan, »die Chancen sind groß«, dass die Partei die Regierung verlassen würde.
Würden beide Parteien die Regierung verlassen, gebe es keine Mehrheit mehr für den von Netanjahu angeführten rechts-religiösen Block.
Auch die andere rechtsextreme Partei in der Koalition, Otzma Jehudit, hatte den Deal für »schrecklich« erklärt. Allerdings hat der Vorsitzende, der nationale Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir, wegen des momentan diskutierten Deals bislang nicht mit dem Ausbruch aus der Koalition gedroht. Er brüstete sich jedoch damit, durch Druck auf Premierminister Benjamin Netanjahu frühere Deals verhindert zu haben. Netanjahu indes hatte stets behauptet, Rückzieher hätten an der Hamas gelegen, die die Verhandlungen torpediert hätten.
Netanjahu strebt Berichten zufolge die breitest mögliche Unterstützung für das Abkommen an. Kan berichtete, dass Netanjahu Smotrich und Ben-Gvir »Gewinne für die Rechte« angeboten habe, wenn sie in der Regierung blieben und trotzdem unterzeichneten. Die sogenannten »Gewinne« seien Siedlungsbau im Westjordanland und erhöhte Sicherheit für jüdische Siedlungen auf palästinensischem Gebiet, hieß es weiter.
Die Parteien von Smotrich und Ben-Gvir verfügen zusammen über 13 Sitze in der Knesset. Die Regierungskoalition in der 120 Sitze zählenden Knesset verfügt derzeit über 68 Sitze. Ein Austritt von einer der beiden Parteien würde nicht ausreichen, um die Regierung zu Fall zu bringen, würden jedoch beide zusammen gehen, gebe es keine Mehrheit mehr für den von Netanjahu angeführten rechts-religiösen Block.
Zwar wäre die Koalition dann nicht mehr regierungsfähig, den Geisel-Deal könnte sie aber dennoch in der Knesset durchbringen. Denn die Mehrheit der Abgeordneten, die dafür benötigt wird, könnte mithilfe der Oppositionsparteien erreicht werden.
Ultraorthodoxe Parteien unterstützen Deal
Sowohl Oppositionsführer Yair Lapid mit seiner Partei Jesch Atid als auch Benny Gantz vom Bündnis Nationale Einheit wiederholten am Donnerstag ihre früheren Versprechen, Netanjahu ein »politisches Sicherheitsnetz« zu bieten, damit das Abkommen in jedem Fall zustande kommt. »Bis zum letzten Moment, bis zur letzten Geisel«, schrieb Lapid auf X.
Die ultraorthodoxen Parteien Vereintes Tora-Judentum und Schas erklärten beide, dass sie das Abkommen unterstützen werden, denn »der Schutz des Lebens kommt vor der Tora«, wie Hausbauminister Yitzhak Goldknopf hervorhob.
Sogar beim Abgang vom Religiösen Zionismus und Otzma Yehudit bliebe das Abkommen bestehen und könnte während des gesetzlichen dreimonatigen Wahlkampfs umgesetzt werden.
Auch im nationalen Sicherheitskabinett haben die beiden Hardliner nicht das letzte Wort. Hier muss die Vereinbarung ebenfalls bestätigt werden. Doch sogar Nein-Stimmen von beiden würde nicht ausreichen, um den Deal zu verhindern. Ben-Gvir und Smotrich sind die einzigen stimmberechtigten Vertreter ihrer Parteien im nationalen Sicherheitskabinett, das aus elf Ministern besteht. Und auch hier reicht die einfache Mehrheit aus, um das Abkommen zwischen Israel und der Hamas zu bestätigen.